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Vier Jahre nach Fukushima
Die mühsame deutsche Energiewende

Die Atomkatastrophe in Fukushima hat zu einem Umdenken der damaligen Bundesregierung über die Kernenergie geführt. In spätestens sieben Jahren soll das letzte Atomkraftwerk in Deutschland vom Netz gehen. Allerdings sind viele Fragen noch offen - zum Beispiel, was mit dem radioaktiven Müll passiert.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 11.03.2015
    Zwei Kühltürme des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld in Bayern in der Abenddämmerung.
    In spätestens sieben Jahren soll das letzte Atomkraftwerk in Deutschland vom Netz gehen. (picture alliance / dpa / David Ebener)
    Gerade erst hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Japan besucht, allerdings reiste sie schon vor dem Jahrestag des Fukushima-Unglücks wieder ab. Dabei hat der Atom-GAU gerade in Deutschland so nachhaltige Folgen ausgelöst wie sonst nirgendwo: Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung beschloss in einem damals fulminanten Schwenk den Atomausstieg. Angela Merkel im März 2011:
    "Wir haben doch in einem hoch entwickelten Industrieland gesehen, dass Risiken aufgetreten sind, die wir nicht für möglich gehalten hätten oder ich zum Beispiel nicht für möglich gehalten hätte persönlich. Das hat mich davon überzeugt, dass wir den Ausstieg beschleunigen sollten."
    In spätestens sieben Jahren soll das letzte Atomkraftwerk in Deutschland vom Netz gehen. Die erneuerbaren Energien boomen bereits seit Jahren, doch politisch geht es derzeit nur mühselig voran mit der Energiewende, die eigentlich als innenpolitisches Prestigeobjekt der Großen Koalition gedacht war. Anton Hofreiter, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, wirft der SPD und vor allem der Union im Deutschlandfunk Schlampigkeiten und Stillstand vor:
    "Es ist natürlich ein Problem, dass insbesondere die CDU die Energiewende immer als ungeliebtes Kind ansah und das Gefühl hatte, sie ist ihr aufgezwungen worden."
    Streitfrage Stromtrassen
    Beispiel: Der Streit um neue Stromtrassen in Bayern, die die Energie aus dem windreichen Norden in den Süden transportieren sollen. Wegen massiver Bürgerproteste im Freistaat blockiert CSU-Chef Horst Seehofer bisher alle Pläne, die Große Koalition hat die Frage daher in den Sommer verschoben. Unklar auch, wie Rückbau und Stilllegung der deutschen Atomkraftwerke finanziert werden sollen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, SPD, sieht da keine Bedenken:
    "Die deutsche AKW haben in der Größenordnung 37 Milliarden steuerwirksam, also mit steuerlicher Entlastung sozusagen, zurückgestellt, und die Bundesregierung wird sich in diesem Jahr darum kümmern müssen, dass diese Finanzmittel auch gesichert sind, dafür werden wir einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen müssen."
    Nächstes Problem: Die ungeklärte Frage, wohin mit dem Atommüll. Die dazu gegründete Endlager-Kommission im Bundestag wirkt nach außen zerstritten und hat sich bisher auf keinen Vorschlag für eine Lagerstätte und die Modalitäten dafür einigen können. Statt Lösungen kann Barbara Hendricks bisher nur Problembeschreibungen liefern:
    "Andererseits muss man sich auch klarmachen: wir werden nicht in - sagen wir mal 30.000 Jahren - noch auf die vier Elektrizitätsversorger zurückgreifen können, also die Einlagerung muss von denen auch noch bezahlt werden. Aber die dauerhafte Sicherung, das wird die öffentliche Hand machen müssen."
    Die Energiewende verschlafen
    Zumal die vier großen Energiekonzerne in Deutschland unter Schuldenbergen und sinkenden Umsätzen leiden. Die Unternehmen hätten die Energiewende verschlafen, sagt Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, und daran sei auch die Bundesregierung schuld:
    "Man hat zum Beispiel auch immer viel zu wenig Druck auf die großen Energiekonzerne ausgeübt, die ja den Erneuerbaren-Energien-Markt komplett verschlafen haben und deshalb jetzt am Rande des Zusammenbruchs stehen."
    Hoffnung setzen die Unternehmen zwar auf ihre Schadenersatzklagen gegen die Stilllegung von Atomkraftwerken, ansonsten aber sehen sie durch die Energiewende ihre klassischen Geschäftsfelder dahinschwinden. Der Eon-Konzern verbuchte 2014 abermals einen Milliardenverlust, wie der Konzern heute bekannt geben musste. Regierung und Unternehmen setzen sich gegenseitig unter Druck - erst letzte Woche hatte Eon angedroht, sein hoch modernes und umweltfreundliches Gaskraftwerk im bayerischen Irsching abzuschalten.