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Vom Magen ins Blut

Medizin. - Helicobacter pylori ist weit verbreitet - weltweit tragen mehr als 50 Prozent der Menschen das Bakterium in sich. Berüchtigt ist der Keim als Ursache von Magengeschwüren und gar Magenkrebs. Jetzt steht Helicobacter auch im Verdacht, bei Herzinfarkten eine Rolle zu spielen.

Von Volkart Wildermuth |
    Helicobacter pylori bewohnt einen gefährlichen Lebensraum, schon allein die Magensäure würde die meisten anderen Bakterien zersetzen. Dazu ist alles ständig in Bewegung, wird kräftig durchgeknetet. Um sich hier festzusetzen, benötigt der Magenkeim einen festen Anker: Eiweiße, die ihn in an die Schleimhaut binden. Thomas Boren, Professor für medizinische Biochemie im schwedischen Umea, studiert diesen Anker schon seit langem. Er ist davon überzeugt, das Helicobacter mit dessen Hilfe ein Schmarotzerdasein führen kann.

    "Es hat sich herausgestellt, dass Helicobacter ein ziemlich kleines Erbgut hat, er hat nur ein Drittel der Gene eines gewöhnlichen Bakteriums. Deshalb hat er einen ziemlich eingeschränkten Stoffwechsel, kann zum Beispiel gar nicht alle Aminosäuren, die Grundbausteine der Eiweiße, bilden. Wir glauben, dass sich Helicobacter ganz fest an die Magenzellen binden muss, um wirklich alle Nährstoffe zu erhalten."

    Nun unterscheidet sich die Oberfläche der Magenzellen von Mensch zu Mensch. Helicobacter bildet deshalb verschiedene Formen seines wichtigsten Ankers aus und findet so in jedem Fall festen Halt. In Reagenzglasexperimenten hat Thomas Boren festgestellt, dass dieser Anker aber nicht nur an den Magenzellen greift, er haftet auch hervorragend an roten Blutkörperchen. Der seltsame Laborbefund machte den schwedischen Forscher neugierig und so fragte er Kollegen in den USA, ob sie sich ihre Gewebeproben aus infizierten Mägen nicht einmal genauer ansehen könnten.

    "Ich war wirklich überrascht, dass wir Helicobacter in den Blutgefäßen der Magenschleimhaut nachweisen konnten. Ich meine, Helicobacter ist seit fast 25 Jahren bekannt und trotzdem hat ihn noch niemand in den Blutgefäßen beschrieben. Wenn man erst einmal drauf achtet, findet man ihn dort in den meisten Proben aus dem Magen."

    Das Bakterium gelangt also aus dem Magen ins Blut, allerdings kommt es dort nicht weit. Seine Außenhülle wirkt wie ein Alarmsignal für das Immunsystem, das den Eindringling schnell abtötet. Damit aber ist das Problem nicht unbedingt gelöst. Die Überreste der Bakterien bleiben im Blut und können die empfindliche Innenhaut der Gefäße reizen, vielleicht sogar eine schleichende Entzündung auslösen. Ähnliche Prozesse sind zum Beispiel bei der Parodontose beschrieben worden. Auch in diesem Fall gelangen Bakterien aus dem kranken Zahnfleisch ins Blut, werden abgetötet und richten dennoch Schaden an. Wer sich mit dauernden Zahnfleischentzündungen herumschlagen muss, der leidet deshalb auch ein wenig häufiger an Herz-Kreislauferkrankungen. Auch eine Infektion mit Helicobacter ist ein Risikofaktor für Herz und Gefäße, meint Thomas Boren.

    "Ähnlich wie bei diesen anderen Bakterieninfektionen gibt es eine etablierte Verbindung zu den Herzkreislaufleiden, wahrscheinlich wegen der dauernden Reizung der Adern und das könnte der erste Schritt zu einer Arteriosklerose sein."

    Das aber ist nicht die einzige Theorie zu dem Zusammenhang zwischen Magenentzündung und Herz-Kreislaufleiden. Andere Forscher glauben eher, dass dieselben Risikofaktoren, die die Gefäße schädigen, auch die Infektion mit Helicobacter erleichtern. Dann wäre die Beziehung des Keims mit den Herz-Kreislauferkrankungen also eher indirekt. Wer wissen will, welche Theorie stimmt, muss sich noch gedulden. Zwar bekämpfen die Ärzte in den Industrieländern die Helicobacter Infektion inzwischen mit Antibiotika. Weil aber sowohl der Magenkrebs als auch die Herz-Kreislauferkrankungen langsam entstehen, können die Forscher erst in einigen Jahren Bilanz ziehen und feststellen, ob diese Behandlung nicht nur dem Magen sondern auch dem Herzen nützt.