Wie ein Triptychon stehen drei riesige Leinwände nebeneinander, und auf jeder von ihnen ist etwas anderes zu sehen: Eine menschenleere Ruinenstadt in der Wüste auf dem einen, auf der anderen eine Gruppe Afrikaner, die in ihren farbigen Tuniken wirken, als stellten sie eine antike römische Senatsversammlung nach, und auf der dritten eine Schar fast nackter Tänzer in einem mit prachtvollen, blau-goldenen Ornamenten ausgemalten Innenraum.
Was hier so scheint, als hätte es inhaltlich nichts miteinander zu tun, erlaubt jedoch im Zusammenspiel der verschiedenen Eindrücke auf eine unmittelbar sinnliche und emotionale Weise, etwas über die Ambivalenzen des Fortschritts und den Zusammenprall der Kulturen gerade in unserer Zeit zu erfahren. Diese Aspekte sind Brigitte Maria Mayer bei Heiner Müllers Shakespearekommentar besonders wichtig, geht es darin doch um den Untergang des römischen Reiches respektive des alten Europa, und die entschlossenen Weltmachtsansprüche der unterdrückten, als Barbaren diffamierten Völker mit anderen Werten, Gesetzen, Religionen. Und das ist ein Thema, das nach dem 11.September bekanntlich verstärkt an Brisanz gewonnen hat.
Namhafte Regisseure wie Johan Simons oder Dimiter Gotscheff haben sich bemüht, Müllers an diesem globalen Klassenkampf entzündete aberwitzige Bilderwut durch szenische Reduktion und asketische Textexegese zu bewältigen. Brigitte Maria Mayer nun wagt mutig den entgegen gesetzten Weg: In ihrer filmischen Installation "Anatomie Titus" erfindet sie nämlich neue, nicht weniger verwegene Bilder, deren symbolische Ordnung sich aus der historischen Differenz zwischen der Zeit des Dramas und der Jetztzeit entwickelt. Dabei geht sie von Müllers Kommentarebene und der Überlegung aus, welche Obrigkeit mit welcher Ideologie mittlerweile die Funktion jenes einst allmächtigen Rom übernommen haben könnte. Kunstvoll assoziierende, bei aller mitschwingenden Bedrohlichkeit bestürzend schöne Filmsequenzen lassen dieses souverän komponierte Bildwerk, das sie selbst als einen "visuellen Passionsweg durch die Moderne" bezeichnet, zu einer Heiner-Müller-Interpretation für das 21. Jahrhundert werden.
Gedreht wurde zumeist unter freiem Himmel in Asien und Afrika sowie in einem Berliner Studio. Ohne jede touristische Vertraulichkeit erscheinen Wolkenkratzer aus Dubai, Ruinen aus der syrischen Oasenstadt Palmyra oder gewaltige Wasserströme am chinesischen Drei-Schluchten-Damm als Relikte kalter, ferner, verschwundener oder verschwindender Imperien.
Durch den parabelhaft verdichteten Handlungsbogen führen die zwei zentralen Frauenrollen des Stücks, die gestandene Gotenkönigin Tamora und Lavinia, die jugendliche Tochter des römischen Feldherrn Titus Andronikus. Diese wird von Anna Müller verkörpert, der Tochter von Brigitte Maria Mayer und Heiner Müller. Für die Rolle der Tamora wurde die große französische Schauspielerin Jeanne Moreau gewonnen, bei der die angebliche Barbarin zu einer ganz heutigen, nonchalant abgebrühten Salon-Schamanin wird, vor deren Augen man förmlich Kontinente versinken sieht, selbst wenn sie nur eine Zigarette raucht und vage lächelt.
Am Schluss ist, jenseits der Sprache, der Fotos und der beschworenen Gräuel, im Dunkeln einzig noch Johann Sebastian Bachs Choral "Komm, süßer Tod" zu hören - der Schrecken hat kein Ende, aber die Schönheit auch nicht. Dass die Schönheit freilich, wie es Brigitte Maria Mayer zeigt, im Sinne von Rilke und dessen Duineser Elegien "alles Schrecklichen Anfang" ist und für immer neues Ungemach sorgt, spricht erst recht für diesen hellsichtigen Film.
Was hier so scheint, als hätte es inhaltlich nichts miteinander zu tun, erlaubt jedoch im Zusammenspiel der verschiedenen Eindrücke auf eine unmittelbar sinnliche und emotionale Weise, etwas über die Ambivalenzen des Fortschritts und den Zusammenprall der Kulturen gerade in unserer Zeit zu erfahren. Diese Aspekte sind Brigitte Maria Mayer bei Heiner Müllers Shakespearekommentar besonders wichtig, geht es darin doch um den Untergang des römischen Reiches respektive des alten Europa, und die entschlossenen Weltmachtsansprüche der unterdrückten, als Barbaren diffamierten Völker mit anderen Werten, Gesetzen, Religionen. Und das ist ein Thema, das nach dem 11.September bekanntlich verstärkt an Brisanz gewonnen hat.
Namhafte Regisseure wie Johan Simons oder Dimiter Gotscheff haben sich bemüht, Müllers an diesem globalen Klassenkampf entzündete aberwitzige Bilderwut durch szenische Reduktion und asketische Textexegese zu bewältigen. Brigitte Maria Mayer nun wagt mutig den entgegen gesetzten Weg: In ihrer filmischen Installation "Anatomie Titus" erfindet sie nämlich neue, nicht weniger verwegene Bilder, deren symbolische Ordnung sich aus der historischen Differenz zwischen der Zeit des Dramas und der Jetztzeit entwickelt. Dabei geht sie von Müllers Kommentarebene und der Überlegung aus, welche Obrigkeit mit welcher Ideologie mittlerweile die Funktion jenes einst allmächtigen Rom übernommen haben könnte. Kunstvoll assoziierende, bei aller mitschwingenden Bedrohlichkeit bestürzend schöne Filmsequenzen lassen dieses souverän komponierte Bildwerk, das sie selbst als einen "visuellen Passionsweg durch die Moderne" bezeichnet, zu einer Heiner-Müller-Interpretation für das 21. Jahrhundert werden.
Gedreht wurde zumeist unter freiem Himmel in Asien und Afrika sowie in einem Berliner Studio. Ohne jede touristische Vertraulichkeit erscheinen Wolkenkratzer aus Dubai, Ruinen aus der syrischen Oasenstadt Palmyra oder gewaltige Wasserströme am chinesischen Drei-Schluchten-Damm als Relikte kalter, ferner, verschwundener oder verschwindender Imperien.
Durch den parabelhaft verdichteten Handlungsbogen führen die zwei zentralen Frauenrollen des Stücks, die gestandene Gotenkönigin Tamora und Lavinia, die jugendliche Tochter des römischen Feldherrn Titus Andronikus. Diese wird von Anna Müller verkörpert, der Tochter von Brigitte Maria Mayer und Heiner Müller. Für die Rolle der Tamora wurde die große französische Schauspielerin Jeanne Moreau gewonnen, bei der die angebliche Barbarin zu einer ganz heutigen, nonchalant abgebrühten Salon-Schamanin wird, vor deren Augen man förmlich Kontinente versinken sieht, selbst wenn sie nur eine Zigarette raucht und vage lächelt.
Am Schluss ist, jenseits der Sprache, der Fotos und der beschworenen Gräuel, im Dunkeln einzig noch Johann Sebastian Bachs Choral "Komm, süßer Tod" zu hören - der Schrecken hat kein Ende, aber die Schönheit auch nicht. Dass die Schönheit freilich, wie es Brigitte Maria Mayer zeigt, im Sinne von Rilke und dessen Duineser Elegien "alles Schrecklichen Anfang" ist und für immer neues Ungemach sorgt, spricht erst recht für diesen hellsichtigen Film.