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Urteil des Bundesverfassungsgerichts
Wie gefährlich ist die NPD noch?

Die NPD wird nicht verboten - das hat das Bundesverfassungsgericht heute entschieden. Die Partei ist in keinem Landtag mehr vertreten. Deshalb wird sie oft für politisch bedeutungslos gehalten. Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier warnt jedoch davor, die Partei zu unterschätzen.

Von Silke Hasselmann | 17.01.2017
    Eine Malerei an einer Hauswand in Jamel (Mecklenburg-Vorpommern). Hier sollen viele Menschen mit rechter Gesinnung leben.
    Jamel (Meckelnburg-Vorpommern) ist als "Nazi-Dorf" bekannt. (Deutschlandradio / Silke Hasselmann)
    Nur noch 3 Prozent für die NPD bei der Parlamentswahl in Mecklenburg-Vorpommern vorigen September. Das hieß für NPD-Landeschef Stefan Köster und seine vier Fraktionskollegen, nach zehn Jahren im Schweriner Landtag die Abgeordnetenbüros zu räumen. Futsch die Auskunftsrechte gegenüber der Landesregierung, futsch die Diäten und die jährlich 1,3 Mio. Euro von der staatlichen Parteienfinanzierung für die notorisch klamme NPD. Doch eine juristische Niederlage werde nicht dazukommen, glaubt Stefan Köster.
    "Wir sind die Partei für das eigene Volk und wir arbeiten mit allen jenen zusammen, die etwas zum Wohle unseres Volkes erreichen wollen und die mit legalen Mitteln arbeiten. Wenn jetzt, was noch nicht vorgekommen ist, Einzelpersonen oder Gruppen kommen würden, 'wir machen morgen den bewaffneten Aufstand'- das ist mit der NPD nicht zu machen."
    Es ist maßgeblich dem Land Mecklenburg-Vorpommern zu verdanken, dass es ein zweites NPD-Verbotsverfahren gibt. Von dort stammt der Großteil jener Materialsammlung, die die obersten Richter davon überzeugen sollte, dass die NPD nicht nur verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, sondern verfassungswidrige.
    NPD handelt seit 2015 vorsichtiger
    Nicht einfach bei einer Mitgliederzahl von ca. 5.200 bundesweit und nur 310 in Mecklenburg-Vorpommern. Dazu kommt, dass die NPD spätestens seit dem Beginn des Hauptsacheverfahrens 2015 besonders vorsichtig agiert. Direkte Verbindungen zu ausländerfeindlichen Straftaten, gar staatsgefährdenden Aktionen konnten so gut wie nie nachgewiesen werden, sagt der Schweriner Innenminister Lorenz Caffier (CDU):
    "Die NPD ist natürlich klug genug gewesen, in den vergangenen 15, 16, 17 Monaten unter dem Radar zu agieren bzw. nicht straftenmäßig bzw. auch, was die Verfassungskonformität betrifft, zu kollidieren. Das war schon sehr deutlich spürbar".
    Widersprüchlich auch das Bild, was die NPD-Strategie der nationalen Dörfer angeht. Anfang 2000 vom mecklenburgischen Parteichef Udo Pastörs ersonnen, haben NPD-Mitglieder und Sympathisanten durchaus gezielt Immobilien und Grundstücke in abgehängten ländlichen Gegenden kaufen, um sie mit Gleichgesinnten zu besiedeln und dann Vereine, Feuerwehren und ganze Dörfer zu unterwandern. Doch Stand Januar 2017 meint Lorenz Caffier:
    "Nein, diese Strategie ist definitiv nicht aufgegangen. Das ist nicht die Regel."
    Das heiße nicht, dass sich NPD nun politisch und finanziell erledigt habe, so der seit 2006 amtierende Innenminister.
    "Selbstverständlich spielt die NPD auch in Mecklenburg-Vorpommern noch eine Rolle. Sie sind untereinander noch stark vernetzt. Sie haben sich auch aus der Zeit ihrer Tätigkeit als Abgeordnete bestimmte feste Stützpunkte im Land geschaffen, und insofern darf man das Thema einfach nicht unterschätzen. Das ist nur aufgrund der bundesweiten Debatte um AfD und Reichsbürger in den Hintergrund gerückt. Also die Auseinandersetzung bleibt uns erhalten und 'ne gewisse Gefährdungslage nach wie vor auch".
    Gewisse Gefährdungslage besteht noch
    Wie auch immer das Urteil ausfällt: Lorenz Caffier hält es für einen Gewinn, dass das Land endlich eine inhaltliche höchstrichterliche Entscheidung über die NPD bekommt, und dass Bürger und Politik fortan genauer wissen, wann ein Parteiverbot gerechtfertigt ist.
    "Ich glaube, unterm Strich war es eine vollkommen richtige Entscheidung der Länder. Und alle, die im Voraus wissen, was bei Gericht rauskommt, werde ich demnächst als Wahrsager anfragen. Aber es lehrt mich auch immer wieder: Ja, das ist eines der höchsten Eingriffe, die man machen kann, was die Frage eines Parteienverbots betrifft. Das soll man nicht überstrapazieren, solche Anträge. Sondern das soll man sich reiflich und gut überlegen".