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Urteil des EuGH
Gericht stärkt Urheberrecht von Fotografen

Frei zugängliche Bilder dürfen nicht ohne Zustimmung des Fotografen für eigene Online-Seiten verwendet werden. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Damit könnte eine zunehmend unübersichtliche Situation entstehen, so fürchten Experten. Manche Inhalte könnten ganz verschwinden.

Von Peggy Fiebig | 08.08.2018
    Die Türme des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg.
    Der Europäische Gerichtshof hat über die Online-Nutzung von Fotos entschieden. (picture alliance / dpa / Thomas Frey)
    Vor einigen Jahren hat der Reisefotograf Dirk Renkhoff ein Foto für eine Serie über Andalusien aufgenommen. Das Bild zeigt die Stadt Cordoba, "mit 'nem Blick über die Brücke über den Guadalquivir bis auf die Mezquita. Und da es bei Google auf der ersten Seite auftaucht, wird das sehr gerne geklaut", so Renkhoff.
    Es ist nicht das erste Mal, dass Renckhoff seine Fotos auch auf anderen Internetseiten findet. Für ihn – der die Reisefotografie zu seinem Beruf gemacht ist – kann das aber, so sagt er, existentielle Bedeutung haben.
    "Ich lebe von der Fotografie. Meine Bilder sind zum Teil mit sehr hohen Reisekosten angefertigt worden. Ich habe im Jahr etwa 20.000 bis 30.000 Euro Reisekosten und die muss ich erstmal durch den Verkauf der Bilder wieder reinbekommen. Und wenn ich das hinterher meinen Medienpartnern nicht mehr anbieten kann, weil die es ja schon woanders her umsonst bekommen, dann waren die Reisekosten umsonst."
    Wann wird ein Foto veröffentlicht?
    Deshalb hat Renckhoff geklagt. Sein Vorwurf: Die Schule habe sein Urheberrecht verletzt. Durch alle Instanzen ging das Verfahren bis hoch zum Europäischen Gerichtshof. Der musste jetzt die Frage beantworten: Kann man überhaupt von einer Veröffentlichung sprechen, wenn ein Bild, das ohnehin schon im Internet verfügbar war, nun noch einmal auf eine andere Plattform hochgeladen wurde? Denn eine Urheberrechtsverletzung kann qua Definition der europäischen Urheberrechtsrichtlinie nur begehen, wer ein Werk – hier eben ein Foto – ohne Zustimmung des Urhebers öffentlich zugänglich macht. Wenn es aber schon vorher für das gleiche Publikum öffentlich zugänglich war, geht das eben nicht mehr.
    Das hatte auch der Generalanwalt des Gerichtshofes so gesehen und meinte in seinem Antrag: Da das Bild durch die Veröffentlichung auf der Reiseportalseite schon für alle Nutzer des Internets leicht und rechtmäßig zugänglich war, sei durch das Hochladen auf die Schulseite keiner noch größeren Zahl an Personen der Zugang zum Bild ermöglicht worden. Er bezog sich dabei auf die frühere Rechtsprechung des Gerichtshofes. Vor vier Jahren mussten die Richter über einen Fall entscheiden, bei dem ein fremdes YouTube-Video durch das so genannte Embedding in Inhalte einer anderen Internetseite eingebunden wurde. Keine Urheberrechtsverletzung, hieß es damals.
    Kontrolle durch den Urheber
    Im aktuellen Fall sieht das allerdings anders aus, hat der Gerichtshof nun entschieden: Das Embedding oder auch Framing ist grundsätzlich anders zu bewerten als das Hochladen vom eigenen Server.
    Den Unterschied erläutert der Berliner Rechtsanwalt Till Kreutzer: "Man kann sich das so vorstellen: Jemand lädt ein Werk auf einen Server und das wird dann auf einer Website angezeigt, nehmen wir mal an, es ist ein Text. Wenn sich den Text dann jemand anderes holt sozusagen und den bei sich dann auf die Webseite stellt, gab es vorher eine Kopie des Textes und jetzt gibt es zwei Kopien des Textes. So ist das bei dem Runter- und Wiederhochladen. Beim Verlinken gibt es aber nur eine Kopie des Textes. Youtube-Video, der klassische Fall: Jemand lädt ein Video bei Youtube hoch, jemand anderes embedded das in seine eigene Webseite, wenn das jemand anklickt, dann sieht das zwar aus, wie seine eigene Webseite, es liegt aber immer noch auf dem Youtube-Server. Das heißt, es gibt nicht eine zweite Kopie dieses Werkes."
    "Unübersichtliche Situation"
    Für den ursprünglichen Urheber bleibt daher beim Embedding die Möglichkeit, letztendlich zu entscheiden, ob sein Werk veröffentlicht wird. Nimmt er es von Server A, geht auch die Verlinkung ins Leere. Wird dagegen wie im Fall des Cordoba-Bildes von Dirk Renkhoff das Foto kopiert und dann vom eigenen Server B hochgeladen, kann der Urheber nichts mehr machen. Sein Bild bleibt im Netz, selbst wenn er es von seiner eigenen Seite bereits gelöscht hat. Genau das würde aber die Rechte des Urhebers aushöhlen, sagt jetzt der EuGH. Und anders als noch dem Generalanwalt war es dem Gerichtshof dabei egal, dass hier eine Schülerin bzw. deren Schule und damit der Bildungsbereich betroffen ist.
    Leonhardt Dobusch ist Professor an der Universität Innsbruck. Er befürchtet, dass die Situation gerade im Privaten, aber auch im Schulbereich, unübersichtlicher wird. Denn es müsste jedes Mal konkret beim jeweiligen Urheber eines Werkes – eines Textes, eines Musikstückes, eines Videos und so weiter – dessen Zustimmung eingeholt werden.
    Idee der Pauschalvergütung
    "Eine solche Rechteklärung im Einzelfall ist in vielen Situationen, gerade für private Nutzer, für Leute an Schulen, für Lehrerinnen und Lehrer jedoch völlig unrealistisch, weil mit Kosten verbunden, weil gar nicht klar ist, wer die Rechteinhaber sind. Andererseits entgehen aber auch den Rechteinhaber keine relevanten Einnahmen. Denn was letztlich passiert ist, dass die Dinge trotzdem gemacht werden – mit Abmahnrisiko. Oder sie werden, und das ist dann wohl der Normalfall wahrscheinlich, einfach unterlassen."
    Für Dobusch müsste jetzt der Gesetzgeber ran: "Insofern wäre es absolut sinnvoll, hier neu zu denken und zum Beispiel eine Bagatellschranke oder auch ein Recht auf Remix einzuführen, dass zumindest in bestimmten Fällen, wie auch dem hier verhandelten, eine Nutzung von Werken auch ohne Rechteklärung erlaubt." Im Gegenzug könne man überlegen, dann eine Art Pauschalvergütung einzuführen, meint der Wirtschaftswissenschaftler.