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Viel Musik für wenig Gage

Die Unesco ruft den ersten internationalen Tag des Jazz aus. Das passt zu der aktuell geführten Debatte über die Relevanz und Förderungswürdigkeit des deutschen Jazz, denn hierzulande gibt es zu viele gut ausgebildete Musiker und immer weniger gut bezahlte Auftrittsmöglichkeiten.

Von Anja Buchmann | 30.04.2012
    "In Berlin – also Geld verdienen kann man hier nicht so wirklich. Es gibt die zwei, drei einschlägigen Jazzclubs, ansonsten 1000 Auftrittsmöglichkeiten, wo man kein Geld verdienen kann."

    Charlotte Greve, Saxofonistin, Berlin, Echo Jazz Preisträgerin 2012.

    "Wenn es ein Club ist, der dann von mir aus mehrere Male in der Woche Veranstaltungen macht, die 20 Leute fassen oder so – dann können die auch gar nicht mehr machen. Dann müssen die Musiker einfach entscheiden: Mach ich da mit oder nicht. Aber alles unter 150 € tut einfach echt weh ..."

    Angelika Niescier, Saxofonistin, Köln, Echo Jazz Preisträgerin 2010.

    "Es gibt auch immer mehr Veranstalter, die Eintrittsgagen geben, also Beteiligung vom Eintritt . Da gibt’s verschiedene – 70/30, 60/40, je nachdem ... und kein Hotel, keine Fahrtkosten. Das Risiko muss man dann voll selbst tragen, und es kann sein, dass man mit Miesen nach Hause fährt."

    Julia Hülsmann, Pianistin, Berlin, Vorsitzende der Union Deutscher Jazzmusiker.

    "Ach ja", könnte man sagen, "sie jammern wieder, die Jazzmusikerinnen und -musiker". Ein Vorwurf, der im Rahmen der aktuell geführten Debatte über die Relevanz und Förderungswürdigkeit des deutschen Jazz gern erhoben wird.
    Dabei bietet die deutsche Szene eine große Vielfalt. Wegen der guten Ausbildungsmöglichkeiten an 18 Hochschulen drängen allerdings immer mehr hoch qualifizierte Musikerinnen und Musiker auf den Markt, während die Auftrittsmöglichkeiten abnehmen. Und die Exportförderung des deutschen Jazz läuft hauptsächlich über die Initiative Musik oder das Goethe-Institut, lässt aber im Vergleich etwa zu Skandinavien oder Frankreich einiges zu wünschen übrig. Felix Falk, Saxofonist und stellvertretender Vorsitzender der Union Deutscher Jazzmusiker:

    "Das merkt man häufig, wenn jemand Interesse hat an einer Band und sagt: Bitte spiel auf meinem Festival, wir gehen aber davon aus, dass die Fahrtkosten und Übernachtungskosten getragen werden. Dann sagen wir: Das kann man versuchen, aber dafür muss ich ein halbes Jahr vorher bei "Goethe" einen Antrag zu stellen. Dann sagen die: Nee, dann nimm ich die Franzosen, die kriegen das sowieso ..."

    Es ist schon erstaunlich: Seit Jahren sind die Bedingungen in der deutschen Jazzszene verbesserungswürdig – und auf einmal passiert etwas: In Köln und Berlin treffen sich Musikerinnen und Musiker zum regen Austausch über Identitäten, Ansprüche und politische Aktionen, der "Jazz Musiker Aufruf" wird gestartet, es entstehen intensive Diskussionen auf einschlägigen Facebook-Seiten, das Feuilleton diverser großer Tageszeitungen entdeckt den Jazz als Thema, und die Union Deutscher Jazzmusiker, die jahrelang eine Art Dornröschenschlaf gehalten hat, erwacht aus demselben, hinterfragt Zusammenhänge und stellt Forderungen:

    "Das ist ne ganz großflächige Angelegenheit, die davon reicht, dass Jazz als Musik wahrnehmbar sein muss in den Medien. Dass Jazz auch in der Schulischen Bildung ein Element wird, für das die Leute interessiert werden. Dass gleichermaßen wir ne Spielstätten-Infrastruktur haben, wo sich die Musik, weiter entwickeln kann."

    Die Ziele der UDJ sind vielfältig und gehen von der Forderung nach einem Ausbau öffentlich geförderter Jazz-Spielstätten über einen "Konzert-Mindestlohn" – ein Thema, zu dem es bereits Gespräche mit Veranstaltern gab – bis zur Verbesserung der Exportförderung. Aber manche Menschen im Jazz-Business sehen das Thema "öffentliche Förderung" auch kritisch … Siggi Loch, Produzent und Chef des Jazzlabels "Act Music":

    "Jeder Jazzmusiker muss lernen, dass wenn er seinen Fuß auf eine Bühne setzt, die Inszenierung beginnt und er um sein Publikum kämpfen muss. Nicht dass er meint, weil er ein Jazzmusiker ist, mit einem Heiligenschein durch die Welt geht und sozusagen erwarten darf, dass die Gesellschaft fortan sein Leben alimentiert. Das ist ein Fehlschluss."

    Dass sich die Jazzmusikerinnen und – musiker um ihr Publikum bemühen, schließt eine gewisse Förderung dieser Musik nicht aus. Denn trotz aller Bemühungen wird das öffentliche Interesse am Jazz sicher begrenzt bleiben – und zudem ist das Argument "nur hungernde Künstler machen wertvolle Musik" spätestens seit dem Zahnarztsohn und Plattenbestseller Miles Davis überholt.

    "Improvisierte Musik, die live sich weiter entwickelt, die alle Musiken drum herum beeinflusst, die ist wichtig. Und die zu fördern, denn es ist ne Kunstform und eine Kunstform kann nur überleben, wenn sie gefördert wird."