Eben standen noch die schweren Rodin-Skulpturen im großen Bührle-Saal des Züricher Kunsthauses, jetzt ist dort etwas ganz Leichtes, Vielfältiges, Verrücktes zu sehen. Ist das überhaupt Kunst? fragen manche. Ja sicher: nach fast 30 Jahren Zusammenarbeit von Peter Fischli und David Weiss sollte das Publikum kapiert haben, dass dem Ganzen ein Konzept innewohnt, auch wenn man über viele Werke immer wieder schmunzeln kann.
Ernst ist nur der Ausgangspunkt: Kunst muss Fragen stellen, die richtigen Fragen. Zum Beispiel diese: Bin ich auserwählt? Weiß ich alles über mich? Bin ich ein Esel? Ist alles halb so schlimm? Soll ich mir eine Scheinwelt aufbauen?
Ja doch, unbedingt soll man das! Die Fragesätze werden von Projektoren in Schlangenlinien an die Wand geworfen oder sind ins Innere erhabener grauer Gefäße gemalt. Die Antworten muss jeder selber geben, aber Fischli und Weiss halten stets Anregungen parat, wie man die Weltgeschichte so sehen könnte und wie man "Plötzlich diese Übersicht" gewinnt: so nämlich heißt jene saalfüllende Installation aus lauter lächerlich kleinen, mit den Fingern modellierten kindischen Tonfigürchen, die zu Szenen gruppiert sind. In diesem Panoptikum genießt ein Miniatur-Nero angeblich den Blick über das brennende Rom, Herr und Frau Einstein liegen nach der Zeugung ihres genialen Sohns Albert platt im Ehebett, und Mick Jagger geht nach Komposition des Songs "I can’t get no satisfaction" völlig befriedigt nach Hause.
Also: kleine Wahrnehmungs-Verschiebungen machen die Welt erträglicher. Ansonsten gilt: Augen auf! Bice Curiger, die Kuratorin, hat die Künstler jetzt 3000 (!) sehr schöne, meist menschenlose Fotos aller Erdteile aus dem Projekt "Sichtbare Welt" auf einen 30 Meter langen Tisch montieren lassen. Der Tisch steht im Halbdunkel, ein monströser Laufsteg, die Bilder, von unten geheimnisvoll beleuchtet, zeigen dies und das in der Perspektive der beiden Sammler und Flaneure oder auch Globaltouristen – und in dieser Offenheit sieht Bice Curiger die erste Qualität der beiden Künstler, die Interviews und Selbsterklärungen gänzlich abhold sind:
"Hier muss ich immer an diesen Begriff vom interesselosen Wohlgefallen denken; man geht so durch die Welt, mit offenen Augen, man will nichts beweisen. Man sammelt einfach, aber man sammelt es nicht zu einem bestimmten Zweck ..."
Naja, einem letzten Zweck dient es dann schon – immerhin sind wir im Kunsthaus. Curiger kennt die beiden seit den 1970er Jahren, als sie in der Züricher Szene herumhingen und Plattencover für Frauenbands mit Namen wie "Kleenex" und "Liliput" entwarfen.
"Die haben dann beschlossen, an einem Nachmittag mal zusammen Fotos zu machen, zu Hause bei David, glaube ich, mit allem, was halt herumlag. Und daraus entstand dann diese Wurst-Serie, die hier zu sehen ist. Das ist die erste gemeinsame Arbeit, 1979."
In dieser Foto-Serie wurden Wurstscheiben zu Ballett-Tänzern und Kissenwülste zum Hochgebirge. Und das zu Zeiten, als der Schamane Joseph Beuys noch die Welt retten wollte und neoexpressionistische Kraft-Pinsler sich als die Neuen Wilden aufführten. Das Wurst-Ballett war gar nicht nett, es war nur verspielt - und absolut ironisch. Aber welche Vielfalt ist daraus entstanden! Aus einem Werkstrang entwickelt sich stets der nächste. Der überlange Tisch mit den Fotos der schönsten und banalsten Plätze der Welt enthält schon die Serie der traurigen Flughäfen-Bilder und der doppelbelichteten Blumen. Nochmals kann man Herrn Fischli und Herrn Weiss, verkleidet als "Ratte und Bär", auf skurrilen Videos im Wald und auf der Heide herumspringen sehen; auch die Tinguely-artige absurde Kettenreaktion von Reifen, Kippbrettern und Feuerwerkskörpern, genannt "Der Lauf der Dinge", wird samt eines dokumentarischen Begleitstreifens aufgeführt.
Während im Katalog teils der interpretatorische Furor sich austobt, teils lustige Geschichten erzählt werden, sieht man im noblen Kunsthaus nun Teile eines verstaubten Ateliers: Tuben und Dosen sind als Pseudo-Ready-Mades nachgebaut, Tiere und Baumstrünke in tiefschwarzem Gummi nachgeformt, zu einer dubiosen Gegenständlichkeit gebracht. Am schönsten vielleicht das monotone "Kanalvideo", eine Fahrt durch die Züricher Abwasser-Unterwelt, und jener auf einer rotierenden schiefen Ebene hin- und herkullernde Plastikbecher, der als Linse für abstrakte Lichtspiele genutzt wird: genial einfach, verständlich und gut.
So spazieren wir durch 30 Jahre Werkgeschichte, die unter dem Titel "Fragen und Blumen" zusammengefasst sind, und werden immer neu beschenkt. Sagen wir also, mit amüsiertem Wohlgefallen: Danke für die Fragen! Und Danke auch für die Blumen ...
Ernst ist nur der Ausgangspunkt: Kunst muss Fragen stellen, die richtigen Fragen. Zum Beispiel diese: Bin ich auserwählt? Weiß ich alles über mich? Bin ich ein Esel? Ist alles halb so schlimm? Soll ich mir eine Scheinwelt aufbauen?
Ja doch, unbedingt soll man das! Die Fragesätze werden von Projektoren in Schlangenlinien an die Wand geworfen oder sind ins Innere erhabener grauer Gefäße gemalt. Die Antworten muss jeder selber geben, aber Fischli und Weiss halten stets Anregungen parat, wie man die Weltgeschichte so sehen könnte und wie man "Plötzlich diese Übersicht" gewinnt: so nämlich heißt jene saalfüllende Installation aus lauter lächerlich kleinen, mit den Fingern modellierten kindischen Tonfigürchen, die zu Szenen gruppiert sind. In diesem Panoptikum genießt ein Miniatur-Nero angeblich den Blick über das brennende Rom, Herr und Frau Einstein liegen nach der Zeugung ihres genialen Sohns Albert platt im Ehebett, und Mick Jagger geht nach Komposition des Songs "I can’t get no satisfaction" völlig befriedigt nach Hause.
Also: kleine Wahrnehmungs-Verschiebungen machen die Welt erträglicher. Ansonsten gilt: Augen auf! Bice Curiger, die Kuratorin, hat die Künstler jetzt 3000 (!) sehr schöne, meist menschenlose Fotos aller Erdteile aus dem Projekt "Sichtbare Welt" auf einen 30 Meter langen Tisch montieren lassen. Der Tisch steht im Halbdunkel, ein monströser Laufsteg, die Bilder, von unten geheimnisvoll beleuchtet, zeigen dies und das in der Perspektive der beiden Sammler und Flaneure oder auch Globaltouristen – und in dieser Offenheit sieht Bice Curiger die erste Qualität der beiden Künstler, die Interviews und Selbsterklärungen gänzlich abhold sind:
"Hier muss ich immer an diesen Begriff vom interesselosen Wohlgefallen denken; man geht so durch die Welt, mit offenen Augen, man will nichts beweisen. Man sammelt einfach, aber man sammelt es nicht zu einem bestimmten Zweck ..."
Naja, einem letzten Zweck dient es dann schon – immerhin sind wir im Kunsthaus. Curiger kennt die beiden seit den 1970er Jahren, als sie in der Züricher Szene herumhingen und Plattencover für Frauenbands mit Namen wie "Kleenex" und "Liliput" entwarfen.
"Die haben dann beschlossen, an einem Nachmittag mal zusammen Fotos zu machen, zu Hause bei David, glaube ich, mit allem, was halt herumlag. Und daraus entstand dann diese Wurst-Serie, die hier zu sehen ist. Das ist die erste gemeinsame Arbeit, 1979."
In dieser Foto-Serie wurden Wurstscheiben zu Ballett-Tänzern und Kissenwülste zum Hochgebirge. Und das zu Zeiten, als der Schamane Joseph Beuys noch die Welt retten wollte und neoexpressionistische Kraft-Pinsler sich als die Neuen Wilden aufführten. Das Wurst-Ballett war gar nicht nett, es war nur verspielt - und absolut ironisch. Aber welche Vielfalt ist daraus entstanden! Aus einem Werkstrang entwickelt sich stets der nächste. Der überlange Tisch mit den Fotos der schönsten und banalsten Plätze der Welt enthält schon die Serie der traurigen Flughäfen-Bilder und der doppelbelichteten Blumen. Nochmals kann man Herrn Fischli und Herrn Weiss, verkleidet als "Ratte und Bär", auf skurrilen Videos im Wald und auf der Heide herumspringen sehen; auch die Tinguely-artige absurde Kettenreaktion von Reifen, Kippbrettern und Feuerwerkskörpern, genannt "Der Lauf der Dinge", wird samt eines dokumentarischen Begleitstreifens aufgeführt.
Während im Katalog teils der interpretatorische Furor sich austobt, teils lustige Geschichten erzählt werden, sieht man im noblen Kunsthaus nun Teile eines verstaubten Ateliers: Tuben und Dosen sind als Pseudo-Ready-Mades nachgebaut, Tiere und Baumstrünke in tiefschwarzem Gummi nachgeformt, zu einer dubiosen Gegenständlichkeit gebracht. Am schönsten vielleicht das monotone "Kanalvideo", eine Fahrt durch die Züricher Abwasser-Unterwelt, und jener auf einer rotierenden schiefen Ebene hin- und herkullernde Plastikbecher, der als Linse für abstrakte Lichtspiele genutzt wird: genial einfach, verständlich und gut.
So spazieren wir durch 30 Jahre Werkgeschichte, die unter dem Titel "Fragen und Blumen" zusammengefasst sind, und werden immer neu beschenkt. Sagen wir also, mit amüsiertem Wohlgefallen: Danke für die Fragen! Und Danke auch für die Blumen ...