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Vom Leuchtturmprojekt zur Investitionsruine

500 Quadratmeter Sonnenkollektorfläche auf dem Dach und riesige Tanks im Keller - die ehemalige Brauerei Dessau in Sachsen-Anhalt war als Vorzeigeprojekt für die Energieversorgung gedacht. Eine innovative Idee und viel Fördergeld sollten den Weg in eine leuchtende Zukunft weisen. Doch die erscheint jetzt eher zappenduster.

Von Christoph D. Richter |
    Wenn es einmal fertig ist, funktioniert das solare Nahwärmesystem wie ein Akku, der im Sommer aufgeladen wird. Die Sonnenenergie erwärmt den Inhalt der Tanks, um in den kalten Wintermonaten damit das Gebäude zu heizen. Und im Sommer - bei heißen Temperaturen - wird das Gebäude mit Solarstrom gekühlt. Denn es geht darum, sensible Güter zu schützen: Im Brauhaus Dessau befinden sich die Kunstdepots der UNESCO Welterbestiftungen Bauhaus Dessau und Wörlitzer Gartenreich.

    "Also hier lagern Millionenwerte und die müssen energetisch auch sehr aufwendig gelagert werden. Immer um die 20 Grad, immer um die 50 Prozent Luftfeuchtigkeit. Und genau das wollte man mit der Anlage erreichen","

    erläutert Architekt Thomas Busch, einer der Initiatoren des mittlerweile auf Eis liegenden Vorzeigeprojekts Solares Nahwärmesystem. Es sollte den Beweis liefern, dass selbst große alte Gründerzeitgebäude, also vermeintliche "Energieschleudern" nicht nur CO2-neutral beheizt, sondern mit Sonnenenergie sogar punktgenau klimatisiert werden können - wie es für ein höchst sensibles Kunstarchiv erforderlich ist.

    Der Energieverbrauch würde gegenüber Gas oder Öl um 35 bis 50 Prozent sinken. In Zeiten der Klimawende sei das eine beachtliche Hausnummer, unterstreicht der in Dessau und Sydney studierte Architekt Thomas Busch.

    ""Fehlt eigentlich nur noch die elektrische Versorgung und noch ein paar andere Kleinigkeiten, und dann hätte das in Betrieb genommen werden können."

    Hätte, hätte, hätte. Denn 2011 stornierte der Fördermittelgeber - das Bundesumweltministerium - ohne Angabe von Gründen, die in Aussicht gestellte Zusatzförderung von etwa 700.000 Euro, so Initiator Thomas Busch. Geld dass jetzt fehlt, um die Anlage fertig zu bauen. Nachdem bereits 1,1 Millionen Euro in das Projekt Solares Nahwärmesystem gesteckt wurde. Diesen Schlag haben die Initiatoren nicht verkraftet: Ihr Projekt ging in die Insolvenz.

    Und für Insolvenzverwalter Nikolaus Schmidt gibt es durchaus Gründe, die Reißleine zu ziehen. Der Brauhausverein habe Fördergelder für Baumaßnahmen zweckentfremdet eingesetzt und für Dinge verwendet, die nicht mit dem solaren Nahwärmesystem im Zusammenhang standen. Damit, so der Hallenser Insolvenzverwalter Schmidt weiter, blieb dem Projektförderer Bundesumweltministerium gar nichts anderes übrig, als die Zahlungen zu stoppen.

    "Es ist eine tolle Idee. Mit einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung dieses Vereines wäre es nicht zu dieser Situation gekommen."

    Vorwürfe, die an Thomas Busch, dem Ideengeber des Projekts Solares Nahwärmesystem, abprallen. Er räumt aber unter der Hand dann doch ein, dass der Umfang des Projekts den Verein durchaus überfordert hätte. Gerade das ist aber für Jurist Nikolaus Schmidt völlig unverständlich.

    "Auf Naivität kann man sich in diesen Größenordnungen nicht zurückziehen. Es bedarf einer professionellen Umsetzung. Die Gläubiger, die dort tätig waren, die geliefert haben, die handwerkliche Leistungen erbracht haben, die haben nach wie vor Forderungen, die sie bei mir angemeldet haben."

    Nichts sei bisher bezahlt worden, so Insolvenzverwalter Schmidt. Architekt Thomas Busch schüttelt den Kopf.
    Trotz der Anschuldigungen will er am Demonstrationsvorhaben der Bundesregierung, dem zu 90 Prozent fertiggestellten solaren Nahwärmesystem festhalten. Irritiert ist er über die Vorgehensweise des Geldgebers - das Bundesumweltministerium. Nie habe man Kritik gehört, sagt Busch.

    "Ich hätte doch eigentlich erwartet: Wenn hier alleine 1,1 Millionen Euro öffentliche Gelder alleine vom BMU - ich sag mal - verbrannt werden. Dass dann das BMU mal etwas genauer hinguckt, was da abgelaufen ist. Ich finde es durchaus bezeichnend, dass von denen bislang keiner da war und die versuchen alle auf Tauchstation zu gehen, und damit sagen: Damit wollen wir nichts mehr zu tun haben."

    Die Vorgehensweise des Geldgebers sei ein Beleg dafür, dass alle Vorwürfe aus der Luft gegriffen seien, unterstreicht Architekt Thomas Busch mit gerunzelter Stirn.

    "Wenn wir mit dem ausgereichten Geld, statt erneuerbarer Energien eine Pilzzucht aufgemacht hätten oder ein Atomkraftwerk gebaut hätten, dann hätte ich das verstanden. Aber man wird hier behandelt wie ein Staatsfeind, obwohl man das getan, wofür die Gelder seinerzeit veranschlagt gewesen sind."

    Vorerst jedoch ist das solare Nahwärmesystem eine Investitionsruine. Von der keiner weiß, ob sie jemals in Betrieb gehen wird.