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Wie ernähren wir die Weltbevölkerung 2050?

Auf neun Milliarden prognostizieren Experten der Vereinten Nationendie Weltbevölkerung im Jahr 2050. Wie die Ernährung für all diese Menschen nachhaltig sichergestellt werden kann, haben das Agrarforschungsinstitut INRA und das Forschungsinstitut für Entwicklungshilfe im Agrarbereich CIRAD untersucht. Sie haben heute in Paris die Ergebnisse ihrer Studie "Agrimonde" vorgestellt.

Von Suzanne Krause | 07.10.2009
    Die französischen Forscher haben zwei Szenarien durchgespielt, mit denen die Ernten gesteigert werden könnten. Option 1: ein radikaler Kurswechsel hin zu ökologischen Anbaumethoden. Option 2: vermehrter Einsatz von Technik, also Kunstdünger, Pestizide, produktiveres Saatgut bis hin zu Gentech. Die Autoren der Agrimonde-Studie halten fest: In beiden Fällen scheint es möglich, die Weltbevölkerung ernähren zu können. Projektleiter Sebastien Treyer arbeitet bei Agrotech in Paris zur Umweltzukunftsforschung:

    "Wir wollten bei beiden Szenarien die Schwachstellen herausfinden und woran wir in den kommenden Jahren intensiv arbeiten müssen. Wir haben es hier mit sehr optimistischen Szenarien zu tun. Ich selbst kann gar nicht sagen, bei welchem der beiden der Erfolg unwahrscheinlicher oder wahrscheinlicher wäre."

    Für ihren Zukunftsausblick studierten die Autoren seit 2006 die Entwicklung der vergangenen vier Jahrzehnte. Mit Kriterien wie: die Zunahme der bestellten Agrarfläche oder auch der Anstieg der Kilokalorienproduktion pro Hektar Feld. Treyer warnt vor: Die Studie sagt bei keinem der beiden Szenarien, wie sie konkret umgesetzt werden können. Doch der Forscher gibt zu: Was ihm und seinen Kollegen am meisten am Herzen liegt, ist die erste Option: der Ausbau der ökologisch orientierten Landwirtschaft.

    "Beim ökologischen Anbau geht es nicht nur um Bioanbau. Die Forscher sollen sich damit beschäftigen, wie man auch bei herkömmlichen Agrarbetrieben die Ernten steigern kann mit Methoden, die heute noch in den Kinderschuhen stecken. Ein Beispiel: integrierte Schädlingsbekämpfung. Gebraucht werden Studien, die Aufschluss geben, welchen Einfluss die Anordnung von Feldparzellen hat, das jeweilige Ökosystem bei der Bekämpfung von Pflanzenschädlingen durch natürliche Feinde. Damit sich die Erträge erhöhen lassen ohne Einsatz von künstlichem Dünger und Pestiziden."

    In der optimistischen Zukunftsstudie von Agrimonde geht es auch um Problemregionen: Nordafrika und der Mittlere Orient, Asien. Vor allem aber Schwarzafrika. Diese Regionen werden sich nicht selbst ernähren können, heißt es in beiden Szenarien der Studie Agrimonde. Die OECD-Staaten, Lateinamerika und die ehemalige Sowjetunion werden sie dann mit Nahrungsmitteln versorgen müssen. Treyer postuliert: Es braucht eine neue Politik, den künftigen Handel zu regulieren.

    "Unsere Szenarien zeigen: Dieser Handel wird zunehmen. Es muss verhindert werden, dass dies negative Auswirkungen hat für die Agrarentwicklung dieser benachteiligten Regionen. Es müssen Mittel gefunden werden, damit diese Regionen die Lebensmittelimporte bezahlen können. Auf diese Fragen haben wir keine Antwort, aber sie sind wohl das Herzstück der künftigen Herausforderungen."

    Mehr Nahrung zu produzieren bedeutet auch: mehr Ackerfläche. Bei intensiverem Chemikalieneinsatz müsste ein Fünftel mehr Ackerland bestellt werden. Bei verstärktem Ökoanbau sogar mehr als ein Drittel. Das kollidiert mit dem Klimaschutz. Denn Brachland bindet klimaschädliches Kohlendioxid weitaus besser als bestellte Felder. Nötig sind also neue Methoden, CO2 zu neutralisieren, resümiert Sébastien Treyer. Ein weiteres Stichwort in der Zukunftsstudie Agrimonde: mehr Gerechtigkeit beim Thema Welternährung. Zwar bringt es dem Süden nichts, wenn die Menschen im Norden weniger essen würden. Trotzdem sollten wir Europäer unser Konsumverhalten überdenken, empfiehlt Forscher Treyer:

    "Bei unserer Arbeit stießen wir auf eine Zahl, die uns sehr erstaunt hat: Die Kühlschränke der Bürger in Industrieländern enthalten Lebensmittel mit 4000 Kilokalorien für den täglichen Verzehr. Dabei nehmen wir pro Tag nur 2000 Kilokalorien zu uns. In der Lebensmittelindustrie wurde in den vergangenen Jahren viel gegen Verschwendung getan. Nun sollten wir das Thema auch beim Endverbraucher anschauen."