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Vinyl ordern per Mausklick

Platten sind das Kapital des DJ, auch weiterhin die runden Scheiben aus Vinyl. Und über das Internet lässt sich mittlerweile komfortabel und sicher das eigene Portfolio aufbauen.

Von Markus Dichmann | 22.06.2012
    "Das Gefühl, einfach eine Platte aus der Hülle zu ziehen und aufzulegen - viel besser, als CD. Also, es sieht auch viel geiler aus, muss man ja wohl zugeben. Irgendwie ein Vinyl-DJ, der sich da einen abschafft, durch die Plattenkisten wühlt, sieht immer besser aus, als wenn da einer mit Laptop ankommt, das Ding aufklappt und dann Tasten drückt und dann kommt da was raus."

    Erzählt Nils Blazer alias Soul Blazer - 25 Jahre alt - seines Zeichens DJ. Platten sind sein Kapital. Aber er ist noch relativ neu im Geschäft. 350 Stück hat er bisher. Im Vergleich zu DJ-Veteranen eine sehr überschaubare Sammlung.

    "Allerdings habe ich mir das Zeug, die ganzen Platten, so zusammen geholt, dass ich's auch auflegen kann. Ich habe da gezielt eher eingekauft."
    Gezieltes Einkaufen für das perfekt geeichte DJ-Set: Möglich macht's, wie so oft, das Internet. Zum Beispiel über Portale wie Discogs. Gegründet wurde es 2000 - eigentlich wollte Erfinder Kevin Lewandowski, Liebhaber elektronischer Musik, nur seine eigene Sammlung katalogisieren. Aber immer mehr Sammler schlossen sich ihm an.

    Nils Blazer: "Heute ist das so, dass du da alles findest. Du findest also praktisch von Aretha Franklin - zum Beispiel mal die Single "Think" - 20 verschiedene Versionen. UK-Pressung, US-Pressung, Re-Issue und alles Mögliche findest du."

    Discogs gehört inzwischen zu den weltweit meistbesuchten Internetseiten. Über zwei Millionen Künstler mit über drei Millionen Platten befinden sich in der Datenbank. Sie hat sich seit 2007 um das Vierfache vergrößert. Und Discogs ist auch zum Marktplatz geworden: Für große Geschäfte, wenn ganze Sammlungen verkauft werden, bis zur Jagd nach der einen, ganz speziellen Rarität. Vorbei sind wohl die Zeiten, an die sich noch Eric Kursiefen erinnert.

    "Ja, früher war das eigentlich so, dass man dann wirklich nach, was weiß ich, nach London, Brüssel war für mich immer so ein Ort, wo ich ein paar Läden hatte, wo ich wusste, da gibt's Sachen, die man hier in Deutschland nicht kriegt. Ja, und dann eigentlich immer das Hoffen, dass man das Glück hat und niemand anderes schon vorher da war."

    Kursiefen hat einen Plattenschatz von 6.000 Stück in über 20 DJ Jahren gesammelt und gehortet. Ein deutlich beschwerlicherer Weg als der, den seine jungen Kollegen heute gehen können. Und wie er sich erinnert, wurde das Internet auch erst in der letzten Zeit wirklich zum Platteneldorado.

    "Diese Übergangs- oder Anfangszeit war insofern noch abenteuerlich, dass man also wirklich nur wie im Schaufenster bestellt hat und dann die Bestellung mehr oder weniger noch per Post abschicken musste. Dann eben auch wirklich Geld blicksicher in den Umschlag bringen musste. Und ebenso natürlich hoffen musste, dass das Geld nicht irgendwo beim Postboten oder beim windigen Plattenhändler verloren geht."

    Heute nutzt auch der 42-Jährige die Unmengen an Internetkanälen, um sich mit Plattensammlern zu verständigen. Foren und Plattenbörsen, Auktionsseiten und auch soziale Netzwerke, wie Nils Blazer beschreibt.

    "Man kommuniziert dann auch gerne mal über Facebook. Da heißt es dann: "Will jemand was? Braucht jemand was?" Und dann hat man ungefähr eine halbe Stunde Zeit, schreibt da sein Zeug rein und dann heißt es: "Ja, ok - zack." Also es gibt schon immer wieder regelmäßig da Austausch unter den DJ-Kollegen, egal wie alt sie sind."

    Beide DJs, Blazer und Kursiefen, sind sich einig: Das Internet macht das Plattensammeln komfortabler und steigert auch die Qualität des Auflegens. Denn die Sets werden abwechslungsreicher, sie kommen leichter an echte Raritäten und niegel-nagel-neue Stücke. Aber das Netz macht auch Probleme, meint Blazer:

    "Der Handel im Internet hat auch dazu geführt, dass Plattenläden jetzt massiv in den Städten sterben. Die kleinen Plattenläden, wo jetzt einer drinsitzt, der noch alles mit Registerkarten macht oder mit einem alten DOS-Computer, wo alles drin steht - das ist nicht mehr zeitgemäß."

    Und Kursiefen sieht ein weiteres Problem. Im immer wachsamen Internetmarkt können renommierte DJs die Preise hochtreiben. Legen sie ihre Hand auf eine Scheibe, dann steht der Preis schnell nicht mehr im Verhältnis zum eigentlichen Wert.

    "Also Stücke, die lange irgendwie ihr kümmerliches Dasein gefristet haben, zum Beispiel nach so einer Platzierung, auf einmal drei- oder viermal so teuer sind."

    Doch unterm Strich sind sowohl der DJ-Veteran als auch der junge Einsteiger ziemlich zuversichtlich, was die Symbiose zwischen Internet und DJs angeht. Plattensammeln, sich musikalisch ausrüsten - das war jedenfalls noch nie so leicht wie heute.