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Verwirrte Väter

Es ist einer jüngeren Zwiespalte im Miteinander von Frau und Mann. Wie viel Vater soll der Vater eigentlich sein, und woran bemisst sich das eigentlich? An der Zahl der gewechselten Windeln nach einem 10-Stunden Arbeitstag im Büro? An der Fähigkeit des Mannes, haushälterische Tätigkeiten geschmeidig zu umgehen? Robert Habecks Buch will das beleuchten, das gefühlt ewige, und doch so junge emann-zipatorische Dilemma.

Karin Fischer im Gespräch mit Robert Habeck | 18.08.2008
    Karin Fischer: Dass die jungen Frauen heute alles wollen, Kinder und Karriere, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das ist hinlänglich bekannt, nur leider noch kaum lebbar. Die Frauen warten noch auf mehr Halbtagsstellen, auf mehr Krippenplätze für unter Dreijährige und auf das Engagement ihrer Männer, die sich mit dem Hinweis auf ihr besseres Gehalt lange vor dem Fulltimejob Kindererziehung drücken konnten, manche natürlich auch gegen ihren Willen. Die neuen Väter jedenfalls, sie sind zu wenige. Der Rollentausch findet praktisch nicht statt, und warum das so ist, hat jetzt Robert Habeck aufgeschrieben. Habeck ist Jahrgang 1969, Schriftsteller, Grünen-Politiker und Vater von vier Kindern, und sein Buch heißt "Verwirrte Väter oder wann ist der Mann ein Mann". Herr Habeck, wie groß sind denn die Identitätsprobleme junger Väter, auf die Sie mit diesem Titel anspielen?

    Robert Habeck: Es ist festzustellen, dass vor allem für Männer, das ist für Frauen vielleicht sogar von einfacher, von ich so frech sein darf, das zu behaupten, die Gesellschaft in zwei verschiedene Richtungen zieht. Einmal wird die Arbeitswelt immer härter, immer brutaler, läuft immer schneller und die Männer sollen eben dieser Brutalität bedienen. Und einmal verlangen viele Männer von sich selbst, aber eben auch die Gesellschaft, dass die Männer sensibel sind, einfühlsam und sich um ihre Kinder kümmern.

    Fischer: Das Pendant zu den amerikanischen Desperate Housewives stellt Ihr Buch mangels Hysteriefaktor, sage ich mal, ja nicht gerade dar. Vielmehr handelt es sich um eine Art Bestandsaufnahme zum Thema Vaterarbeit in der Familie. Wo fehlt es denn da Ihrer Meinung nach am meisten?

    Habeck: Am Ende fehlt es an gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Im Grunde kann man sagen, dass der persönliche Wunsch von vielen Menschen weiter ist, weiter im Sinne von emanzipierter ist, als es die Umstände der Berufswelt, der Arbeitswelt, der politischen Finanzausstattung, der Kita-Plätze usw. zulassen. Insofern endet mein Buch mit politischen Vorschlägen und Forderungen, da Antworten drauf zu geben. Es mangelt nicht mehr. Und das, glaube ich, ist das Neue an der Bereitschaft, ein anderes und, wie Sie eben genannt haben, neues Vätermodell zu leben.

    Fischer: Diese Diskrepanz ist schon länger aufgezeigt. Es gibt aber natürlich Statistiken, die anderes sagen. In acht von zehn Familien trägt der Vater ein halbes Jahr nach der Geburt seines Kindes wieder nur den Müll runter. Bei vielen verlängert sich die Bürozeit sogar. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Es geht überhaupt nicht darum, jetzt hier Männermobbing zu betreiben. Es gibt ja auch vernünftige Forderungen, die Arbeitszeit etwa in der heißen Kinderphase für beide Geschlechter zu verkürzen, die Forderung nach Zeitkonten etc. Was schlagen Sie vor?

    Habeck: Wenn man fragt, was sind die Bedingungen für eine Familiengründung, antworten die allerallermeisten Paare, ein gesichertes Einkommen. Das ist ja auch die gesellschaftliche Wirklichkeit, die wir erleben. Man sieht, wie berufliche Bildung von Einkommen der Eltern abhängig ist. Dann werden sie Väter oder Eltern und dann wollen sie eben auch die materiellen Sicherungen schaffen. Und das wollen sie entgegen ihrer individuellen emotionalen Vorliebe, nämlich sich ungefähr Familie und Beruf gleichberechtigt aufzuteilen. Und dann greifen all diese Probleme der alten Arbeitswelt, die nämlich auf ein Alleinverdienermodell der Männer ausgerichtet sind.

    Fischer: Dann machen Sie es mal konkret, Robert Habeck. Was brauchen wir? Wir wissen genau, dass natürlich Karriere an 150-prozentigen Einsatz gekoppelt ist. Müssten wir neue Arbeitszeitmodelle haben, oder müssen wir ein neues Verständnis von Arbeit haben und von Karriere zum Beispiel?

    Habeck: Verständnis braucht man auf jeden Fall. Ich glaube, dass die Symptome der Gesellschaft überall zu sehen sind. Überall gibt es eine Bereitschaft, etwas weniger zu verdienen, etwas zurückzutreten, Lebenszufriedenheit höher zu stellen, als beruflichen Erfolg. Aber tatsächlich glaube ich, dass der Staat ähnlich wie beim Mindestlohn sich stärker auf die Arbeitszeit konzentrieren muss. Das sollte nicht mehr nur allein betrieblich ausgehandelt werden. Man sollte konkret Steuermodelle entwickeln, wo die steuernd auf die Arbeitszeit einwirken. Dann glaube ich, dass die vielen, immer noch an die Paarbindung, an die Bedarfsgemeinschaften gekoppelten sozialen Sicherungssysteme umgestellt werden müssen, auf eine individuelle Sicherung von Männlein und Weiblein, dass man nicht aufeinander mehr angewiesen ist, sondern sich freier entscheiden kann, um die Abhängigkeit von einem Ernährermodell zu brechen. Und das Dritte ist, dass man in die öffentlichen Infrastrukturen, in Bildung, in Ganztagsbetreuung, in Kitas stärker und vermehrt investieren muss.

    Fischer: Letzte Frage, wie viel hat das Elterngeld von Ursula von der Leyen für die neuen Väter gebracht?

    Habeck: Ohne Frage zeigt das Elterngeld die Bereitschaft der neuen Väter, sich stärker zu engagieren. Ich bin allerdings kein großer Fan von dem Elterngeld, weil es die Denke, erst Karriere zu machen und dann Familie zu gründen, verstärkt. Insofern verstärkt das Elterngeld unterm Strich den Druck für Väter, für Männer sich erst beruflich zu engagieren mit der Folge, dass sie sich dann vielleicht zwei Monate letztlich einen längeren Urlaub nehmen. Aber es ist kein emanzipatorisches, gemeinschaftliches Lebensmodell.

    Fischer: Das war Robert Habeck, Autor des Buches "Verwirrte Väter". Es erscheint heute im Gütersloher Verlagshaus.