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Vom Düsenjet zur Solarpanele

Er hat den ersten Düsenjet der Welt konstruiert. Die Rede ist von Ludwig Bölkow. Seine Karriere hat er im Dritten Reich mit der Konstruktion und Optimierung von Kampfflugzeugen begonnen. Nach dem Krieg blieb er dem Waffenfach treu und fertigte als Rüstungsindustrieller - mit Staatshilfe - fast alles, was in der Branche gut und teuer war.

Von Mathias Schulenburg | 30.06.2012
    Da findet wieder ein Kampf statt, vielleicht siebeneinhalbtausend Meter über unseren Köpfen, die Luftabwehrkanonen haben um die sechs Runden gefeuert und - ooooh, wir haben eine Messerschmitt getroffen, wundervoll, sie kommt definitiv runter!

    Ein Luftkampf über dem Ärmelkanal, 1940. Die abgeschossene Messerschmitt Me-Bf-109 war offenbar mit Mängeln behaftet, denn der junge Konstrukteur Ludwig Bölkow, geboren am 30. Juni 1912 in Schwerin, wurde mit seinem Büro beauftragt, die Konstruktion des Jagdflugzeugs zu sichten und gegebenenfalls zu korrigieren:

    "Ich hab' dann die Me-109 überarbeitet, 30.000 Fehler waren in den Zeichnungen, mit einer kleinen Mannschaft, die ich begeistern konnte, und wir waren im Jahre 1943 so schnell wie die neuesten amerikanischen Entwicklungen, der Mustang, mit der uralten Me-109. Ich habe dann immer jeweils sehr extrem schwierige Aufgaben übernommen und teilweise habe ich dann später den Herrn Messerschmitt nach Berlin begleitet, und da können Sie sich die Gesprächspartner vorstellen."

    In der Tat: Anfang April 1945 - die finale Schlacht um Berlin stand unmittelbar bevor - besuchte Bölkow zusammen mit seinem Chef Willy Messerschmitt Adolf Hitler in der schon schwer zerstörten Reichskanzlei. Der Diktator wünschte sich von den Konstrukteuren einen Höhenbomber, mit dem er den Panamakanal hätte ausschalten können.

    Zu Beginn seiner Karriere bei Messerschmitt hatte Bölkow an einer Entwicklung teilgenommen, die als ingenieurstechnische Meisterleistung gilt, der Entwicklung des ersten Düsenflugzeugs der Welt, einer Art Wunderwaffe:

    " ... und einige kühne Vorschläge - wir hatten noch keine Computer damals - mit denen ich diesen Riesenrechenwust, der vor uns lag, etwas intuitiv überbrücken konnte, hatten großen Erfolg, und so hatte ich in meiner ersten Zeit dort, das war einer meiner Dinge wo ich noch heute darauf stolz bin, Wesentliches dazu beigetragen, dass diese berühmte Messerschmitt 262 ihre Form bekam: Flügelprofile, Rumpfprofile, Leitwerkslagen und Ähnliches."

    Die von Bölkow verbesserte Version der Me-109 war der Star der deutschen Luftwaffe und nach Ansicht britischer Experten das damals beste Jagdflugzeug der Welt.

    Dann war der Krieg zu Ende und viele der deutschen Fachleute, die ihn verlängert hatten, gingen in die Sowjetunion oder die USA, um dort ihr waffentechnisches Wissen weiter zu geben und so ihre Karriere fortzusetzen. Ludwig Bölkow war nicht darunter:

    "Einmal hatte ich meine Familie in Mecklenburg, in meinem Heimatort, bei meinen Eltern, und trotz der Zusage, dass die rausgeholt würden, war eigentlich bei mir in diesen Tagen des Niederbruchs und des Verhörs, dass wir eigentlich mit der Zeit merkten, dass wir hervorragende Leute gewesen waren und damals noch waren. Dass wir etwas können. Da tauchte bei mir diese Frage der Verantwortung, der politischen und moralischen Verantwortung gegenüber der Bundesrepublik oder [dem] damaligen Deutschen Reich auf, und ich habe gesagt, das, was wir können, sollten wir eigentlich, nachdem wir ja nun mithilfe der Gemeinschaft alles geworden sind, wieder - dieses flache Wort heute - der Gesellschaft zugutekommen lassen. Ich konnte mich nicht überwinden, wegzugehen."

    1946 gründete Bölkow in Stuttgart ein Ingenieurbüro für moderne Kameras, industrielle Großautomaten und rationelle Baumethoden.

    Als Westdeutschland schließlich wieder als antibolschewistisches Bollwerk gefragt war, lebte die Rüstungsindustrie auf und aus den zahlreichen von Bölkow gegründeten Unternehmen wie der Bölkow GmbH wurde durch Fusion das Rüstungs- und Technologieunternehmen MBB, Messerschmitt-Bölkow-Blohm. Das konstruierte und fertigte Panzerabwehrraketen, Raketen gegen Schiffe und Flugzeuge, Cruise Missiles, den NATO-Jäger Tornado, Weltraumsonden, war an der Entwicklung des Airbus' beteiligt, an der Magnetschwebebahn - als Ludwig Bölkow 1977 bei MBB ausschied, beschäftigte die Denkfabrik 20.000 Leute.

    Im Alter versuchte Bölkow energisch, die Solarenergie, vor allem aber die Wasserstofftechnologie und sogar den biologischen Landbau voranzutreiben. Ludwig Bölkow starb am 25. Juli 2003 in Grünwald bei München.