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Viele Wege zum neuen Sternensystem

Astrophysik. - Wenn sich Wissenschaftler an eine neue Versuchsreihe heranma-chen, erzeugen sie für jedes Einzelexperiment penibel immer gleiche Rahmenbe-dingungen, um die Ergebnisse vergleichen und den Versuch auch reproduzieren zu können. Bei der Beobachtung der Sternentstehung machte der Kieler Astrophysiker Pawel Kraupa jetzt aber eine verblüffende Entdeckung: Anfangsbedingungen wie Druck und Temperatur scheinen keinen Einfluss auf das Endergebnis - neue Sterne - zu haben.

    Die Erkenntnisse von Pawel Kraupa widersprechen eigentlich jedem gesunden Forscherverstand. Der Kieler Astrophysiker wies jetzt eine verblüffende Gleichför-migkeit bei der Entstehung von Sternen nach. Demnach haben essenzielle physika-lische Faktoren wie Temperatur und Dichte bei der Geburt von Sternen keinen Einfluss auf ihre Masseverteilung innerhalb des Sternensystems. "Vergleicht man etwa zwei ganz verschiedene Sternentstehungsgebiete, also einerseits eine kleinere, kühlere Wolke und zum anderen eine größere, heißere Wolke, dann entstehen im größeren Gebilde vielleicht 100.000 Sterne und in der kleineren Wolke nur 100 Sterne", kons-tatiert Kraupa. Doch letzten Endes sei ist aber die relative Anzahl von Sonnen in den unterschiedlich großen, kosmischen Kreißsälen immer gleich, ganz egal, welche physikalischen Bedingungen bei der Geburt herrschten - die Masseverteilung im Sternenhaufen bleibt konstant.

    Es sieht also so aus, als vergäßen die Sterne, sobald sie aus dem interstellaren Gas heraus "kondensieren", ihre ursprünglichen Bedingungen. Es entsteht immer die selbe relative Anzahl von Sternen. So enthält etwa eine Kugel mit einem Durchmesser von 40 Lichtjahren rund um unsere Sonne ungefähr hundert Sterne. Davon sind rund 40 Braune Zwerge, die keine eigene Energie erzeugen können. Weitere 50 Sterne ge-hören zur Kategorie der Roten Zwerge, sie besitzen eine viel kleinere Masse als die Sonne. Gerade etwa neun der 100 Sterne sind sonnenähnlich und einige wenige bringen es auf mehr Masse als unser Zentralgestirn. Diese Verteilung über die Massen ist die so genannte "Stellare Massenfunktion", eine der fundamentalsten mathemati-schen Größe der Astrophysik. Sie gilt für das gesamte Universum, erklärt Kraupa: "Sowohl in sehr jungen Sternenwolken, die maximal eine Million Jahre alt sind, wie auch in uralten Objekten, die so alt wie das Universum selbst sind, stellt man immer die gleiche Verteilung von Sternen fest." Angesichts der völlig anderen Bedingungen zu Anfang des Kosmos in Vergleich zu den Gegebenheiten etwa in unserer heutigen Milchstraße, sei dies eine sehr sonderbare und außerordentliche Naturerscheinung."

    Rund zehn Jahre lang beobachtete, maß und zählte Pawel Kraupa auf der galak-tischen Säuglingsstation, bis er jetzt mit seiner Version der Sternenentstehungstheorie ein neues Kapitel in der unendlichen Forschungsgeschichte des Universums öffnen konnte. Doch das Geheimnis, warum die Sterne auf so monoton gleichförmige Weise entstehen, bleibt weiter bestehen.

    [Quelle: Frauke Schäfer]