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Vom Museum zur "Museologie"

Der Kunsthistoriker Michael Fehr wird in Berlin an der Universität der Künste einen Studiengang Museologie aufbauen. In angelsächsischen Länder sei dieses Fach schon sehr entwickelt. Eigentümlicherweise gebe es in Deutschland, einer Wiege der Museen, bislang keine systematische Reflektion des Museumswesen. Das solle sich nun ändern, so Fehr.

Moderation: Beatrix Novy |
    Beatrix Novy: Das Karl Ernst-Osthaus Museum entstand am Anfang des letzten Jahrhunderts, der philanthropische Gründer, befeuert von der Arts-and-Crafts-Bewegung, wollte seinem "kunstverlassenen" Industrie-Heimatort mit künstlerischer und sozialer Inspiration aufhelfen. Die Absicht blieb Absicht, Osthaus starb zu früh, nach einer wechselhaften Geschichte hat das Museum heute eine sehr eigene Position gefunden, die es Michael Fehr verdankt, er leitet das Museum seit 1987. Lange wird er da nicht mehr sein, Fehr verlässt das Osthaus-Museum, um in Berlin an der Universität der Künste einen Studiengang Museologie aufzubauen. Das kommt nicht von ungefähr: Denn Fehr hatte aus dem Hagener Museum einen Ort des Nachdenkens über das Museum gemacht. Die Rekonstruktion des früh zerstörten Innenausbaus von Henry van de Velde galt schon dieser Konzeption, Installationen , die sich mit dem musealen Archivieren und Präsentieren befassen, kamen hinzu. Ich habe Michael Fehr zunächst gefragt, wie man sich das vorstellen darf.

    Michael Fehr: Es ist nicht so, dass wir mit Künstlern gearbeitet, sondern es auch selbst gemacht haben. Aber wir haben hier zum Beispiel eine Art Archiv von Sigrid Sigurdsson, das ist ein ganzer Raum, in dem befinden sich große Bücher, in denen alle möglichen Gegenstände, die man in ein Buch bringen kann, gesammelt sind, es gibt dann aber auch kleine Vitrinen in Buchformen, in denen andere Gegenstände gesammelt sind. Das Ganze ist eine Arbeit zum Thema kollektives Gedächtnis, kollektives Erinnern und beschäftigt sich mit der deutschen Geschichte des letzten Jahrhunderts im Prinzip und das ist so angelegt, dass man als Besucher die einzelnen Gegenstände, Bücher oder auch Vitrinen herausnehmen, sich anschauen, durchlesen kann und insofern ist es ein aktiver Platz. Wir haben eine andere Arbeit von einem amerikanischen Künstler, Marc Dion heißt der, der sich auch seinerseits mit musealen Präsentationen beschäftigt, von dem haben wir einen Schrank, der die ganze Schöpfungsgeschichte darstellt im aristotelischen Sinne. Eine andere Form, Material zu organisieren.

    Novy: Ist aus dieser selbstreflexiven Praxis der Gedanke an ein theoretisches Fach entstanden, nämlich die Museologie, die Sie jetzt in Berlin aufbauen sollen?

    Fehr: Museologie ist ja keine Erfindung von uns, das Fach Museologie gibt es gerade auch in angelsächsischen Ländern sehr entwickelt unter dem Stichwort museum studies und komischerweise hier in Deutschland, obwohl man sagen kann, dass es eine Wiege der Museen ist, haben wir hier eigentümlicherweise keine systematische Reflektion. Natürlich, im Rahmen der Kunstgeschichte gibt es immer wieder alle möglichen Untersuchungen, auch Seminare, aber es gibt keinen Studiengang Museologie vergleichbar zum Beispiel mit Theaterwissenschaften oder eben anderen Formen, die sich mit dem Museum als eigener Form des Darstellens, der Erkenntnis und Präsentation auseinandersetzen. Und darum geht es, so etwas aufzubauen. Es hat verschiedene Versuche gegeben, aber bis jetzt hat noch nichts im größeren Stil geklappt.

    Novy: Kann man diese bisherige deutsche Abstinenz vielleicht damit begründen, dass die deutschen Museen und Museumsleute dem traditionellen verhaftet sind?

    Fehr: Das würde ich so generell nicht sagen, aber wir sind sicherlich aufgrund der Tatsache, dass die deutschen Museen in der Regel von den Städten oder dem Staat finanziert werden, das heißt also in der öffentlichen Hand und dass aufgrund der Tatsache, dass sie eigentlich im Prinzip irgendwo letzten Endes aus der Aristokratie heraus entwickelt worden sind, also aus der Öffnung der Königshäuser und so weiter, also eine staatliche Aufgabe haben, sie nie so unter dem Zwang standen, sich im Markt zu bewähren, wie das zum Beispiel die amerikanischen Museen ganz extremerweise tun müssen und insofern gab es auch nicht die Notwendigkeit, darüber nachzudenken, wie man etwas macht. Ich will jetzt nicht sagen, dass wir hier die Museen kommerzialisieren sollten, ganz im Gegenteil. Ich denke, wir haben jetzt hier so eine schleichende Kommerzialisierung, die ganz unreflektiert auch läuft und ich denke, dass es wirklich hohe Zeit ist, darüber nachzudenken, was wir eigentlich von Museen erwarten können und was sie leisten können.

    Novy: Das heißt, ein Thema der Museologie wäre dann ganz konkret der Zwang im Aufmerksamkeitswettstreit mitzumachen, die Rolle der Museen im digitalen Zeitalter, was hat es noch mit Echtheit oder einem Kult der Echtheit auf sich - sind das Themen, also die Themen, die wir heute mit Museen in Verbindung bringen?

    Fehr: Ja, ich denke, generell könnte man sagen, das Museum muss seinen Platz finden, er muss definiert werden. Museum kann man nicht betrieben werden wie Fernsehen, Radio oder Theater; Museen sind keine Massenmedien im Prinzip, auch wenn viele jetzt so umgebaut werden. Prinzipiell ist es glaube ich nicht möglich und insofern müssen wir eben versuchen, für die Museen ihren Platz zu definieren und das wird sicherlich eine wesentliche Aufgabe sein beziehungsweise dann eben auch junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu qualifizieren, solche Aufgaben zu lösen.

    Novy: Es gibt ja heute einen Trend, die Gegenwart so schnell wie möglich ins Museum zu verfrachten, alles zu musealisieren. Ist dies eine Wissenschaft, die Unterscheidungshilfen bieten könnte?

    Fehr: Man versucht jetzt, das Museum auszunutzen als Wertsteigerungsmaschine, indem man also möglichst schnell Sachen reinsteckt, das ist aber auch eigentlich nur im Kunstbereich so ausgesprochen. Aber da wäre auch zu fragen: wie weit kann eigentlich das Museum das dann leisten gerade in dem Maße, wie es so beansprucht wird. Muss es sich nicht eigentlich absetzen und ganz bewusst aus dem Markt herausgehen, um einen Gegenpol zu bilden?