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Verführung und Eifersucht

Gioacchino Rossinis "Türke in Italien" ist eine komische, temperament- und temporeiche Oper aus dem Jahr 1814. In der Düsseldorfer Deutschen Oper am Rhein war am Freitagabend Premiere. Der Regisseur Tobias Richter und seine Protagonisten spielen dabei Eifersucht, Verführung und Schwärmerei turbulent aus.

Von Christoph Schmitz |
    Die Zigeuner sind bei Tobias Richter Touristen. "Unsere Heimat ist die Welt" singen sie laut und fröhlich, fallen in den Hotels rund um den Globus ein und fotografieren das ach so authentische Leben vor Ort. Jetzt sind sie in einem italienischen Badeort angekommen und wollen natürlich das original-italienische romantische, vertrackte und hektische Liebesleben sehen, wie man es aus Opern und Filmen so kennt. Im klassizistischen Strandhotel mit schnieken Kellnern und Harald, dem ewig polierenden Barkeeper, ist man auf die Erwartungen der Kunden bestens vorbereitet. Adria- und Capri-Flair der heilen 50er und 60er Jahre wird gespielt.

    Der Italienbesucher, der Türke Selim schreitet in dunkelblauem Jackett mit Messingknöpfen vom Schiff. Die eitle Provinzschönheit Fiorilla ist sofort gebannt von diesem echten Kerl. Leider ist sie verheiratet mit dem alten Trottel Geronio. Außerdem ist manch anderer Verehrer hinter ihr her, und vor allem ist da noch diese Zaida, die auch gut aussieht, also Konkurrentin ist und mit dem Türken früher schon mal was hatte.

    Eifersucht, Verführung und Schwärmerei werden turbulent ausgespielt. Gian Maurizio Fercioni hat dafür eine operettenhafte Bühne geschaffen, deren Hotelfassadenteile sich leicht öffnen und verschieben lassen. Die Optik dient dem Genießen. Zwei schwarze Bodyguards mit Funkstöpseln im Ohr sollen signalisieren, dass alles nur inszeniert ist. Unernst soll es überhaupt wirken, über die aus unserer heutigen Sicht rassistischen Sprüche des Librettos gegen Türken wird munter hinweggegangen.

    Auch dass der Regisseur Tobias Richter durchaus auf das groteske Italienbild von Federico Fellini anspielt, wird nicht ausgelotet oder in einem ästhetischen Sinne weitergedreht oder überdreht. Richter belässt es beim kleinen Verweis und will die Atmosphäre des Unbeschwerten nicht trüben. Und das ist ja das schwierige Handwerk des Boulevardtheaters, nämlich locker rüberzukommen, und dieser Inszenierung, die schon einmal in Lausanne und Toulouse lief, gelingt das recht gut.

    Wer das vor allem mit trägt, das ist Fiorilla, gesungen und gespielt von Marlis Petersen. Ihre Koloraturen prickeln und perlen nur so durch sämtliche Oktaven ihres reinen und wendigen Soprans und das mit einer Leichtigkeit und Genauigkeit, dass es in jeder Sekunde eine Freude ist.

    Dass die höchsten Höhen mal misslingen, kann man ihr nachsehen. Denn Marlis Petersen spielt auch so frisch wie sie ihre Koloraturen singt, und sie bietet eine Menge mimischen Witz.

    Aber auch Tomasz Konieczny als Selim, Alberto Rinaldi als Geronio und Katarzyna Kuncio als Zaida fühlen sich stimmlich und schauspielerisch in ihren Rollen sichtlich und hörbar wohl, auch wenn sie die Brillanz von Marlis Petersen nicht ganz erreichen.

    Und der Dirigent Alexander Joel und die Düsseldorfer Symphoniker machen bei diesem Spaß kräftig mit, mit eigenen Zwischenrufen und flottem Spiel. Selbst wenn die Rhythmen manchmal etwas aus den Fugen geraten.

    Und dann ist da noch die Figur des Dichters. Bei Rossini beobachtet er das Geschehen und findet in ihm die Inspiration für eine eigene Oper, wobei er auch selbst den Gang der Ereignisse mitbestimmt. Aus dieser für die Rossini-Zeit revolutionären dramatischen Neuerung hat meiner Ansicht nach Tobias Richter entschieden zu wenig gemacht. Wenn schon eine Schau für Touristen angedeutet wird, dann hätte man dem Dichter, schön gesungen von Bruno Taddia, viel mehr Aktionsraum bieten können. So war dann ein heiterer und entspannender Abend an der Düsseldorfer Oper manchmal etwas zu brav.