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Volksabstimmung
Schweizer Votum enttäuscht Europa

Das Ergebnis der Volksabstimmung "Gegen Masseneinwanderung" in der Schweiz ist in Deutschland und Europa auf Kritik gestoßen. 50,3 Prozent der Wähler hatten am Sonntag für die Initiative der national-konservativen Schweizer Volkspartei (SVP) gestimmt.

10.02.2014
    Das Schweizer Votum in der Volksabstimmung "Gegen Masseneinwanderung" hat Europa enttäuscht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht den Ausgang aber auch als Signal für die deutsche Politik. "Es zeigt natürlich, dass in dieser Welt der Globalisierung die Menschen zunehmend Unbehagen gegenüber einer unbegrenzten Freizügigkeit haben", sagte er. "Ich glaube, das müssen wir alle ernst nehmen", sagte der Politiker weiter. "Wir bedauern diese Entscheidung. Das wird eine Menge Schwierigkeiten für die Schweiz verursachen."
    Scharfe Kritik von SPD und Linkspartei
    Scharfe Kritik an der Schweiz kam von SPD und Linkspartei."Geistige Abschottung kann leicht zur Verblödung führen", sagte SPD-Parteivize Ralf Stegner. Linke-Parteichef Bernd Riexinger forderte als Konsequenz die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen. "Wenn die Schweiz ihre Grenze für Menschen schließt, dann ist es nur gerecht, wenn auch das Geld draußenbleibt", sagte er dem "Handelsblatt".
    Die europakritische Alternative für Deutschland (AfD) hingegen will sich offenbar bei der Kontrolle der Einwanderung ein Beispiel an der Schweiz nehmen. "Unabhängig vom Inhalt des Schweizer Referendums ist auch in Deutschland ein Zuwanderungsrecht zu schaffen, das auf Qualifikation und Integrationsfähigkeit der Zuwanderer abstellt und eine Einwanderung in unsere Sozialsysteme wirksam unterbindet", forderte AfD-Sprecher Bernd Lucke. Dafür sollten in Deutschland gegebenenfalls Volksabstimmungen ermöglicht werden. Sie zeigten, welche Probleme von den Altparteien vernachlässigt würden.
    EU sorgt sich um Abkommen
    Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok, kritisierte das Votum: "Das ist schon ein Schlag", sagte der CDU-Politiker. "Wir können das nicht widerspruchslos hinnehmen". Die Schweiz genieße große Vorteile, "weil sie ein Stück weit in die Europäische Union integriert ist“. Sie brauche außerdem "qualifizierte Arbeitskräfte".
    Die EU-Kommission sorgt sich um die vereinbarten Abkommen. "Die Europäische Kommission bedauert, dass eine Initiative zur Einführung mengenmäßiger Beschränkungen der Einwanderung durch diese Volksabstimmung angenommen wurde", hieß es in einer in Brüssel veröffentlichten Erklärung.
    Abschottung verletzt europäische Prinzipien
    Eine Abschottung der Schweizer verletze außerdem das Prinzip des freien Personenverkehrs zwischen der Europäischen Union und der Schweiz. Man werde nun die Folgen dieser Initiative für die Gesamtbeziehungen zwischen der EU und der Schweiz analysieren. "In diesem Zusammenhang wird auch die Position des Bundesrates zum Abstimmungsergebnis berücksichtigt werden." Der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, ermahnte die Schweizer, sie könnten nicht nur die Vorteile des großen europäischen Binnenmarktes für sich in Anspruch nehmen.
    Schweizer Bundespräsident: Ausgestaltung offen
    Der Schweizer Bundespräsident Didier Burkhalter beteuerte derweil, dass die Schweiz auch nach der Volksabstimmung ihren Kurs gegenüber der Europäischen Union nicht grundsätzlich ändern will. Der Schritt, eine Höchstgrenze für Einwanderer festzulegen, werde das Verhältnis zur EU zwar stark prägen, sagte er am Sonntag. Allerdings seien viele Fragen der Ausgestaltung noch offen.
    Schweizer Wirtschaftsvertreter sorgen sich um Folgen des Entscheids: "Wir werden jetzt in eine Phase der Unsicherheit einbiegen", sagte der Präsident des Schweizer Arbeitgeberverbands, Valentin Vogt, im Schweizer Fernsehen. Unsicherheit sei für die Wirtschaft schlimmer als schlechte Nachrichten. Die stark exportorientierte Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie fürchtet demnach beträchtliche Nachteile im Handel mit der EU.