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Vergessenes Königreich

An der Bonner Universität treffen sich zurzeit mehr als 100 Japan-Experten zu einem Symposium über die Insel Okinawa. Bonn als Treffpunkt ist kein Zufall, hat doch die Japanologie an der Universität eine lange Tradition. Auch das Thema Okinawa liegt in der Luft, denn nach Meinung vieler Wissenschaftler ist die Inselkette noch viel zu wenig erforscht. Bis 1972 war Okinawa US-amerikanisch besetzt, noch heute sind dort mehr als 25.000 US-Soldaten stationiert. Mit der Besetzung geriet auch die Geschichte des früheren Königreichs Ryukyu auf Okinawa aus dem Blickfeld, das seit dem 14. Jahrhundert bestand. Josef Kreiner, Leiter des japanologischen Instituts in Bonn und Initiator der Okinawa-Tagung sieht in der Geschichte der Inselkette ungeahnte Bezüge zur deutschen Geschichte. So ist in einem Bericht eines preußischen Kapitäns von Okinawa die Rede, erzählt Kreiner: "'Viel Korallen, wenig Kohle, nichts für Preußen' war sein schlagkräftiges Argument, und dann ging man eben nach Zinglao. Aber heute gibt es auf der Insel ein deutsches Feriendorf, wo man Sauerkraut und Würstchen essen kann."

    Auf der Bonner Konferenz ist vor allem die Identitätssuche Okinawas das Thema. Die Inselgruppe liegt geografisch wie auch durch die amerikanische Besetzung am Rande Japans. Alfred Majewicz, Japanologe in Posen, fand heraus, dass die eigene Sprache des Ryukyu langsam ausstirbt: "Die jüngste Generation will diese Sprache nicht mehr sprechen. In ein paar Jahren wird es sie nicht mehr geben." Die Geschichte des Ryukyu ist ein so kleines Forschungsgebiet, dass sich die Experten auf der Bonner Tagung nahezu alle persönlich kennen. Unter Japanisch-Studenten in Deutschland oder in anderen Ländern ist Okinawa kein attraktives Thema. Die Arbeitslosigkeit ist hier doppelt so hoch wie im übrigen Japan, entsprechend hoch ist auch die Kriminalitätsrate. Wer sich aber nicht nur für die Sprache, sondern auch für das Land Japan und seine Gesellschaft interessiert, für den ist Okinawa ein vielfältiges Thema. "Wir haben viele Studierende, die sich für gesellschaftswissenschaftliche Probleme interessieren", sagt Josef Kreiner. "Wir haben auch einen neuen Studiengang begonnen, der nicht mehr Japanologie heißt, sondern Regionalwissenschaft Japan, kombiniert mit VWL, BW oder Soziologie, und der sehr gut nachgefragt ist."

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    Okinawa-Konferenz, organisiert von den Japanwissenschaftlichen Instituten der Uni Bonn.