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Victor Vasarely
Haus Konstruktiv feiert wiederentdeckten Maler

Victor Vasarely gilt als Begründer der Op-Art. Seine Erfahrungen als Grafiker verband er mit der Kunstpraxis der Abstraktion. Die Zürcher Schau zeichnet sein Werk chronologisch zwischen 1947 und 1979 nach und zeigt auch unbekanntere Seiten des Künstlers.

Von Carsten Probst | 02.03.2014
    Der Künstler Victor Vasarely steht im February 1976 vor einem seiner Kunstwerke.
    Der Künstler Victor Vasarely steht im February 1976 vor einem seiner Kunstwerke. (picture alliance / dpa / Foto: AFP)
    Victor Vasarely war 33 Jahre alt, als der Zweite Weltkrieg ausbrach, und war noch nicht als Künstler hervorgetreten. Er hatte in den 20er-Jahren in Budapest an der Mühely-Schule für Grafik studiert, die man damals als das ungarische Bauhaus bezeichnete, und lebte seit 1930 in Paris. Dort verdingte er sich zunächst als Werbegrafiker, beginnt mit optischen Raumillusionen und Schachbrettmustern zu experimentieren, um die Wirkung von Werbeplakaten zu erhöhen, und konzentriert sich dann mehr und mehr auf malerische Umsetzungen dieser Idee, allerdings noch eher im privaten Rahmen.
    Vasarely trat erst gegen Kriegsende er in der Pariser Kunstszene hervor, imitierte die klassische Moderne und landete um 1947 herum bei der Abstraktion. Dabei muss ihm eine bahnbrechende Erkenntnis gekommen sein, die er in dem pathetischen Ausruf formulierte: Erst jetzt habe er verstanden, dass "reine Form-Farbe die Welt zu bedeuten vermochte".
    Gemeint war, dass die abstrakte Avantgarde als "L'art pour l'art" bis dahin vor allem eigenen Gesetzen gehorchte und vor allem nur wenigen zugänglich war, da man sie nur aus Kunstgalerien kannte und nur Wenige sie kaufen konnten. Vasarely verband dagegen seine Erfahrungen als Grafiker mit der Kunstpraxis der Abstraktion. "L'art pour l'art" kam für ihn nicht in Frage, denn die sinnliche Wahrnehmung selbst ist relativ, auch das war schon auch ein großes Thema der klassischen Avantgarde. Wahre Abstraktion kann nur sein, was dieses Schwanken, diese Unsicherheit der sinnlichen Wahrnehmung selbst thematisiert. Und dies sollte auch nicht auf einen exklusiven Kreis weniger Kunstkenner bezogen sein. Ganz ähnlich wie die konstruktivistischen Künstler am Vorabend der russischen Revolution, so dachte auch Vasarely, dass die abstrakte Kunst eigentlich eine Art Volkskunst ist, wie in vielen anderen Weltgegenden auch.
    In Europa gehört Vasarely damit zu den ersten, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit versuchen, das Erbe der modernen Avantgarden in eine neue Phase zu überführen. Er begann jetzt, an diesem Prinzip der Oberflächen zu malen, die auf der Fläche eine räumliche Dreidimensionalität vortäuschen und das Gehirn zwingen, die eigene Wahrnehmung beim Umhergehen vor dem Bild oder um das Bild herum immer neu einzustellen - aus geometrischen Mustern aufgebaute Strukturen, die man irgendwo schon einmal gesehen hat, weil sie millionenfach reproduziert wurden für Plakate, Logos, Bucheinbände, T-Shirts und die zuweilen auch ein wenig an die verschachtelten Endlos-Architekturen des niederländischen Grafikers Maurits Cornelis Escher erinnern.
    Von kinetischen Tiefenbildern bis hin zu plastischen Objekten
    Die Zürcher Ausstellung zeichnet diese Entwicklung von Vasarelys Werk chronologisch nach über gut drei Jahrzehnte zwischen 1947 und 1979, die sie in aufeinander aufbauende Werkphasen gliedert: Zu Beginn viel Schwarz-Weiß-Kompositionen, die sogenannten kinetischen Tiefenbilder, bei denen eben die Bewegung des Betrachters gefragt ist, um den beständigen Wechsel von Zwei- und Dreidimensionalität im Bild zu vollziehen. Dazu gehören auch plastische Objekte. Später ließ er sich eine Art Modulsystem patentieren, das nahezu unbegrenzte Kombinationsmöglichkeiten formaler und farblicher Variationen bietet. Insgesamt sieht man in dieser Ausstellung aber auch viel Vasarely, wie man ihn weniger kennt, mit amorphen, monochromen Form-Farbe-Kombinationen aus der Frühzeit, oder mit Experimenten in Yves-Klein-Blau, einem seiner zeitweiligen großen Konkurrenten.
    Anfangs denkt man gar nicht unbedingt an die Entwicklung eines bestimmten Stils – so eng ist das Werk Vasarelys mit dem Erbe der modernen Avantgarden verbunden. Dabei führt seine Begründung der sogenannten "Op Art" zugleich zu einer beispiellosen Karriere mit riesigen Verkaufserfolgen und ungemeiner, kommerzieller Popularität seiner Kunst in den sechziger bis neunziger Jahren. Nicht zuletzt spielt der Begriff Op Art ja auf Pop Art an, und spätestens seit den 80er-Jahren unterstellte man Vasarely, die Ideale der Moderne eigentlich nur kommerziell zu verwerten und in ein Corporate Design zu verwandeln, sein Werk sei am Ende nichts anderes als ein austauschbares Massenprodukt, das zuletzt vor allem dekorative Zwecke erfüllte. Diesen Einwand kann die Zürcher Ausstellung durchaus entkräften. Hier erscheint Vasarelys Werk eher als eine Art Wahrnehmungsforschung. Für ihn stand es schließlich auch nicht auf einem Sockel, sondern betraf die Wahrnehmung des Betrachters selbst – und das ist sowohl ein klassisch modernes als auch mittlerweile wieder ein aktuelles Thema.