Archiv


Verbraucherzentralen fordern mehr Anlegerschutz bei Finanzmarktkontrolle

Für die Finanzinstitute hat die Aufsicht in der Krise funktioniert - Banken wurden gerettet, ein Zusammenbruch des Systems verhindert. Viele Konsumenten fühlen sich dagegen weit schlechter geschützt: Horrende Gebühren für Abhebungen an fremden Geldautomaten, riskante Geldanlagen für risikoscheue Anleger und niedrige Zinsen für Sparer sind Beispiele dafür. Wie kann der Verbraucherschutz in die Finanzaufsicht integriert werden? Vorschläge dafür hat heute früh der Verbraucherzentrale Bundesverband vorgelegt.

Von Dieter Nürnberger |
    Es geht dem Bundesverband der Verbraucherzentralen um eine Neustrukturierung der Finanzaufsicht in Deutschland. Hier müsse künftig auch der Verbraucherschutz als Ziel verankert werden. Der vzbv beruft sich in diesem Zusammenhang auch auf die EU-Finanzmarktrichtlinie, die genau dieses schon vorschreibe. Eine Änderung der Aufsichtsstrukturen hätte dann eine Trennung der Solvenzaufsicht und der Marktaufsicht zur Folge, so Lars Gatschke, der stellvertretende Leiter des Fachbereichs Finanzdienstleistungen beim vzbv.

    "Die Marktaufsicht konzentriert sich auf Missstände und dann unter Umständen auch auf den Verbraucherschutz. Und die Solvenzaufsicht konzentriert sich ausschließlich das Funktionieren des Marktes und der Anbieter."

    Derzeit sei es noch so, dass das übergeordnete Ziel der Finanzaufsicht die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Finanzsektors in Deutschland sei. Dies passiere aber weitgehend allein unter der Prämisse der Solvenzsicherung und der Überwachung der Zuverlässigkeit der Banken. Die Folge sei, dass viele Verbraucher nicht bedarfsgerecht mit Finanzprodukten versorgt werden. Es gebe ineffiziente Produkte und beispielsweise auch unfaire Vertriebsmethoden. Oft würden deshalb die Verbraucher auch mit unnötigen Kosten konfrontiert. Lars Gatschke nennt als Beispiel die bisherige Praxis bei Restschuldversicherungen.

    "Bei der Praxis der Restschuldversicherung hatten wir kritisiert, dass Verbrauchern oft angedient wurde, definitiv eine Restschuldversicherung mit abzuschließen - zusätzlich zum Verbraucherkredit. Mit erheblichen Kosten für den Verbraucher. Wir haben das als Missstand empfunden. Wir hatten auch ein klares Signal von der Aufsichtsbehörde, wenn wir entsprechende Fälle darlegen könnten, dass man sich dann dieses Missstands annehme. Es ist aber nichts daraus geworden."

    Und damit man künftig mit solchen Einwänden für mehr Verbraucherrechte und -schutz auch Erfolg hat, soll also die Neustrukturierung der Finanzaufsicht in Deutschland angegangen werden. Dem vzbv schwebt dabei auch eine deutlich stärkere Kontrolle bei diversen Finanzprodukten vor. Wenn nämlich Verbraucherschutz als Ziel auch für die Finanzaufsicht gelte, dann hätten es viele Anbieter deutlich schwerer, sehr risikobehaftete Papiere an den Mann oder die Frau zu bringen.

    "Hier muss qualitativ eine stärkere Produktaufsicht erfolgen. Die Aufsichtsbehörde muss vor dem Marktzugang prüfen, ob Produkte nicht so unangemessen sind, dass sie nicht auf den Markt gehören. Oder, dass auch Vertriebsbeschränkungen an Privatkunden ausgesprochen werden. Bei Hedgefonds ist das gesetzlich geregt. In den USA gab es etwa Vertriebsbeschränkungen für bestimmte Zertifikate. Wir sehen darin ein wichtigen Schritt: Information allein reicht da oft nicht aus, hier muss auch bei der Produktaufsicht qualitativ stärker in den Markt gewirkt werden."

    Bei einer Neustrukturierung hätte man auch bessere Möglichkeiten gegen Unsitten auf den Märkten vorzugehen, beispielsweise, wenn Kreditinstitute - wie derzeit - billiges Geld erhalten, es aber nicht an ihre Kunden weitergeben.

    Generell sei, im Sinne des Verbraucherschutzes, nicht adäquat auf die Finanzmarktkrise reagiert worden. Zwar gebe es nun längere Verjährungsfristen für eine Falschberatung, auch ein Beratungsprotokoll sei seit Jahresbeginn obligatorisch, dennoch bleiben Zweifel, ob dies auch wirklich für die Kunden einen Nutzen habe, sagt Lars Gatschke vom Verbraucherzentrale Bundesverband.

    "Hier haben wir die Befürchtung, dass es sehr formal läuft und im Wesentlichen eine Art Haftungsfreizeichnung für die Banken werden wird. Es sollte daher eher eine Beweislastumkehr geben - die Bank muss nachweisen, dass sie richtig und ordentlich beraten hat. Die Erfahrungen aus dem Bereich der Versicherungsvermittler haben ja auch gezeigt, dass gute Berater durchaus in der Lage sind, die Protokolle so zu gestalten, dass sie aus der Haftung freikommen."

    Im Gegensatz zu gestrigen Äußerungen des Deutsche Bank-Chefs Josef Ackermann sieht der Bundesverband der Verbraucherzentralen die Finanzmarktkrise also noch nicht als beigelegt an. Verbraucherfreundlichere Strukturen bei einer Reform der Finanzaufsicht hätten zudem auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen - rund 20 Milliarden könnte dies den Anlegern jährlich mehr an Rendite bringen, so hat der vzbv ausgerechnet.