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Verrat in der Leber

Medizin. - Die Tropenkrankheit Malaria bekümmert Mitteleuropäer oft erst dann, wenn ein Urlaub in äquatoriale Gefilde geplant wird. Doch jedes Jahr fallen in den betroffenen Regionen rund zwei Millionen Kinder dem Erreger Plasmodium falciparum zum Opfer. Weil sich der Einzeller in roten Blutkörperchen verbirgt, ist er gegen Medikamente gut geschützt. Jetzt entwickelten deutsche Forscher einen Impfstoff, der das ändern soll - zumindest bei Mäusen.

    "Neu an unserem Ansatz gegen die Malaria ist, dass wir uns das Erbgut des Erregers zunutze machen, das erst vor etwa zwei Jahren entschlüsselt wurde. In diesen über 5000 Genen suchten wir nach jenen, die für das Verweilstadium des Erregers in der Leber wichtig sind", berichtet Kai Matuschewski von der Abteilung Parasitologie am Hygiene-Institut der Universität Heidelberg. Schließlich fanden die Heidelberger Forscher das begehrte Schlüsselgen und zerstörten es in ihrem Plasmodium-Laborstamm. Das Ergebnis bestätigte die ersten Erwartungen, denn zwar enterten die so veränderten Keime die Leberzellen noch, allerdings ohne sich darin vermehren zu können. Doch der Clou ist ein anderer Punkt, erläutert der Parasitologe: "Diese Erreger können wir als Lebendimpfstoff einsetzen, weil sie fortwährend in der Leber verbleiben und dem Immunsystem ihr aktuelles Repertoire an biologischen Fähigkeiten verraten." Derart vorbereitet erkennt die Körperabwehr einen "echten", bösartigen Malariaerreger sofort und vernichtet ihn, bevor die dauerhafte lebensbedrohende Erkrankung ausbrechen kann.

    Damit unterscheidet sich der Heidelberger Weg von vielen anderen Versuchen, die bislang mit nur mäßigem Erfolg versuchten, das Immunsystem mit einzelnen, künstlich hergestellten Merkmalen von Plasmodium zu trainieren. Dagegen lernt die Polizei des Körpers jetzt direkt aus allen genetischen Informationen des aggressiven Einzellers, dem so quasi die Deckung genommen wird. Dies gelingt zwar, allerdings wurden bislang nur Mäuse mit der neuen Methode geheilt. Doch viele solcher Erfolge am Tiermodell ließen sich in der Vergangenheit nicht auf den Menschen übertragen. "Wir stehen ja noch ganz am Anfang unserer Forschung und können die Ergebnisse keineswegs auf den Menschen übertragen. Wir hoffen aber, dass wir mit diesem neuen Ansatz eine weitere Möglichkeit liefern, einen effektiven Malariaimpfstoff wirklich einmal herzustellen. Doch ob das klappt, können wir nicht vorhersagen", dämpft Kai Matuschewski überzogene Erwartungen. Aber immerhin habe die Arbeit gezeigt, dass mit Hilfe der Gentechnik solche veränderten Impfstämme hergestellt werden können. "Der nächste logische Schritt wäre, die Methode im Menschen zu probieren. Aber das ist ein sehr langer Weg, und ob er erfolgreich ist, bleibt offen."

    In diesem Jahr wurde in Mosambik bereits ein Impfstoff an mehreren Tausend Kindern erprobt, der rund ein Drittel der Behandelten vor dem Erreger schützte. "Dieses Ergebnis stimmt mich hoffnungsfroh. Unser Beitrag ist zunächst, die bestehenden Möglichkeiten zur Impfstoffentwicklung neu zu beleben und um die Idee dieses Lebendimpfstoffes zu erweitern", so der Heidelberger Experte. Außerdem werde man die Methode einsetzen, um immunologische Prozesse besser verstehen zu lernen.


    [Quelle: Grit Kienzlen]