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Vertrauensvorschuss per Nasenspray

Endokrinologie. – Vertrauen ist ein wichtiges Gut im Umgang miteinander. Doch auch hier haben Hormone, speziell Oxytocin ihre Finger im Spiel. Schweizer Forscher von der ETH Zürich haben jetzt im Experiment gemessen, wie stark die Rolle dieses Hormons ist. Einer der Wissenschaftler, Thomas Baumgartner vom Institut für empirische Wirtschaftsforschung, berichtet über die in "Neuron veröffentlichten Forschungen im Gespräch mit Ralf Krauter.

    Krauter: Herr Dr. Baumgartner, wie lief das Experiment ab?

    Baumgartner: Ja, das geht folgendermaßen: wir haben mit Probanden ein so genanntes Vertrauensspiel gespielt. In diesem Vertrauensspiel gibt es zwei Mitspieler. Es gibt einen so genannten Investor und einen Treuhänder. Und der Investor, der kriegt nun Geld. Und er wird vor die Entscheidung gestellt, ob er das Geld eben dem Treuhänder anvertrauen will oder nicht. Falls er das nun tut, also ihm das Geld anvertraut, dann wird es dabei vervielfacht. Allerdings gehört das Geld nun nicht mehr dem Investor, sondern es gehört dem Treuhänder, und dieser kann sodann entscheiden, ob er die Hälfte davon zurückgeben wird oder eben nicht. Und offensichtlich in diesem Spiel ist natürlich, dass der Investor dabei ein gewisses Risiko eingeht, wenn er sein Geld vervielfachen will. Er geht nämlich das Risiko ein, dass er schlussendlich um sein ganzes Geld betrogen wird.

    Krauter: Wenn der Treuhänder das alles für sich behält!

    Baumgartner: Genau.

    Krauter: Wie genau haben sie gemessen, was passiert? Haben Sie den Leuten ins Gehirn geschaut bei diesem Versuch?

    Baumgartner: Das ist richtig. Um allerdings jetzt die Gehirnergebnisse verstehen zu können, müssen wir uns erst mit den Verhaltensergebnissen beschäftigen. Und da hat sich eben gezeigt, dass die beiden Probandengruppen, also diejenigen, die Oxytocin gekriegt haben, und diejenigen, die ein Placebo gekriegt haben, eine Substanz, die sozusagen keine Wirkung hat, dass diese beiden Probandengruppen eben auf diesen Vertrauensbruch unterschiedlich reagieren. Und dabei hat die Oxytocin-Gruppe auf den Vertrauensbruch eben sozusagen gar nicht reagiert, das heißt, die haben ihr Vertrauen beibehalten, während dessen die Placebo Gruppe relativ stark auf den Vertrauensbruch mit einem reduzierten Vertrauen reagiert hat.

    Krauter: Und diesen Verhaltensbefund konnten sie sozusagen auch im Gehirn der Probanden festmachen?

    Baumgartner: Das ist richtig. Also wir konnten eben zeigen, dass bei Placebo-Probanden das Angst-System des Gehirns viel stärker aktiviert war, als bei den Oxytocin-Probanden. Folglich kann man daraus natürlich den Schluss ziehen, dass Oxytocin scheinbar das Angstsystem im Gehirn reduziert und dadurch zu einem erhöhten Vertrauen führt.

    Krauter: Wie effektiv ist in diese vertrauensbildende Maßnahme, dieser Wirkstoff Oxytocin, der dann per Nasenspray verabreicht wird? Ließe sich damit vielleicht auch blindes Vertrauen bewirken, also auch in jemandem, der das gar nicht verdient hat?

    Baumgartner: Da bin ich doch eher sehr skeptisch. Das ist natürlich eine Frage, die wir auch immer wieder gestellt kriegen. Wenn wir uns zum Beispiel jetzt eine Situation vorstellen, wo wir Menschen in eine Situation bringen, wo es um sehr viel geht. Nicht um Leben und Tod aber doch um einiges mehr, als in unserm Vertrauensspiel, und das wäre jetzt auch gleichzeitig eine Situation, in der sie niemals Vertrauen haben würden. In so einer Situation führt natürlich das Hormon Oxytocin nicht dazu, dass sich das Verhalten komplett ändert. Im besten Falle würde das wahrscheinlich zu einer graduellen Veränderung des Vertrauens führen, das heißt im Beispiel von gar nicht vertrauen zu vielleicht wenig vertrauen. Das heißt, im Endeffekt, Manipulationsangst muss man vor diesem Hormon ganz sicher nicht haben.

    Krauter: Die Untersuchung ist trotzdem ein wichtiger Baustein hinzu einem genaueren Verständnis, wie Vertrauen und Vertrauens Brüche im Gehirn verarbeitet werden. Sie planen jetzt auch eine klinische Studie, um mögliche Anwendungen, medizinische Anwendungen ihrer Entdeckung zu testen. Welche Zielgruppe hat man denn da im Visier?

    Baumgartner: Zurzeit läuft bei uns tatsächlich eine Studie, wo wir versuchen, die Soziale Phobie mit Oxytocin positiv zu beeinflussen. Von Patienten mit dieser Störung weiß man nämlich, dass sie eben eine massiv erhöhte Angst in sozialen Situationen haben, die gleichzeitig eben einhergeht mit einer erhöhten Aktivierung im Angstsystem des Gehirns. Und in unserer Studie konnten wir Ihnen jetzt zeigen, dass Oxytocin genau diese Angstsituationen in sozialen Situationen scheinbar unterdrücken kann. Folglich kann man daraus natürlich wiederum den Schluss ziehen, dass eine mögliche Ursache der Sozialen Phobie darin bestehen könnte, dass diese Menschen eben eine Dysfunktion im Oxytocin-System haben. Und genau diese Dysfunktion versuchen wir zurzeit eben mit Oxytocin, aber auch in Kombination mit einer Verhaltenstherapie positiv zu beeinflussen.