Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Video-Verbot in Südafrika
"Gebt uns diese Werbung zurück!"

Ein Schwarzer, der Europa kolonialisiert hat? Diese Idee des Werbevideos einer Fastfood-Kette passte dem südafrikanischen Werberat nicht und wurde verboten. In der Bevölkerung trifft die Entscheidung auf wenig Verständnis und löst eine Debatte über unterschiedliche Maßstäbe aus.

Von Karin Werheim | 08.01.2019
    In der Werbung für einen Burger "entdeckt" der Südafrikaner John Mjohnana Europa.
    In der Werbung für einen Burger "entdeckt" der Südafrikaner John Mjohnana Europa. (Screenshot Youtube Chicken Licken)
    Südafrika 1650. Ein junger Schwarzer, John Mjohnana, verlässt seinen Stamm und sein Land, hungrig auf Abenteuer. Segelt über das Meer, bezwingt Stürme und Meeresungeheuer. Und er entdeckt ein fremdes Land: Holland. Weiße stehen am Ufer, der Seefahrer und spätere Gründer der Kapkolonie am Horn von Afrika, Jan van Riebeeck. Im Vorbeilaufen zeigt John ihm, dass Riebeeck seine Seekarte falschherum hält. Dann trifft er auf einen Mann mit einem dicken Tau um den Hals. John sagt: Ich mag dieses Land. Ich nenne es "You Rope", "Du Tau". Europe!
    Dieser Fernsehspot der südafrikanischen Fastfood-Kette Chicken Licken darf nicht mehr gezeigt werden. Ein Bürger hatte Beschwerde eingereicht beim Advertising Regulatory Board, einer Institution vergleichbar dem deutschen Werberat. In der schriftlichen Begründung des Verbots heißt es: "Die Werbung versucht, die Geschichte der Kolonialisierung auf den Kopf zu stellen. Aber es ist hinreichend bekannt, dass viele Afrikaner im Verlauf der Kolonialisierung gezwungen waren, nach Europa zu reisen. Sie haben ihre Länder und Dörfer nicht freiwillig verlassen. Sie verhungerten auf diesen Reisen nach Europa und kamen unter unmenschlichen Bedingungen dort an. Diese Erfahrung wird nie umgeschrieben werden können. Und sie darf in keiner Weise trivialisiert werden."
    "Wir leben mit den Folgen des Kolonialismus jeden Tag"
    In Johannesburg trifft das Verbot des Videos auf Unverständnis.
    "Es sollte weiterlaufen. Es ist eine freie Meinungsäußerung. Das ist Werbung, die niemand persönlich beleidigt. Ich verstehe nicht, warum das verboten worden ist."
    "Mich trifft das überhaupt nicht. Ich werde nie nach Europa gehen."
    "Ich denke, diese Werbung kurbelt die Diskussion wieder an über Dinge, die schlecht waren."
    "Wir leben mit den Folgen des Kolonialismus jeden Tag."
    Die Fastfood-Kette hatte gegenüber südafrikanischen Werberat argumentiert, das Video solle den Südafrikanern zeigen, dass ihr Land das Potenzial habe, die Welt zu erobern und die Geschichte aus einer afrikanischen Perspektive heraus neuzuschreiben. Es solle ein Gefühl von Stolz und Patriotismus schaffen.
    Unverständnis für das Verbot
    Unterdessen ist das zweiminütige Werbevideo für einen Burger namens "Big John" auf Youtube ein Hit, mehr als 300.000 mal geklickt. Und in Sozialen Medien äußern Hunderte von Usern ihre Begeisterung für das Video und ihr Unverständnis für das Verbot.
    "Es gibt so viele Dinge, bei denen wir Schwarzen empfindlich sein dürfen", schreibt einer, "aber unsere Stärke liegt in unserer Fähigkeit, Humor aufzubringen mitten im Daseinskampf". Oder: "Gebt uns diese Werbung zurück, diese Diskussion darum ist wichtig für uns!" Ein User vermutet, der Beschwerdeführer sein in Wirklichkeit ein Weißer, dem die Idee nicht gefällt, dass Europa von einem Schwarzen kolonialisiert wird. Ein anderer fragt, "was wohl lustiger ist: Dass Menschen dieses Video beleidigend finden, obwohl es so viel andere Werbung gibt, die Schwarze im Westen wie Idioten aussehen lässt. Oder, dass Menschen glauben, dass es den Beschwerdeführer tatsächlich gibt und dass er ein Schwarzer ist."
    Erst im August war Chicken Licken mit dem Loeries-Award, einer Art südafrikanischem Oscar für Werbung ausgezeichnet worden für ein anderes Video. Nach Neujahr will der Advertising Regulatory Board prüfen, ob das Verbot des Werbevideos mit John Mjohnana auch für Youtube gilt.