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Verständigungsprobleme im deutsch-polnischen Alltag

Der Schlüssel zur Verständigung ist die Sprache. Schüler im deutsch-polnischen Grenzgebiet nutzen jedoch mit sehr unterschiedlicher Motivation das Angebot, die Sprache des jeweiligen Nachbarn zu lernen. Christina Selzer hat Schulen auf beiden Seiten der Grenze besucht.

15.03.2007
    Deutschunterricht für zwölf polnische Schüler. Es ist die erste Stunde an diesem Morgen, und die 14-Jährigen sind offensichtlich noch müde. Heute steht das Thema Tierschutz und Ökologie auf dem Lehrplan. Die Lehrerin Manuela Reich hat ziemlich große Mühe, ihre Schüler zum Mitmachen zu animieren.

    Die Klasse macht bei einem besonderen Projekt mit: Zwölf deutsche und zwölf polnische Schüler werden einmal pro Woche gemeinsam unterrichtet, und zwar abwechselnd am städtischen Gymnasium in Frankfurt (Oder) und im Gymnasium Nummer 2 im benachbarten Slubice. Während Deutsch und Polnisch getrennt unterrichtet werden, gibt es dann Kunst, Musik, Mathematik und Sport zusammen. Milena freut sich jede Woche auf den gemeinsamen Unterricht.

    "Ich denke, es ist schon schön, manche Fächer in Deutsch zu lernen, damit man später sich entscheiden kann, ob man im deutschen Gymnasium weiterlernen will. Es ist nur eine Probe, ob man es schafft, auf Deutsch zu lernen, man lernt dann auch mehr Deutsch."

    Von der Schwierigkeit der deutschen Sprache hat sich Milena nicht abschrecken lassen. Im Gegenteil: Sie findet sogar, dass Deutsch überhaupt nicht kompliziert ist und auch noch schön klingt.

    "Deutsch gefällt mir gut, aber es ist für mich auch wichtig, dass wir Pola, die an der Grenze wohnen, auch Deutsch lernen können, damit wir uns auch unterhalten können."

    Milena spricht von all ihren Mitschülern am besten Deutsch. Das kommt auch daher, dass sie zusätzlich zur Schule auch noch Privatunterricht erhält. Ihre Eltern, erzählt sie, sind haben viele deutsche Bekannte und wollen, dass auch ihre Tochter gut Deutsch lernt, um ihre Berufschancen zu verbessern.

    Milena gehört zu der jungen Generation in Polen, die ihre berufliche Zukunft eher in Deutschland sieht, oder sich zumindest gut vorstellen kann, beide Länder miteinander zu verbinden. Das sei aber kein neues Phänomen in Polen, erklärt der Schulleiter Wolfgang Mayer:

    "Die Polen lernen Deutsch, weil sie sich doch stark nach Westen orientieren. Es ist doch immer so gewesen. Viele arbeiten in Deutschland. Mittlerweile hat es sich in Frankfurt und in Brandenburg verzahnt. Es gibt viele Absolventen, die sich in der Region im kulturellen Bereich oder Industrie ansiedeln mit Sprachkenntnissen, ein Studium machen und dann hier Jobs finden."

    Dagegen hätten es sich die Deutschen mit der Hinwendung nach Osten anfangs doch wesentlich schwerer gemacht, findet Mayer. Das hat sich aber in den letzten Jahren geändert, jedenfalls konnte er das auch an seiner Schule beobachten. Hier wird auch Französisch angeboten. Doch für Polnisch entscheiden sich ebenso viele Schüler wie für Französisch, was den Schulleiter freut.

    Natalie und Viktoria haben sich für Polnisch entschieden, weil sie es praktisch finden, die Sprache der Nachbarn zu sprechen und weil sie später einmal ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern möchten.

    "Ich möchte Journalismus studieren, und ich denke, da kann man es gebrauchen."

    Schulleiter Wolfgang Mayer weiß, dass sein städtisches Gymnasium beim Polnischunterricht eine der wenigen positiven Ausnahmen ist. Denn immer noch wird die Sprache des Nachbarn nur an wenigen deutschen Schulen im Grenzgebiet angeboten. Das hatte vor kurzem sogar der polnische Staatspräsident Kaczynski der Bundesregierung vorgeworfen. Kaczynski sah darin gar eine massive Diskriminierung der Polen. Doch die Vorwürfe des polnischen Staatspräsidenten sind nach Ansicht von Schulleiter Wolfgang Mayer ziemlich übertrieben.

    Es gibt einfach zu wenige Polnischlehrer, erklärt Mayer. Und neue Lehrer werden wegen der sinkenden Schülerzahlen zur Zeit nicht eingestellt, jedenfalls nicht in Brandenburg.