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Verspätungen, verwirrende Tarife und alte Züge

Durch die Bahnreform von 1994 sollten private Wettbewerber der Deutschen Bahn die Stirn bieten dürfen. Im Fernverkehr hat sich bisher wenig geändert. Und auch im Personennahverkehr machen nur wenige große Unternehmen dem früheren Staatskonzern ernsthaft Konkurrenz.

Von Gerd Stuhlfauth | 25.05.2012
    "Die Bahnreform war ein Erfolg, aber nur im Bereich Nahverkehr. Hier haben wir Wettbewerb, hier wurde ausgeschrieben. Und dann haben wir beispielsweise hier in Rheinland-Pfalz auch wirklich es geschafft, innerhalb von zehn Jahren die Fahrgastzahlen zu verdoppeln."

    Sagt Michael Ziesak, der Bundesvorsitzende des "Verkehrsclubs Deutschland", VCD. Viel Positives für die Kunden sieht auch Thomas Nielsen, der stellvertretende Direktor des Zweckverbandes "Schienenpersonennahverkehr Nord" in Rheinland-Pfalz. Der Zweckverband schreibt Bahnstrecken aus, macht Vorgaben zur Personalausstattung und zur Zugtechnik, schließt Verträge mit Unternehmen ab - mit der "Deutschen Bahn", aber auch ihren privaten Wettbewerbern - und koordiniert Fahrpläne.

    "Die ganzen qualitativen Verbesserungen, die für die Kunden insbesondere an den neuen Zügen deutlich werden, wären ohne Wettbewerb in Rheinland-Pfalz nicht möglich gewesen."

    Zum Beispiel die gelb-grauen Züge der "Mittelrheinbahn". Seit 2008 fahren sie linksrheinisch zwischen Köln und Mainz. Das private Unternehmen "trans-regio" - es gehört zu 25 Prozent der Düsseldorfer Rheinbahn AG, zu 75 Prozent dem französischen "Transdev"-Konzern - hatte sich im Ausschreibungsverfahren gegen die Konkurrenten durchgesetzt, auch gegen die "Deutsche Bahn". Die Züge sind neu, modern und leise. Die Kunden sind offenbar ganz zufrieden.

    "Die sind eigentlich relativ sauber. Na gut, die Toiletten sind nicht so, die sind auch schwer sauber zu halten. Pünktlich ist er eigentlich fast immer. ... Solang er mich gut hinbringt wo ich hin will, ist der Rest mir eigentlich egal. Das hat bisher geklappt."

    Ein roter Regionalzug der "Deutschen Bahn" fährt in den Koblenzer Hauptbahnhof ein.

    Diese junge Frau redet Klartext.

    "Die Deutsche Bahn hat häufig Verspätung. Die Züge sind sehr, sehr alt, gerade auf der Strecke Trier - Koblenz, und teilweise super laut. Die Bremsklötze sind super alt, und dadurch haben sie halt noch nicht die Technik, die auch gerade bei trans-regio angewandt wird. Deswegen fahr ich lieber mit trans-regio als mit der Deutschen Bahn."

    Auf der Moselstrecke von Trier nach Koblenz seien inzwischen auch erste moderne Züge der Bauart "Talent 2" im Einsatz, heißt es bei der "Deutschen Bahn". Wegen Lieferproblemen des Herstellers habe sich die Einführung verzögert.

    Ein weiteres Beispiel: In Siegen haben viele Zugreisende kaum Chancen, ihren Anschlusszug nach Frankfurt zu erreichen. Der Grund: Moderne, schnellere Züge sind zwar schon lange bestellt, technisch aber noch nicht zugelassen. Die "Deutsche Bahn" fährt deshalb auf der Strecke Aachen - Siegen noch mit älteren Zügen. Und die kommen oft zu spät an.

    In der schönen neuen Welt des Wettbewerbs auf der Schiene begegnet den Reisenden nicht nur so manch alter Zug, sondern auch so manch altes Problem. Ein Kunde mit Anschlussschwierigkeiten zwischen Siegen, Troisdorf bei Bonn und Koblenz.

    "Dieser Übergang von Troisdorf nach Koblenz, das schafft man eigentlich nie. Das ist so meine Erfahrung. Also da sind sechs Minuten dazwischen, angeblich, aber der, der von Siegen in Troisdorf ankommt, der kommt eigentlich generell immer ein bisschen zu spät. Und dann muss man sich ganz schön abhetzen, und meistens reicht es dann doch nicht."

    Pünktlichkeit - ein Dauerbrenner, wenn Zugreisende sich ärgern. Die Bahn verweist auf ihre Anstrengungen und darauf, dass sich Störungen in dem komplexen, engmaschigen System eben schnell wie ein Dominoeffekt auf das gesamte Netz auswirken. Abhilfe könne ein weiterer Ausbau und die Modernisierung der Schienennetze bringen.

    Bei der Mittelrheinbahn wiederum fallen immer wieder Verbindungen aus. Wegen Personalmangel, es fehlt an Triebfahrzeugführern. Übrigens nicht nur bei der Mittelrheinbahn. Lokführer sind gefragte Leute und schwer zu bekommen. Ausbildung sei notwendig, sagt Thomas Nielsen vom Zweckverband.

    "Das darf kein längerfristiges Phänomen sein, denn sonst gibt es ernste Probleme bei der Erfüllung der Verträge. Denn mal ganz banal gesprochen: Wenn keine Lokführer da sind, können die Züge nicht fahren. Und damit können unsere Anforderungen dann nicht erfüllt werden."

    Kritiker des neuen Wettbewerbs auf der Schiene beklagen auch das verwirrende System der Tarife. Fährt man innerhalb der Grenzen der Verkehrsverbünde, ist es meist noch recht einfach. Da gelten Verbundfahrscheine. Fährt man über die Verbundgrenzen hinaus, wird es komplizierter. Michael Ziesak vom VCD.

    "Wenn man dann noch mitbekommt, dass in einem Verkehrsverbund die Fahrradmitnahme gratis ist, im nächsten zahl ich drei Euro, im Übergangstarif zwischen den beiden zahl ich zwei Euro. Wann ist ein Kind ein Kind? Mal ist es mit zwölf ein Erwachsener, mal ist es mit fünfzehn ein Erwachsener. Und deshalb schlagen wir als VCD den Deutschlandtarif vor, mit diesen Mindeststandards..."

    Mindeststandards, die dann deutschlandweit gelten sollten.