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Vom Chefkoch in die Obdachlosigkeit

Der 41-jährige Panagiotis arbeitete früher als Chefkoch. Durch die Krise verlor er seinen Job, seine Eigentumswohnung und landete auf der Straße. Inzwischen wohnt er in einem Wohnheim einer Athener Nichtregierungsorganisation - als einer von vielen "Neo-Obdachlosen".

Von Steffen Wurzel |
    Ein kleiner Innenhof in einem Stadtviertel im Westen von Athen. Zitronenbäume wachsen im Hof, drum herum stehen einige bunt zusammengewürfelte Gartenmöbel. Die Atmosphäre ist freundlich und gemütlich. Zehn, fünfzehn Frauen und Männer sitzen oder stehen herum, trinken Kaffee und unterhalten sich, einige spielen Backgammon. Der Innenhof gehört zu einem Obdachlosenheim der Hilfsorganisation Klimaka. Einer der Bewohner ist der 39-jährige Panagiotis.

    "Ich bin aus allen Wolken gefallen. Ich dachte, das kann mir doch nicht passieren! Das war wie in einem schlechten Film. Es ist mir auch sehr schwer gefallen, mich damit abzufinden. Wenn mich meine Freunde nicht aufgefangen hätten und wenn es Klimaka nicht gegeben hätte, hätte ich mir vielleicht etwas angetan. Ich hab' da oft drüber nachgedacht."

    Bis vor gut einem Jahr hat Panagiotis als Chefkoch in großen Hotels und Restaurants in Athen gearbeitet. Doch im Zuge der Krise hat er seinen Job verloren. Und als er die Raten seines Immobilienkredits nicht mehr zahlen konnte, verlor er auch seine Eigentumswohnung an die Bank. Zunächst kam er bei Freunden unter, doch schließlich landete er auf der Straße.

    "Ich schäme mich so sehr. Vor meinen Brüdern vor allem. Die wissen gar nicht, dass ich obdachlos bin. Sie wissen zwar, dass ich meine Wohnung verloren habe, glauben aber, dass ich jetzt irgendwo zur Miete wohne und dass ich arbeite. Ich hab ihnen nichts gesagt. Wir haben auch keinen engen Kontakt mehr."

    Es gebe inzwischen eine ganz neue Kategorie von Obdachlosen, sagt Anda Alamanou, sie arbeitet ehrenamtlich für die Athener Hilfsorganisation Klimaka.

    "Das sind Leute, die jetzt wegen der Krise und der gestiegenen Arbeitslosigkeit auf der Straße leben müssen. Menschen, mit mittlerem und hohem Bildungsgrad. Bisher hatten diese Menschen einen guten Lebensstandard."

    "Neo-Obdachlose", also "Neu-Obdachlose" werden Menschen wie Panagiotis in Griechenland inzwischen genannt. Bevor sie auf der Straße landeten, haben sie im Gegensatz zu vielen "traditionellen" Obdachlosen ein normales Leben geführt: ohne Drogen, ohne kriminellen Hintergrund und ohne größere familiäre Probleme.

    "Besonders gefährdet sind Menschen, die kurz vor der Rente stehen und dann ihre Arbeit verlieren. Diese Leute finden nur noch sehr schwer eine neue Arbeit. Sie stürzen dann in diese extreme Art der Armut. Das sind die Leute, die wir hier in Athen oft sehen, die in Mülleimern nach Essen suchen. Jedes Mal ein sehr trauriges und bewegendes Bild."

    Der ehemalige Chefkoch Panagiotis hat Glück im Unglück. Er hat einen der gefragten Plätze hier im Wohnheim bekommen. Jeden Tag kommen neue Anfragen von Betroffenen rein, fast allen müssen die Klimaka-Leute wegen fehlender Plätze absagen. Panagiotis wohnt im ersten Obergeschoss, direkt über dem Innenhof, in einem Vierbettzimmer. Es sieht aus wie eine kleine Studentenbude, ohne großen Komfort. Doch Panagiotis ist trotzdem zufrieden.

    "Inzwischen habe ich gelernt, dass die kleinen Dinge glücklich machen. Man braucht nicht den vermeintlich großen Dingen hinterherzujagen. Wenn Du eine Freundin hast, die Dich unterstützt, und Kinder, die Du aufwachsen siehst, eine Arbeit, die Spaß macht, ... das sind die wirklich wichtigen Dinge im Leben."