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Vom Acker auf den Müll

Die Hälfte aller Lebensmittel wird weggeworfen, in Deutschland mehr als zehn Millionen Tonnen unverdorbenen Essens im Jahr. Filmemacher Valentin Thurn ist den Spuren der Verschwendungssucht gefolgt.

Von Verena Kemna | 18.02.2011
    Jeder zweite Salat, jede zweite Kartoffel, jedes fünfte Brot werden weggeworfen. Das meiste wird bereits kurz nach der Produktion als Müll aussortiert. Viele Lebensmittel schaffen es gar nicht erst in die Regale der Supermärkte. So werden allein in Deutschland etwa zehn Millionen Tonnen Lebensmittel jedes Jahr einfach weggeschmissen. Filmemacher Valentin Thurn ist den Spuren der Verschwendungssucht gefolgt.

    "Tatsächlich ist es so, dass wir vom Feld bis zum Verbraucher ungefähr die Hälfte der Lebensmittel wegwerfen. Also wir produzieren doppelt so viel wie wir essen. Das hat Folgen, die sind dramatisch für´s Klima, für den Welthunger. Es ist ja nicht so, dass wir unsere restlichen Brötchen nach Afrika schicken könnten. Aber der Weizen, den wir dafür verbrauchen der wird dem Weltmarkt entzogen, wo ohnehin die Preise schon sehr hoch sind und dadurch noch höher werden. Das ist das eigentliche Drama was sich da abspielt."

    Verschwendungssucht mit Folgen für das Weltklima, erklärt Valentin Thurn. Er hat mit Bauern, Supermarkt-Direktoren, Müllarbeitern und Köchen auf der ganzen Welt gesprochen. Sein Fazit: Es klingt banal, aber nur wer um die Qualität von Lebensmitteln weiß, kann dem Essen genügend Wertschätzung entgegen bringen. Nicht alle Kartoffeln in einem Netz müssten gleich groß sein, nicht alle Tomaten müssten gleich aussehen. Viele Verbraucher wüssten nicht, dass reife Bananen eben nicht grün und gelb sondern eher gelb und braun sind. Werden aber nur die grünen gekauft, landen die anderen automatisch auf dem Müll. Jeder einzelne kann etwas tun, meint Valentin Thurn.

    "Ich habe letztens ein Gebinde von acht Birnen gehabt. Da war eine ein bisschen faulig. Da habe ich gesagt, kann ich die rausnehmen und ersetzen? Nein, geht nicht, weil es ja in einem Netz ist, kriege ich sie denn billiger ? Nein, ich werfe sie jetzt weg. Also solche Fragen und den Ärger der Kunden, wenn die Händler das täglich einmal hören, dann werden die sich was anderes überlegen, weil sie ja ihre Kunden zufrieden stellen wollen."

    Kreativität ist gefragt, auch bei den Händlern. Er erinnert sich an die erfolgreiche Aktion eines holländischen Einzelhändlers.

    "Wenn ihr was entdeckt im Regal, zwei Tage oder kürzer vor Ablauf, kriegt ihr das umsonst, und das dreht komplett die Optik um, die Kunden suchen nicht mehr nach den Sachen, die am längsten Laufzeit haben sondern am kürzesten. Sie wissen ja, sie kriegen es umsonst mit."

    Mathilde, Divine und Elena, 13 und 14 Jahre alt, hat der Dokumentarfilm nachdenklich gemacht.

    "Ich fand es sehr extrem, wie viel weggeworfen wird und dass in Frankreich alles zusammen gequetscht und weggeworfen wird, sodass man es auch nicht mehr für die Tafel verwenden kann. Oder dass es in Amerika Farbscanner für die Tomaten gibt, wenn sie nicht richtig rot sind, dass sie dann aussortiert werden."

    Die drei Schülerinnen haben sich etwas vorgenommen. Sie wollen keine Schulbrote mehr wegschmeißen, weniger Fast-Food essen und öfter auf dem Markt einkaufen.

    "Man nimmt ja eigentlich immer die schönsten Sachen, die, die nicht so schön sind, werden ja dann weggeschmissen. Man könnte ja als Laden das krumme Gemüse zusammenpacken, also krumme Gurke, krumme Paprika, die komisch aussehen und das in einer Sammlung verkaufen. Das sieht einfach vielfältiger aus und interessanter und wenn man jetzt kocht und jemanden einlädt, sieht das doch viel schöner aus, wenn man mal außergewöhnliche Sachen hat, das wäre doch vielleicht ein Anreiz."