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Urteil zu Presse-Snippets
Verlustgeschäft für deutsche Verlage

Die deutschen Verleger wollen Geld von Google für ihre Inhalte. Auch deswegen wurde 2013 ein neues Leistungsschutzrecht beschlossen - das den Verlagen allerdings bislang nur Verluste gebracht hat. Jetzt hat der Europäische Gerichtshof die Regelung gekippt.

Christoph Sterz im Gespräch mit Sebastian Wellendorf | 12.09.2019
Nachrichtenüberblick von Google auf einem Smartphone (David Joles/Minneapolis Star Tribune/TNS) Photo via Newscom picture alliance |
Nachrichtenüberblick von Google auf einem Smartphone (picture alliance / newscom / David Joles)
Wer in Suchmaschinen ein Stichwort eingibt, bekommt oft auch Texte von privaten Medienunternehmen angezeigt - zum Beispiel Überschriften und kurze Teaser von Zeitungen und Zeitschriften. Schon seit Jahren fordern die Verlage von Google Geld für die Verwendung dieser kurzen Textschnipsel. Ein Grund für die damalige schwarz-gelbe Regierung 2013, das sogenannte Leistungsschutzrecht zu beschließen. Heute hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Gesetz nun gekippt.
Dabei ging es allerdings nicht um inhaltliche Argumente, sondern um einen Formfehler: Die Richter entschieden, dass die Bundesregierung das Gesetz der Europäischen Kommission hätte vorlegen müssen - was sie nicht getan hat. Deswegen sei die Regelung nicht anwendbar, erklärte der EuGH.
Einnahmen decken nicht einmal Verwaltungskosten
Es ist aber nicht so, dass den Verlegern durch die Entscheidung große Gewinne verloren gehen: Seit seiner Einführung war das neue Leistungsschutzrecht für die Verlage ein Minusgeschäft. Das zeigen die Jahresabschlussberichte der VG Media. Die Verwertungsgesellschaft vertritt die Interessen vieler kommerzieller Medien, darunter die der Funke-Mediengruppe, des Axel-Springer-Verlags und von Madsack.
Den Berichten zufolge sind bei der VG Media allein 2018 mehr als 1,6 Millionen Euro Verwaltungskosten für das Leistungsschutzrecht angefallen. Eingenommen hat die Gesellschaft im gleichen Jahr durch die Neuregelung nur rund 66.000 Euro. Insgesamt haben die Verleger durch das Gesetz seit 2014 über zehn Millionen Euro Verluste gemacht.
"Schwere Schlappe für Verleger"
Für die normalen Nutzerinnen und Nutzer habe das Gerichtsurteil erst einmal relativ wenige Folgen, sagte @mediasres-Journalist Christoph Sterz im Deutschlandfunk: "Es ist nämlich bisher sowieso ein weitgehend wirkungsloses Gesetz gewesen." Für die Verleger sei das Urteil dennoch eine schwere Schlappe. Die VG Media habe nämlich von Google weitere Milliardenbeträge gefordert. Die spannende Frage sei nun, ob sich die Verlage an die Bundesregierung wenden und diese für die Verluste haftbar machen.
Angerufen hatte den EuGH das Landgericht Berlin. Das Gericht beschäftigt sich schon länger mit der Auseinandersetzung zwischen dem US-amerikanischen Unternehmen und deutschen Verwertungsgesellschaft. Umstritten ist unter anderem, wie lange Textausschnitte sein dürfen, damit Google zahlen muss. Dem Gesetz zufolge waren "einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte" bislang kostenfrei.
Google verdient kaum an journalistischen Inhalten
Google argumentiert, dass die Verlage von ihrer Platzierung in den Suchmaschinen selbst profitieren - schließlich gelangen dadurch Leserinnen und Leser auf ihre Internetseiten. Gleichzeitig hat das auf Suchmaschinenoptimierung spezialisierte Unternehmen Sistrix in einer Studie herausgefunden, dass Google mit journalischen Inhalten kaum Geld verdient. Dementsprechend gering dürfte das Interesse des Konzerns sein, die Inhalte der Verlage zu vergüten.
Dieser Konflikt bleibt nun erst einmal ungelöst: Mit dem Urteil des EuGH ist das deutsche Leistungsschutzrecht nicht mehr anwendbar. Inzwischen hat allerdings die Europäische Union ein EU-weites Leistungsschutzrecht auf den Weg gebracht, das innerhalb von zwei Jahren von allen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden muss. Auch Deutschland wird sich des Themas also noch einmal in einem Gesetz annehmen müssen.