Archiv


Verlorenes Dichtererbe?

Vor einem Jahr starb die bekannte und viel gelesene deutsche Lyrikerin Hilde Domin im Alter von 95 Jahren. Nun ist öffentlich geworden, dass Hilde Domin einen charmanten, aber offenbar wenig zuverlässigen Rechtsanwalt zum Nachlassverwalter bestimmt hatte, den Heidelberger Honorarprofessor Karl Wilhelm Pohl, der wegen Betrugs und Veruntreuung von Geldern von knapp zwei Millionen Euro in Köln vor Gericht steht.

Gespräch mit Marion Tauschwitz |
    Michael Köhler: Während der letzten Lebensjahre Hilde Domins war Marion Tauschwitz deren Vertraute, Freundin und Managerin, hat sie begleitet auf Reisen, Lesungen und war Unterstützung. Zunächst mal ganz unaufgeregt, gefragt Frau Tauschwitz, wo ist der Nachlass jetzt?

    Marion Tauschwitz: Der ganze literarische Nachlass von Domin befindet sich in Marbach im Deutschen Literaturarchiv und wurde auch schon gesichtet und auszugsweise auch vorgestellt. Es kommt viel Neues raus, Hilde Domin wird also lebendiger und bunter, als sie es bisher schon war.

    Köhler: Frau Tauschwitz, wo ist der nichtliterarische Nachlass und vor allem wo ist das Erbe, dass sich ja immerhin um ein nicht ganz unbeträchtliches finanzielles Erbe handelt?

    Tauschwitz: Also zu dem nichtliterarischen Nachlass kann ich Ihnen gerne was sagen. Das ist in erster Linie ihr Schreibtisch. Den hatte sie damals genau festgelegt im Testament, wie er bestückt werden soll, zum Beispiel mit drei Kamelen aus Olivenholz aus Jerusalem, mit einer Vase mit Rosen, mit persönlichen Fotos, Teppichen und so weiter und der Holztaube. Dass sie die auch mit festgelegt hat, spielte da noch eine Rolle, denn der Testamentvollstrecker legte Wert darauf, dass sie nicht mit ins Grab kommt, was Hilde Domin ja oft in Interviews beschrieben hatte, dass sie die Holztaube mit ins Grab nimmt. Sie hat ihr ja eigens ein Gedicht gewidmet, und die Taube ist nun bewahrt und liegt auf ihrem Schreibtisch. Wir als Freunde haben Hilde im Sarg eine ganz kleine Tontaube in die Hand gedrückt, so dass sie doch eine Taube mit ins Grab nehmen kann. Zum finanziellen Aspekt kann ich Ihnen nur so viel sagen, dass ich nach dem Tode Hilde Domins da gar keinen Einfluss mehr hatte und auch keine Einsicht in die Dinge. Das hat also dann alles der Testamentvollstrecker übernommen.

    Köhler: Womit wir zu dem heiklen Punkt kommen. Es handelt sich um einen ausgebildeten Konzertgitarristen und Honorarprofessor der Rechte, den ehemaligen Rechtsanwalt Karl-Wilhelm Pohl aus Köln, der zum Nachlassverwalter bestellt wurde. Wussten Sie davon?

    Tauschwitz: Ja sicher! Das war nun so, dass der Testamentvollstrecker dann eben auch gleich angewiesen hatte, ob ich nicht diesen sachlichen Nachlass abwickeln könnte in Heidelberg. Um die ganzen finanziellen Dinge wollte er sich natürlich kümmern.

    Köhler: Man liest, dass es zunächst darum ging, beispielsweise die doch beträchtlichen Beerdigungskosten zu begleichen. Das hat ein Freundeskreis vorgestreckt, im Raum ist eine Zahl von etwa 18.000 Euro. Hat die inzwischen der Testamentvollstrecker beglichen?

    Tauschwitz: Also er hat die Anweisung geben, letztendlich, ja. Das war einfach sehr viel Unruhe, die damit verbunden war, dass alle Verbindlichkeiten noch offen standen. Das waren ja nicht nur die Beerdigungskosten, die weit mehr als 18.000 waren, weil es ja auch um die Schaltung der Anzeigen ging und die in der Zeit vorgestreckt worden sind. Ende Oktober wurde das dann doch endlich nach massivem Druck alles beglichen, Gott sei Dank.

    Köhler: Der Testamentvollstrecker hatte Zugang zum deutschen, aber nicht zum Schweizer Konto. Muss Herr Pohl erst offiziell sein Amt abgeben, oder hat er das schon getan oder, anders gefragt, was ist mit dem finanziellen Erbe, das auf dem Schweizer Konto ruht, wo ein sechsstelliger betrag im Raum ist?

    Tauschwitz: Also ich weiß nur, dass er nun entpflichet werden soll, und der Marbacher Anwalt erklärte also, dass das nun läuft und dass man erstmal nicht in allzu großer Sorge ist.

    Köhler: Frau Tauschwitz, was werfen Sie Herrn Pohl vor?

    Tauschwitz: Vorwerfen ist kein richtiges Wort. Ich habe Auseinandersetzungen gehabt insofern, als ich ihn immer wieder gedrängt habe, doch endlich die offenen Rechnungen zu begleichen, und eigentlich nicht nachvollziehen konnte, warum das nicht passiert war. Das führte dann einfach zu einer Verärgerung. Es wurde ja auch Hilde Domins Name dadurch - und das könnte man vielleicht vorwerfen - in einem unguten Licht zurückgelassen.

    Köhler: Sind Sie im Erbe berücksichtigt?

    Tauschwitz: Marbach ist der Alleinerbe. Hilde Domin hat das alles ganz klar festgelegt gehabt und verfügte dann aber auch, dass all das, was Marbach nicht möchte, dass ich darüber verfügen darf, so dass ich jetzt sehr schöne Erinnerungsstücke, auch ganz private Dinge aus Hilde Domins Nachlass habe, die nicht wertvoll sind für mich, aber doch einen großen Wert haben.

    Köhler: Zum Willen von Hilde Domin zählte auch, dass das finanzielle Erbe zur Erforschung ihres Werkes genutzt werden soll. Darauf wartet Marbach noch.

    Tauschwitz: Ja, das ist auch das, was ich aus der Presse höre. Also mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen, weil sich Marbach da erstmal sehr zurückhält und sicherlich auch nicht in ein Verfahren eingreifen will, das noch nicht geklärt ist.

    Köhler: Was denken Sie, wie geht es jetzt weiter, denn das Geld, wenn ich so sagen darf, friert da ein, solange nicht der gegenwärtige Testamentvollstrecker, wie Sie eben auch sagten, entpflichtet worden ist? Wie geht es weiter?

    Tauschwitz: Also ich möchte einfach Hilde Domins Lebensmotto aufgreifen, dieses Dennoch. Ich denke, dass es dennoch gut weitergeht und dass wir mit Optimismus einfach sagen können, es wird sich alles regeln. Er wird jetzt entpflichtet werden, Marbach kann über das Geld verfügen, so dass sich vielleicht Hilde Domins letzter Wunsch erfüllen kann, die Bewahrung ihres Werkes und wie sie in ihrem Gedicht sagte, dass es doch hinter ihr her blüht und keine welken, trostlosen Blumen zurückbleiben.

    Köhler: Freilich haben wir versucht, den beschuldigten Professor Pohl für ein Interview zu gewinnen, der lehnte das aber ab und ließ nur wissen, alles sei seiner Meinung nach ordnungsgemäß verlaufen, die Arbeit sei getan und durch Niederlegung seines Mandats wurde die Arbeit vorige Woche beendet.