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Varroa plus Faktor X

Biologie. – Nachdem es im vergangenen Jahr in den USA ein massenhaftes Sterben der Bienenvölker gab, zeichnet sich ähnliches auch in Deutschland ab. Verantwortlich ist hierzulande die Varroa-Milbe, die die Bienen für einen zusätzlichen, noch unbekannten Faktor anfällig macht. Ob die Ursachen in den USA und in Deutschland gleich sind, ist allerdings noch unklar.

Von Maren Schibilsky | 07.03.2008
    Ostbrandenburg. Seelow unweit der Oder . Am Feldrand stehen im Schutz einer Hecke holzfarbene Bienenkästen. Sie gehören dem Bio-Imker Ansgar Westerhoff. 600 Bienenvölker überwintern hier.

    "Jeder Winter ist natürlich ein Risiko für einen Imker. Und für einen Berufsimker ist es auf jeden Fall eine Zeit, wo er doch ein bisschen unsicher ist, wie der Winter verläuft und wie die Bienenvölker auswintern."

    Das Jahr begann schlecht für Ansgar Westerhoff. Neben Ostbrandenburg hat der Wanderimker noch einen zweiten Bienenstandort in Süddeutschland im Raum Freiburg. Von dort meldeten seine beiden Mitarbeiter bei Jahreswechsel, dass von 200 Bienenvölkern die Hälfte tot sei. Westerhoff:

    "Natürlich sind wir entsetzt bei solchen Ergebnissen. Es ist ja nun leider so, dass in den letzten Jahren öfter mal solche hohen Bienenverluste in Deutschland zu vermelden waren. Dass das einfach zunimmt, dass das früher auch schon gegeben hat, aber längst nicht in so enger Zeitfolge."

    Jedes tote Bienenvolk bedeutet 200 bis 300 Euro Verlust. In Ostbrandenburg haben Westerhoffs Bienen bisher überlebt. Sie sind ein wichtiger Grundstock, um im Frühjahr neue Jungvölker zu ziehen. Damit kann er die hohen Verluste vielleicht ausgleichen. Es gibt Imker, die es noch härter getroffen hat. Einige verloren alle Bienenvölker. Darüber reden möchten sie nicht. Am Länderinstitut für Bienenkunde im brandenburgischen Hohen Neuendorf hat Elke Genersch das große Sterben bereits im Dezember kommen sehen. Seit vier Jahren forscht die Biologin in einem weltweit einmaligen Monitoring an den genauen Ursachen für das immer wieder kehrende Massensterben bei Honigbienen. Eintausend Völker stehen in Deutschland unter Dauerbeobachtung. Die deuteten an, was jetzt zur Gewissheit wird. Genersch:

    "Wir werden mit wesentlich weniger Bienen in das Bienenjahr herein gehen. Wenn 20, 25, 30 Prozent der Bienenvölker in Deutschland fehlen, dann ist das erst mal zu Beginn des Jahres eine Katastrophe."

    Rund 240.000 Bienenvölker werden dies Frühjahr zur Bestäubung fehlen. Seit langem gilt das drittwichtigste deutsche Nutztier als angeschlagen. Am meisten macht ihm die Varroa-Milbe zu schaffen. Ein hartnäckiger Bienenparasit, eingeschleppt aus Asien. Er lebt von der Bienenbrut, indem er ihr Blut saugt. Gleichzeitig überträgt die Milbe gefährlicher Viren, Bakterien und Parasiten. Durch das Monitoring hat Elke Genersch heraus gefunden, dass die Milbe als Krankheitsüberträger bisher völlig unterschätzt wurde. Genersch:

    "Die Bienen haben sich eigentlich mit Viren sehr gut arrangieren können in 100 Millionen Jahren Koevolution. Jetzt kommt die Varroa-Milbe und injiziert quasi die Viren während des Puppenstadiums in das Bienenblut, in die Hämolymphe. Und die Viren bekommen plötzlich völlig andere Möglichkeiten, an andere Organe dran zu kommen und Schäden anzurichten, die vorher so nicht möglich gewesen wären."

    Mit Sorge beobachtet Elke Genersch, dass zunehmend an Flügeln verkrüppelte oder kranke Bienen die Brutwaben verlassen. So geschwächt überleben sie kaum. Oder sie sind anfälliger gegenüber Pflanzenschutzmitteln, schlechter Witterung oder knappem Nahrungsangebot auf den Feldern. Häufen sich die milden Winter, vermehrt sich die Milbe besonders stark. Denn die Varroa braucht die Brut der Bienen. Sie profitierte bereits vom Winter 2006/2007. Damit ist sie ganz klar für das jetzige Bienensterben verantwortlich. Genersch:

    "Das liegt einfach daran, dass der letzte Winter so warm war, dass die Bienen den ganzen Winter über gebrütet haben. Dadurch konnten sich die Varroa-Milben selbst im Winter noch vermehren. Die Bienen hatten die Saison über eine sehr, sehr hohe Varroa-Last."

    Amerikanische Forscher hatten für das Bienensterben in den USA einen aus Australien eingeschleppten neuartigen Virus mit verantwortlich gemacht. "Israeli Acute Paralysis Virus". In deutschen Bienenvölkern ist dieses Virus nicht gefunden worden. Trotzdem haben es Imker hierzulande schwer. Ihre verlorenen Völker fehlen für die Honigproduktion und für die Bestäubung. Ein enormer wirtschaftlicher Schaden entsteht. Doch vom Aussterben ist die Honigbiene nicht bedroht.

    Hinweis: Zum Thema hören Sie am Sonntag, 9. März 2008, 16:30 Uhr, in der Sendung "Wissenschaft im Brennpunkt" das Feature Das leise Sterben