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Verstoß gegen das Völkerrecht?

Die israelische Militäraktion gegen die sogenannte Solidaritätsflotte für den Gazastreifen, bei der mehrere Menschen ums Leben kamen, stößt international auf Kritik. Auch Irland ist empört. Schließlich führte eines der sechs Boote auf dem Weg nach Gaza die irische Flagge.

Von Martin Alioth | 01.06.2010
    Der irische Premierminister Brian Cowen nahm gestern kein Blatt vor den Mund: Die israelische Blockade von Gaza breche das Völkerrecht. Die dortige Bevölkerung habe einen Anspruch auf humanitäre Hilfe. Noch am Sonntag hatte der Ire Denis Halliday, ein ehemaliger Stellvertreter des UNO-Generalsekretärs, die Chancen des Schiffskonvois am irischen Rundfunk eingeschätzt: Falls die Israelis grob seien und eines oder zwei Boote versenkten, ware das natürlich schlecht. Oder sie würden durchgelassen, dann fühlten sich die Israelis vielleicht etwas verspottet. Aber sie müssten zur Kenntnis nehmen, dass die Welt die Behandlung der Palästinenser verurteile.
    Halliday sprach auf einer schlechten Leitung vom irischen Schiff Rachel Corrie, Teil des Konvois. Dieser in Deutschland gebaute Frachter hatte einst Guinness-Bier von Irland nach England transportiert. Er wurde vor zwei Monaten um 70 000 Euro vom "Free Gaza Movement" ersteigert und seither umgerüstet. Trotz der Sachkunde und Prominenz Hallidays versuchte der israelische Botschafter in Irland, Zion Evrony, die internationale Besatzung als nützliche Idioten darzustellen:
    Sie hätten halt nicht gewusst, mit wem sie sich da einließen. Sie seien von Hamas-Extremisten missbraucht worden, die auf eine Konfrontation mit den Israelis erpicht waren.

    Das irische Verhältnis zu Israel ist schon seit langem kühl. Irische UNO-Truppen dienten 23 Jahre lang, von 1978 bis 2001, im Südlibanon, in andauernde Reibereien mit den Israelis verstrickt. 46 irische Soldaten verloren dabei ihr Leben, 18 davon in Kampfhandlungen. Die Rechtfertigungsversuche Israels für seine Übergriffe trugen jeweils nicht zur Verbesserung des bilateralen Verhältnisses bei. Irland empfindet keine Erblasten gegenüber Israel – im Gegenteil. Irlands eigene koloniale Geschichte erweckt vielmehr Sympathien für die Palästinenser. Im letzten Februar war der irische Außenminister, Micheál Martin, der erste Außenminister eines EU-Landes, der Gaza seit dem israelischen Feldzug besuchte. Der Graben zwischen Dublin und Tel Aviv vergrößerte sich zu Beginn dieses Jahres erneut, als sich herausstellte, dass drei der elf Attentäter, die einen führenden Hamas-Vertreter in Dubai ermordet hatten, gefälschte irische Reisepässe auf sich trugen. Micheál Martin sprach daher gestern am irischen Rundfunk Klartext:
    Er erhalte zudem den Eindruck, dass die israelische Staatsräson neuerdings zum Maßstab für ethisches Handeln werde. Aber die internationale Gemeinschaft müsse sich hüten:
    Es bedürfe klarer Grenzen zwischen dem, was toleriert werde, und unerträglichem Verhalten. Martin kritisierte überdies die offizielle Rechtfertigung der Israelis:

    Es habe sich nicht um eine Armada des Hasses gehandelt, wie Israel behauptete, sondern um politisch engagierte Menschen mit einem Recht auf freie Rede und Protest.

    Israel neige dazu, seinen sachlichen Kritikern emotionale Feindseligkeit zuzuschreiben. Dabei seien Staaten wie Israel verpflichtet, Zurückhaltung und Verhältnismäßigkeit zu üben, um Katastrophen, Konflikte und Tote zu vermeiden.