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Verstecktes Wasser im internationalen Warenverkehr

Wissen Sie, wie viel Wasser nötig ist, eine Tonne Weizen herzustellen? Wasser, das dann dorthin exportiert wird, wo es knapp ist. Virtuell nennen Wissenschaftler jenes Wasser, das gebraucht wird, um Lebensmittel herzustellen. Die Ressource in Zeiten der Globalisierung stand im Mittelpunkt einer internationalen Tagung in Bonn.

Autor: Volker Mrasek |
    Sie haben es noch nie getrunken, und Sie werden es wohl auch niemals trinken. Doch Sie essen es vermutlich die ganze Zeit!

    Joseph Alcamo, Professor für Umweltsystemforschung an der Universität Kassel, spricht von "virtuellem Wasser". Und damit von Dingen, die weiterer Erklärungen bedürfen ...

    Virtuelles Wasser" ist gleichsam in Lebensmitteln versteckt. Es ist das Wasser, das benötigt wird, um unsere Nahrung zu produzieren. Getreide, Kräuter, Tomaten - sie alle brauchen große Mengen Wasser während des Wachstums. Nun kann man sich fragen: Wie schaffen es wasserarme Länder, ihren Bedarf zu decken? Nun, indem sie Lebensmittel importieren, und mit ihnen quasi das "virtuelle Wasser". Dadurch wird die Wasserarmut im eigenen Land kompensiert.

    Lebensmittel werden weltweit gehandelt, riesige Warenströme ziehen sich um die Erde. Mit ihnen fließt auch das "virtuelle Wasser".
    Forscher wie der US-Amerikaner Alcamo stellen fest: Die Länder der Erde investieren ihre Wasser-Ressourcen in steigendem Maße für die Produktion von Nahrungsmitteln, die in den Export gehen. Der Anteil dieses "virtuellen Wassers" an der gesamten Wasser-Nutzungsmenge liegt nach jüngsten Abschätzungen inzwischen bei 15 Prozent.
    Der japanische Hydrologe Taikan Oki von der Universität Tokio:

    Vor nicht allzu langer Zeit waren es noch 200 Kubik-Kilometer virtuelles Wasser, die gehandelt wurden. Heute, in Zeiten der Globalisierung, sind es 1.200 - also sechsmal so viel.

    In einem internationalen Pilotprojekt wollen sich Oki, Alcamo und andere nun intensiv mit den virtuellen Wasserflüssen beschäftigen. Durch die Klimaerwärmung dürfte sich das Problem der Wasserknappheit gerade in vielen ärmeren Ländern noch zuspitzen. Um so wichtiger sei es, den Import und Export von wasserintensiven Agrarprodukten im Auge zu behalten, sagt Umweltwissenschaftler Alcamo:

    Der globale Wasserkreislauf spielt sich nicht nur in der Atmosphäre ab. Er hat auch eine gesellschaftliche Komponente. Auch Handelsabkommen wirken sich entscheidend auf ihn aus. Die ganzen Zusammenhänge beginnen wir gerade erst zu verstehen. Und das ist unser Ziel: ein genaues Bild von dem Strom virtuellen Wassers zu bekommen, der von den wasserreichen zu den wasserarmen Ländern fließt.

    Die größten Exporteure von Agrarprodukten sind Staaten wie die USA, Kanada und Australien. Viel importiert wird in Italien, den Niederlanden, Südkorea und Japan. Die Handelspartner müssten sich stärker bewusst werden, dass sie Wasserprobleme auch in einem anderen Land auslösen können, mahnt Taikan Oki:

    Ich nehme nur mal Japan als Beispiel. Wir importieren sehr viel Getreide aus den USA und strapazieren die Wasserbilanz dort. Auch im Westen der Vereinigten Staaten kommt es immer wieder zu Dürren, und für die Bewässerung der Felder nutzt man zum Teil Grundwasser. Manches davon bezeichnen wir als "fossil". Es stammt aus unterirdischen Speichern, die vorher nie angetastet wurden. Eine solche Bewässerungswirtschaft kann man sicher nicht als nachhaltig bezeichnen.

    Die Umweltwissenschaftler wollen nicht etwa den Welthandel verändern und Handelsströme umlenken oder ganz eindämmen. Das wäre wohl auch unrealistisch. Doch es gebe schon Wege, den Anteil "virtuellen Wassers" in Agrarprodukten zu verringern:

    Auch die Ernährungsweise des Verbrauchers wirkt sich am Ende auf das globale Wasserbudget aus. Das kann man sich leicht an einer Zahl klar machen: So steckt in einer Tonne Rindfleisch 100mal mehr "virtuelles Wasser" als in einer Tonne Kartoffeln, die Erzeugung ist also 100mal so wasseraufwendig.

    Wie gut, sagen da die Wissenschaftler, dass ein Volk wie die Inder aus religiösen Gründen kein Fleisch esse. Sonst wäre die Wasserknappheit mancherorts noch größer.