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US-Klimapolitik
Oberster Gerichtshof könnte strengere CO2-Werte für Kohlekraftwerke kassieren

Barack Obama hat Klimapolitik über die Hintertür betrieben: Die US-Umweltbehörde EPA hatte das Kohlendioxid als gesundheitsschädlich eingestuft und strengere Klimaschutzregeln für Autos und Kraftwerke eingeführt. Doch das könnte das höchste Gericht wieder kippen.

Von Heike Wipperfürth | 25.11.2013
    Ein nationales Klimagesetz hat die größte Volkswirtschaft und zweitgrößter Luftverschmutzer der Welt nicht, doch Präsident Barack Obama kann den Klimakiller CO2 auch ohne Zustimmung des US-Kongress regulieren – mithilfe der Umweltbehörde Environmental Protection Agency, kurz EPA. Sie hat das Kohlendioxid vor vier Jahren als gesundheitsschädlich eingestuft und strengere Klimaschutzregeln für Autos und Kraftwerke eingeführt – ein Sieg der Obama-Regierung über die mächtige Autoindustrie und die Kohlebranche.
    Oder auch nicht. Denn US-Bundesstaaten wie Texas, Michigan und West Virginia und die Kohlebranche suchten mit mehr als 100 Klagen Schutz beim Gericht – und waren hocherfreut, als der oberste Gerichtshof in Washington kürzlich mitteilte, dass er die neuen Regeln im Februar nächsten Jahres überprüfen will. Die Kläger hoffen, dass sich die obersten Richter auf ihre Seite stellen und die Klimaschutzregeln so schnell wie möglich wieder außer Kraft setzen. Die Verfassung will das so, sagt Greg Abbott, der Generalstaatsanwalt des US-Bundesstaates Texas - und einer der Hauptgegner der EPA.
    "Die EPA ist außer Kontrolle geraten. Sie schreibt ihre eigenen Regeln und verstößt damit gegen die Gesetze des US Kongress. Das oberste Gericht muss sie in ihre Schranken zurückweisen und darf so etwas nicht mehr zulassen."
    Eine brisante Situation sagt Michael Gerrard, ein Juraprofessor an der Columbia Universität. Auch wenn das oberste Gericht sich in einer Stellungnahme auf die Frage beschränkt hat, ob die EPA Lizenzen an sogenannte ortsfeste Quellen, wie Kraftwerke, vergeben dürfe – es sei möglich, dass es andere Teile der EPA-Regeln für ungültig erklärt.
    "Vielleicht wollen sich die Richter tatsächlich nur mit dieser einen Frage befassen. Aber das oberste Gericht braucht sich nicht daran zu halten und kann noch ganz andere Entscheidungen treffen, wenn es das will. Keiner weiß, was dann passiert. Ich glaube, die Umweltschützer hoffen, dass es sich mit nur diesem einen Thema auseinandersetzt und keine Gerichtsentscheidungen über andere EPA Aktivitäten trifft."
    Gegen mehr Klimaschutz wird nicht nur vor Gericht gekämpft, sondern auch vor dem Weißen Haus. Erst kürzlich protestierten dort Tausende von Kohlearbeitern gegen sauberere Kraftwerke. Hohe Investitionen in moderne Technologie würden den wirtschaftlichen Aufschwung und die Arbeitsplätze gefährden, meint dieser Demonstrant.
    "Die EPA will Milliarden von Dollars für die Leistungsstandards neuer Kraftwerke ausgeben. Aber eine große Zahl unschuldiger Menschen ist vom Krieg gegen die Kohle der Obama Regierung betroffen. Mehr als 6200 Menschen in Kentucky haben in den letzten zwei Jahren nach heftigen Angriffen der Regierung auf die Kohlebranche ihre Jobs verloren."
    Während die Kohlebranche ihr altbekanntes Klagelied singt, zieht die EPA in einer anderen Sache vor das höchste Gericht: Es befasst sich am 10. Dezember mit der Frage, ob die Behörde Kraftwerke regulieren darf, deren Schwefeldioxid und Stickstoffoxid Ausstoß die Luft in anderen US-Bundesstaaten belastet. Ein großes Problem. Laut der US-Umweltschutzorganisation Sierra Club könnten jährlich bis zu 34.000 Todesfälle vermieden werden, wenn es zu solch einer Regelung käme. Auch die Reduzierung von Treibhausgasen würde indirekt angesprochen, sagt Michael Gerrard.
    "Es ist ein ganz anderer Fall, aber auch er hat Auswirkungen auf Treibhausgasemissionen, weil einige Kohlekraftwerke wegen zu hoher Luftverschmutzung geschlossen werden müssten, wenn das Gericht ein positives Urteil für die EPA fällt. Das würde auch die Treibhausgasemissionen verringern."
    Eine Entscheidung in beiden Fällen wird Ende Juni nächsten Jahres erwartet. Es sind nicht die einzigen Initiativen der US-Regierung, die auf bessere Luft und mehr Klimaschutz pochen. Erst im Juni schlug Obama neue Standards für den Kohlendioxidausstoß von Kraftwerken vor. Doch weil niemand glaubt, dass die Branche kampflos aufgibt, erwarten viele, dass auch diese Maßnahme vom höchsten Gericht entschieden werden. Wer weiß: Vielleicht gibt es dem Klimaschutz ja doch seinen Segen.