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Vivaldi von der Spitze der Barockgeiger

Heute stellen wir Ihnen Violinkonzerte von Antonio Vivaldi vor, die erste Folge von "Concerti per violino" im Rahmen der Vivaldi Edition, die unter dem Titel "La caccia" beim französischen Label Naïve erschien. Die Interpreten sind Enrico Onofri, der auch die künstlerische Leitung hat, sowie die Academia Montis Regalis.

Im Studio Christiane Lehnigk. |
    Musikbeispiel: Antonio Vivaldi - aus: Concerto D-dur RV 234 L’Inquietudine

    Dies war der erste Satz aus Vivaldis Violinkonzert D-dur Ryom-Verzeichnis 234, das wie vier weitere der sechs Concerti auf dieser CD einen programmatischen Titel trägt: hier ist das Werk mit L’Inquietudine, "Die Unruhe" überschrieben. Dem Komponisten ging es wohl darum, eine Gemütsverfassung möglichst plastisch zu beschreiben, und Enrico Onofri und der Academia Montis Regalis ist es auf beeindruckende Weise gelungen, die Verzweifelung und Wut des "Protagonisten" darzustellen und ein geradezu verstörendes Klanggebilde zu schaffen.

    Die dreisätzigen Konzerte, die für diese erste Ausgabe der Concerto per violino im Rahmen der Vivaldi-Edition ausgesucht wurden, gehören nicht unbedingt zu den bekanntesten und nach dem Anhören der CD weiß man eigentlich nicht, warum das so ist. Sie können in ihrer Virtuosität und Musikalität durchaus neben den "Vier Jahreszeiten" bestehen, sind in vielen Passagen sogar noch origineller und bieten einem Virtuosen alle Möglichkeiten, sein Können unter Beweis zu stellen. Onofris Interpretation lässt hierbei keine Wünsche offen, er hat die Partien mit einer Präzision bis ins letzte Detail ausgezirkelt und es ist ihm dennoch , höchst sensibel unterstützt von der Academia Montis Regalis, eine undogmatische, lebendige und schwungvolle Einspielung gelungen. Bei Vivaldi werden alle Register musikalischer barocker Rhetorik gezogen, die, zu seiner Zeit eigentlich schon großenteils zu stereotypen Mustern erstarrt war. Das Herausarbeiten der folkloristischen Details, zeigt, dass diese schon in Vivaldis Musik enthalten sind, und nicht, wie zum Beispiel beim "O’Stravaganza"-Projekt von Hughes de Courson, künstlich hergestellt werden müssen.

    Im D-dur Concerto Ryom-Verzeichnis 208 mit dem Titel Grosso Mogul finden sich, so Onofri, zum Beispiel Anklänge an so genannte "Zigeunermusik", die damals, wie auch die türkische Musik sinnbildlich für exotisches Kolorit stand, wobei hier aber eigentlich die Musik Indiens gemeint war.

    Musikbeispiel: Antonio Vivaldi - aus: Concerto RV 208

    So kann Vivaldi also auch klingen! Und Enrico Onofri und die Academia Montis Regalis zeigen mit ihrer Aufnahme, welche Klangspektren in den Violinkonzerten stecken.

    Die unterschiedlichsten Elemente wie Melancholie, Ironie, Dramatik, Karikatur, Introversion, Sinnlichkeit, Kraft, Zartheit und Eleganz, dies alles haben die Musiker bei Vivaldi ausmachen können.

    Die Concerti, die für diese Einspielung ausgesucht wurden, tragen bis auf eine Ausnahme alle programmatische Titel, es sind aber nicht, wie bei den Vier Jahreszeiten, erläuternde Gedichtzeilen hinzugefügt. So kann man sich, so Onofri, selbst Geschichten dazu ausdenken, die vielleicht abstrakter sein können, aber nicht weniger dramatisch sein müssen.

    Diese Aufnahme ist die erste Folge von Violinkonzerten, die im Rahmen des Vivaldi Projektes Paris-Turin erschienen ist.

    DieVivaldi Edition ist ein gemeinsames Projekt zwischen dem französischen Label Naïve, dem Istituto per i beni musicali in Piemonte und der Biblioteca Nazionale Universitaria di Torino, in der heute rund 450 Manuskripte Vivaldis aufbewahrt werden, 90 davon allein Violinkonzerte. Diese Musik ganz unterschiedlicher Genres, die seit dem 18.Jahrhundert großenteils in Vergessenheit geraten war, soll der internationalen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und Bekannteres in neuen Interpretationen präsentiert werden. Seit 2001 sind schon 24 Veröffentlichungen herausgekommen und über 270.000 CDs verkauft worden und es sind in den nächsten 10 Jahren noch weitere 50 geplant. Ein erfolgreiches Unternehmen also, das ohne eine Reihe von Sponsoren nicht möglich wäre. Der Edition, die auch eine Vielzahl von Konzerten möglich macht, ist es auch zu verdanken, dass Vivaldi als einfallsreicher Opern-Komponist wieder ins Bewusstsein gerückt ist.

    Hören Sie hier den 1.Satz aus dem Violin- Konzert "Il Riposo", "Die Ruhe", das auch eine Opernszene sein könnte. Zu spielen, so der Komponist, "immer ohne Cembalo" und alle Streichinstrumente "sordini", also gedämpft.

    Es ist ein für Vivaldi in der Tonart typisches Stück in strahlendem E-dur, das Bilder von Schlaf und Träumen hervorruft.

    Musikbeispiel: Antonio Vivaldi - aus: Concerto E-dur RV 270 "Il Riposo”

    Enrico Onofri gehört mit zur Spitze renommierter Barockgeiger. Geboren in Ravenna, studierte er Violine in seiner Heimatstadt und in Mailand und begann schon früh die Zusammenarbeit mit verschiedenen italienischen Barock-Ensembles, vor allem mit Il Giardino Armonico, dessen Konzertmeister und Solist er seit 1987 ist.

    Er war zudem Konzertmeister bei der Capilla Reial von Jordi Savall und verschiedenen anderen renommierten Ensembles. Seine Aufnahmen mit Musik des 17. und 18.Jahrhunderts wurden mit den bedeutendsten internationalen Musikpreisen ausgezeichnet.

    Im Jahre 2000 gründete er das Ensemble Imaginarium, dessen Schwerpunkt auf der italienischen Musik des 17.Jahrhunderts liegt. Seit dieser Zeit lehrt Onofri auch am Conservatorio Bellini in Palermo, wo er auch das Orchestra di Dipartimento di Musica Antica dirigiert. Er half, das portugiesische Barockorchester Divino Sospiro aufzubauen und ist Gastdirigent bei der Academia Montis Regalis, mit der er hier die erste CD der Violinkonzerte von Vivaldi im Rahmen der Vivaldi-Edition aufgenommen hat.

    Die Academia Montis Regalis ist ein Orchester, das barocke und klassische Musik auf historischem Instrumentarium spielt und seit 1994 besteht. Es arbeitet mit einer Vielzahl renommierter Dirigenten der internationalen Alte-Musik-Szene zusammen und wurde in den letzten Jahren vor allem von Alessandro de Marchi geleitet, der in der vorliegenden Aufnahme auch als Cembalist zu hören ist. Einen Schwerpunkt setzt die Accademia Montis Regalis vermehrt auch auf Opernproduktionen.

    Gemäß historischer Aufführungspraxis ist das Orchester bei den Violinkonzerten von Vivaldi in den oberen Streichern mit acht Mitgliedern relativ klein besetzt, dem steht ein unterschiedlich besetztes, umfangreiches Continuo zur Verfügung, mit Violoncello, Kontrabass, Fagott, Theorbe, Erzlaute, Harfe und Cembalo, ein Mittel mehr, um diese Musik so abwechselungsreich wie möglich zu gestalten. Bei der Realisierung des Basso continuo hat sich Onofri an den Anweisungen von Francesco Gasparini orientiert, für ihn die einzig historisch korrekte Lösung und zugleich bestens dazu geeignet, die Außergwöhnlichkeit bestimmter Passagen zu beleuchten.

    Hören Sie Enrico Onofri und die Academia Montis Regalis zum Abschluss noch mit zwei Sätzen aus einem der bekannteren Violinkonzerte mit dem Titel La Caccia, "Die Jagd".

    Musikbeispiel: Antonio Vivaldi - aus: Concerto RV 362 "La Caccia”

    Die Neue Platte im Deutschlandfunk. Heute mit Violinkonzerten von Antonio Vivaldi, gespielt von Enrico Onofri und der Academia Montis Regalis. Dies ist die erste Folge von Concerti per violino, die im Rahmen der Vivaldi-Edition beim französischen Label Naïve erscheint.

    Titel: Vivaldi
    Concerti per violino I
    "La caccia"
    Solisten: Academia Montis Regalis
    Enrico Onofri, Violine und Leitung
    Label: Naive, LC-05718
    Bestell-Nr.: OP 30417 (Vivaldi Edition Vo. 29)