Das Ergebnis ist ein Text, dessen privater, um nicht zu sagen intimer Charakter nicht darüber hinwegtäuschen darf, daß er von Anfang an zur Veröffentlichung bestimmt war, genau wie die autobiographischen Romane Dem Freund, der mir das Leben nicht gerettet hat und Mitleidsprotokoll. Er ist ein Beispiel für die Praxis radikaler Selbstentblößung, die Guibert in einem Teil seines Werks verfolgt hat.
"Was war es?" fragt er sich nach dem Tod des Freundes: "Eine Leidenschaft? Eine Liebe? Eine erotische Zwangsvorstellung? Oder eine meiner Erfindungen?" - Alles das, antworten die Notizen, eine amour fou, nicht mehr und nicht weniger heikel und unergründlich als andere Beziehungen auch, oft bedroht von Mißtrauen und Verrat. Guiberts Gefühle für Vincent, dessen keineswegs sublimen Körper er mit boshafter Genauigkeit beschreibt, schwanken zwischen Abscheu und Hingabe, Überdruß und immer erneuertem Begehren. Einen breiten Raum nehmen Stellungsprobleme und Problemstellungen des sexuellen Verkehrs ein, gefolgt von exzessivem Alkohol- und Drogenkonsum. Hin und wieder fällt auch eine Bemerkung zur Literatur ab. So erfährt man ganz nebenbei, daß Vincent die eigentliche Hauptfigur des posthum veröffentlichten Romans Das Paradies ist, in dem er als Frau auftritt und Jayne heißt.
Das liest sich nicht immer spannend, und manchmal möchte man Guibert zustimmen, wenn er schreibt: "Wie doch alle Episoden mit Vincent in diesem Tagebuch etwas Gewöhnliches an sich haben, etwas zur Kostbarkeit erhobenes Kümmerliches." Aber dann folgen wieder Notate von einer so schneidenden Direktheit, daß sie sich doch über die drohende Banalität eines homosexuellen Beziehungstagebuchs erheben und dem großen literarischen Projekt Guiberts, Körper und Sexualität ganz ungeschönt Text werden zu lassen, einigen Glanz verleihen.
Mit sarkastischer Trockenheit reagiert er auf die Aids-Erkrankung Vincents, der ihn ohne sein Wissen bereits angesteckt hat: "Als ich ihn unter der Dusche zufällig seinen Fuß lüpfen sehe, glaube ich aus der Ferne zu erkennen, daß die Sohle voller Rötlichkeiten ist. Ich erinnere mich, daß der Arzt mich gebeten hatte, ihm meine Fußsohlen zu zeigen, als wir von Aids sprachen. Vincent sitzt auf dem Bett, ich sage zu ihm: 'Laß mich deine Füße sehen', er lehnt ab, erwidert: 'Ich verheimliche dir etwas.' Ich sage: 'Was?' Er: 'Ich hab Aids.' Ich sag ihm, das ist wenigstens ein triftiger Grund, für untauglich erklärt zu werden."
Aber da die Erzählrichtung dem Zeitverlauf entgegengesetzt ist, ist Vincent bald wieder unversehrt. Von Seite zu Seite wird er jünger, wenn auch nicht unschuldiger, und verwandelt sich zuletzt in das halbe Kind zurück, als das ihn Guibert 1982 kennenlernt. Dieses Jahr verzeichnet dann nur noch einen einzigen Satz, eine Art nicht zu Ende gesagte Liebeserklärung, zart und verquält in einem. Vincent sagt: "Ich hatte beschlossen, keinen Menschen mehr zu lieben, aber du hast mir gefallen." Mit der zweiten Erzählung des Bandes ist das Tagebuch durch eine Episode verknüpft: Eines Tages nämlich klaut Vincent ihm diesen Text, Die Hunde. Warum, erfahren wir auch: Guibert wollte ihn nicht herausrücken, er ist pornographisch, nichts für Kinder also - wie Vincent.
Dem ist nicht zu widersprechen, auch wenn die labyrinthische Struktur des Textes einige Ansprüche an den Leser stellt: Zunächst belauscht ein Ich-Erzähler einen Mann und eine Frau beim Sex und stellt sich vor, der Mann käme herüber, um sich an ihm zu befriedigen. Daraus entwickelt sich ein sadomasochistisches Ritual, bei dem der Erzähler erst Opfer, später selbst Folterknecht ist. Andere, frei assoziierte Passagen schildern sexuelle Phantasien, die den räumlichen und zeitlichen Rahmen der Erzählung auflösen. Das gilt auch für die Passage, auf die sich der Titel bezieht und in der zwei Männer, zu Hunden erniedrigt, um ein rohes Stück Fleisch kämpfen, das ihnen ihr Meister hingeworfen hat.
Die Erzählungen Verrückt nach Vincent und Die Hunde dokumentieren vor allem den großen persönlichen Mut und die Radikalität Hervé Guiberts in seiner öffentlichen Selbsterforschung. Der glänzende Schriftsteller, der Guibert auch war, tritt in ihnen zurück.
"Was war es?" fragt er sich nach dem Tod des Freundes: "Eine Leidenschaft? Eine Liebe? Eine erotische Zwangsvorstellung? Oder eine meiner Erfindungen?" - Alles das, antworten die Notizen, eine amour fou, nicht mehr und nicht weniger heikel und unergründlich als andere Beziehungen auch, oft bedroht von Mißtrauen und Verrat. Guiberts Gefühle für Vincent, dessen keineswegs sublimen Körper er mit boshafter Genauigkeit beschreibt, schwanken zwischen Abscheu und Hingabe, Überdruß und immer erneuertem Begehren. Einen breiten Raum nehmen Stellungsprobleme und Problemstellungen des sexuellen Verkehrs ein, gefolgt von exzessivem Alkohol- und Drogenkonsum. Hin und wieder fällt auch eine Bemerkung zur Literatur ab. So erfährt man ganz nebenbei, daß Vincent die eigentliche Hauptfigur des posthum veröffentlichten Romans Das Paradies ist, in dem er als Frau auftritt und Jayne heißt.
Das liest sich nicht immer spannend, und manchmal möchte man Guibert zustimmen, wenn er schreibt: "Wie doch alle Episoden mit Vincent in diesem Tagebuch etwas Gewöhnliches an sich haben, etwas zur Kostbarkeit erhobenes Kümmerliches." Aber dann folgen wieder Notate von einer so schneidenden Direktheit, daß sie sich doch über die drohende Banalität eines homosexuellen Beziehungstagebuchs erheben und dem großen literarischen Projekt Guiberts, Körper und Sexualität ganz ungeschönt Text werden zu lassen, einigen Glanz verleihen.
Mit sarkastischer Trockenheit reagiert er auf die Aids-Erkrankung Vincents, der ihn ohne sein Wissen bereits angesteckt hat: "Als ich ihn unter der Dusche zufällig seinen Fuß lüpfen sehe, glaube ich aus der Ferne zu erkennen, daß die Sohle voller Rötlichkeiten ist. Ich erinnere mich, daß der Arzt mich gebeten hatte, ihm meine Fußsohlen zu zeigen, als wir von Aids sprachen. Vincent sitzt auf dem Bett, ich sage zu ihm: 'Laß mich deine Füße sehen', er lehnt ab, erwidert: 'Ich verheimliche dir etwas.' Ich sage: 'Was?' Er: 'Ich hab Aids.' Ich sag ihm, das ist wenigstens ein triftiger Grund, für untauglich erklärt zu werden."
Aber da die Erzählrichtung dem Zeitverlauf entgegengesetzt ist, ist Vincent bald wieder unversehrt. Von Seite zu Seite wird er jünger, wenn auch nicht unschuldiger, und verwandelt sich zuletzt in das halbe Kind zurück, als das ihn Guibert 1982 kennenlernt. Dieses Jahr verzeichnet dann nur noch einen einzigen Satz, eine Art nicht zu Ende gesagte Liebeserklärung, zart und verquält in einem. Vincent sagt: "Ich hatte beschlossen, keinen Menschen mehr zu lieben, aber du hast mir gefallen." Mit der zweiten Erzählung des Bandes ist das Tagebuch durch eine Episode verknüpft: Eines Tages nämlich klaut Vincent ihm diesen Text, Die Hunde. Warum, erfahren wir auch: Guibert wollte ihn nicht herausrücken, er ist pornographisch, nichts für Kinder also - wie Vincent.
Dem ist nicht zu widersprechen, auch wenn die labyrinthische Struktur des Textes einige Ansprüche an den Leser stellt: Zunächst belauscht ein Ich-Erzähler einen Mann und eine Frau beim Sex und stellt sich vor, der Mann käme herüber, um sich an ihm zu befriedigen. Daraus entwickelt sich ein sadomasochistisches Ritual, bei dem der Erzähler erst Opfer, später selbst Folterknecht ist. Andere, frei assoziierte Passagen schildern sexuelle Phantasien, die den räumlichen und zeitlichen Rahmen der Erzählung auflösen. Das gilt auch für die Passage, auf die sich der Titel bezieht und in der zwei Männer, zu Hunden erniedrigt, um ein rohes Stück Fleisch kämpfen, das ihnen ihr Meister hingeworfen hat.
Die Erzählungen Verrückt nach Vincent und Die Hunde dokumentieren vor allem den großen persönlichen Mut und die Radikalität Hervé Guiberts in seiner öffentlichen Selbsterforschung. Der glänzende Schriftsteller, der Guibert auch war, tritt in ihnen zurück.