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Versteckte Steuererhöhung
Koalition hält an "Kalter Progression" fest

Ein Abbau der sogenannten "Kalten Progression" ist in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu erwarten. Dennoch gibt es in der Debatte neue Vorschläge zur Finanzierung von Steuerentlastungen.

29.04.2014
    "Kalte Progression" - Lohnerhöhungen gibt es dann nur auf dem Papier.
    "Kalte Progression" - Lohnerhöhungen gibt es dann nur auf dem Papier. (dpa / picture-alliance / Armin Weigel)
    Die Koalitionsfraktionen von Union und SPD haben bekräftigt, dass ein Abbau der sogenannten "Kalten Progression" bei der Einkommensteuer in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu erwarten ist. Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte am Dienstag zum Abschluss einer Klausurtagung der Fraktionsspitzen in Königswinter bei Bonn, dies stehe "nicht im Koalitionsvertrag".
    Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich nach Angaben aus Teilnehmerkreisen in einer CDU-Vorstandssitzung am Montag in Berlin gegen eine Steuerentlastung aus.
    Was ist die "Kalte Progression"?

    Bei der "Kalten Progression" bleibt bei einer Einkommenserhöhung nach dem Abzug von Steuern effektiv weniger Geld übrig als vorher. Das hat vor allem zwei Gründe:

    1. Der progressive Steuersatz: Je mehr man verdient, desto höher ist der prozentuale Steuersatz. Der Eingangssteuersatz in Deutschland beginnt bei 14 Prozent für ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von mehr als 8.354 Euro und steigt auf bis zu 45 Prozent ab 250.731 Euro.

    2. Die Inflation: Kleine Einkommenssteigerungen gleichen häufig aber nur die Inflation aus, die Kaufkraft steigt also nicht. Trotzdem erhöht sich wegen der nominalen Lohnerhöhung die prozentuale Belastung nach dem progressiven Steuersatz.

    Aus diesem Grund wird die "Kalte Progression" auch als "versteckte Steuererhöhung" bezeichnet.
    Was versteht man eigentlich genau unter „kalter Progression“? Die Antwort gibt unsere interaktive Infografik: http://t.co/Vk3lEecj6t— BMF (@BMF_Bund) 23. April 2014
    Söder schlägt Soli zur Finanzierung vor
    Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) hatte vorgeschlagen, einen Abbau dieser "versteckten Steuererhöhung" ab 2019 mit Mitteln aus dem Solidaritätszuschlag zu finanzieren. Die Hälfte dieser Gelder sollte für die Eindämmung der "Kalten Progression" eingesetzt, die andere Hälfte den Ländern für ihre Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden, sagte Söder im Deutschlandfunk.
    Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) vor dem Landtag in München.
    Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU). (picture alliance / dpa / Peter Kneffel)
    "Ich denke, das wäre ein Finanzkonzept insgesamt, das ganz gut trägt", sagte Söder. 2019 läuft der Solidarpakt II aus, über den der Solidaritätszuschlag und der Finanzausgleich zwischen den Ländern geregelt sind. Zunächst sollte allerdings der Haushalt ausgeglichen sein.
    SPD uneinig über Maßnahmen
    Die SPD hatte eigentlich Spitzenverdiener stärker zur Kasse bitten wollen. Parteichef Sigmar Gabriel wollte nun auch ohne diese Einnahmen die "Kalte Progression" eindämmen, bekam dafür aber Gegenstimmen aus seiner eigenen Partei. "Ich bin skeptisch, wie das zustande kommen kann", sagte Parteivize Ralf Stegner der Süddeutschen Zeitung. "Wenn Schiffe voller Gold die Spree entlang fahren, können wir über alles reden. Aber mir fehlt gegenwärtig die Fantasie, wie ein Abbau der kalten Progression auf einem Weg zustande kommen kann, den die SPD akzeptieren kann."
    Gabriel hatte zuvor zum Abbau der "Kalten Progression" gesagt: "Das muss aufgrund der hohen Steuereinnahmen in dieser Legislaturperiode auch ohne Steuererhöhungen und auch ohne soziale Kürzungen möglich sein." Daran wurden jedoch auch in der SPD-Bundestagsfraktion Zweifel laut. "Von dem Vorschlag, man könnte das aus den laufenden Einnahmen bezahlen, halte ich ganz und gar nichts", sagte der Sprecher der Parlamentarischen Linken, Carsten Sieling, ebenfalls in der der Süddeutschen Zeitung. Nötig seien Steuererhöhungen oder der Abbau von Subventionen, die hohe Einkommen und Vermögen bevorteilen. Für ihre Uneinigkeit bekam die SPD prompt Kritik aus der Opposition:
    Steuerchaos in SPD. Heil: Konzept für Abbau kalter Progression muss her. Sieling & Stegner: kein Konzept denkbar. Kakophonie ohne Mehrwert.— Bernd Riexinger (@b_riexinger) 29. April 2014
    (nch/ach)