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"Versuchs halt mal"

Was macht eine Frau, die erfährt, dass der Ehemann sie betrügt? Sie leidet, sie fügt sich vielleicht ins Unabänderliche oder sie lässt sich scheiden. Ist der Ehemann reich, so muss das für die betrogene Gattin kein schlechtes Ergebnis sein. Noch besser jedoch ist es, wenn der Seitensprung die Frau in die Lage versetzt, endlich - endlich- ihre höchsteigene Berufung zu finden. Als die schon 40-jährige Aenne Burda, Mutter dreier Kinder, die Nachricht von der Untreue ihres Mannes erhält, nutzt sie die Chance - und macht einen Vertragstermin. Einen Modeverlag kurz vor dem Konkurs, heruntergewirtschaftet von der Geliebten, lässt sich die Ehefrau als Wiedergutmachung überschreiben.

Von Brigitte Baetz |
    Mit den Worten "Versuchs halt mal" schenkt der Offenburger Patriarch Franz Burda seiner Frau ein Unternehmen mit damals 48 Mitarbeitern. Die Tochter eines Lokomotivführers, die schon im Kindergarten die Jungs verdrosch und Putzen zeitlebens mit Zwangsarbeit gleichsetzte, zeigte ihrem Mann, was einen wirklich erfolgreichen Verleger, respektive eine erfolgreiche Verlegerin ausmacht: eine simple Geschäftsidee, professionell und mit Wagemut umgesetzt. 1950 startete Burda Moden mit einer damals äußerst gewagten Auflage von 100.000 Stück, 1957 waren es schon 500.000, 1967 1,5 Millionen. Aenne Burda, die nie nähen gelernt hatte und sich dazu auch nicht berufen fühlte, weiß als ehrgeizige Tochter aus bescheidenem Hause, was die Durchschnittsfrau der Wirtschaftswunderjahre und danach braucht: die Möglichkeit, mit geringen materiellen Mitteln, aber mit Fleiß, etwas aus sich zu machen. Wer nichts hat, der muss eben selber ran. So wie der deutsche Mann sich im Bau seines Eigenheims verwirklicht, so näht sich die deutsche Frau nach den Schnittmusterbögen des Burda-Verlags ihren Traum vom Chic. Ein Hauch von Paris und Mailand, aber tragbar, modisch, aber nicht zu modern, perfekt, aber nie unangenehm aus der Masse hervorstechend - so war die Mode aus dem Hause Aenne Burda und so wollten die meisten deutschen Frauen sein. Spießig, so kann man das heute nennen, wo Billigmodeketten wie H & M oder Zara in schnellem Wechsel und für wenig Geld all das anbieten, was auf der ganzen Welt alle tragen, die dem neuesten Schrei hinterherlaufen. Damals waren die Schnittmusterbögen der Aenne Burda eine Art Revolution, die Befreiung vom deutschen Schneiderhandwerk und die Möglichkeit für die Frau aus der Provinz, genauso schön zu sein, wie sie es von der Großstadtfrau annahm. Der Traum von der großen weiten Welt, im sicheren Zuhause verwirklicht allabendlich an der Nähmaschine - diesen Traum verkaufte Aenne Burda, gelebt hat sie einen ganz anderen. "Ich wollte hart sein wie ein Mann, vielleicht sogar noch härter", das erzählte sie selber gerne, bevor sie in ihrem Sportwagen davonbrauste. Für die Kindererziehung hatte sie Kindermädchen, für das Putzen Putzfrauen.

    Allein in ihrem Verlag delegierte sie ungern, kontrollierte alle Entscheidungen, auch vom Urlaub aus, selber. "Macht war mir immer wichtig", sagte sie. Ein Satz, den erfolgreiche Frauen noch heute ungern in den Mund nehmen. Was für jeden Mann selbstverständlich war und das bis heute ist, nahm sie sich - ganz selbstverständlich - auch als Frau heraus: sich ganz auf den Beruf konzentrieren zu können. Und das tat sie mit einem enormen Erfolg. Mit einer Gesamtauflage von weltweit 70 Millionen Exemplaren in 14 Ländern erreichte der Verlag Burda Moden 1978 seinen Zenit. Der ideelle Höhepunkt von Aenne Burdas leidenschaftlicher Laufbahn, die mehr als 45 Jahre dauerte, kam, als 1987 mit Burda Moden die erste Westzeitschrift in Russisch erschien. Und auch heute noch, da das Selbernähen in Deutschland vollkommen aus der Mode gekommen ist, erscheint Burda Moden in 20 Sprachen in rund 100 Ländern. Eine deutsche Unternehmergeschichte mit weltweitem Erfolg, die hierzulande noch mehr Beachtung und Würdigung gefunden hätte, hätte sie denn ein Mann geschrieben.