"Man kann jedes deutsche Schimpfwörterbuch aufschlagen und man wird erstaunt sein über die Vielzahl der Wörter, mit der alt gekoppelt wird. ZUM BEISPIEL alte Eule, alte Hexe, alter Knacker, alter Sack, altes Eisen, auch alter Geizkragen, alte Hupfdohle, alter Drachen usw."Im Prinzip ist das Altwerden bei uns erlaubt, aber es wird nicht gern gesehen" - Dieter Hildebrand
"Und wenn man in zum Beispiel Synonymenwörterbücher schaut, dann sieht man, dass es bedeutungsähnliche Wörter für alt gibt, nämlich bemoost, schrottreif, verkalkt, steinzeitlich, verschimmelt, ausgemustert, welk, verblüht, auch diese Synonyme beziehen sich nicht unbedingt auf das menschliche Alter, ... aber zunehmend werden sie auch auf Menschen angewendet. ..."
Dr. Undine Kramer, Linguistin an der Berlin-Brandenburgischen Akademie für Wissenschaften untersucht, welche sprachlichen Wertungen mit dem Wortfeld "alt" verbunden sind. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Anzahl abfälliger Begriffe zunimmt:
"Ich beobachte seit 10 Jahren den sprachlichen Umgang über die Zunahme des Anteils der Älteren an der Bevölkerung und ... ungefähr seit dieser Zeit dokumentiert auch die Gesellschaft für deutsche Sprache in zunehmendem Maße alterdiskriminierende Wörter. Bekannt zum Beispiel Rentnerschwemme oder biologischer Abbau oder Altenlast. Diese Unwörter entstanden ... im Zuge der erstmaligen und ehrlichen Reflexion des demografischen Wandels. ..., und die Hochzeit war in Deutschland in den 90er Jahren, da hatten wir Schlagzeilen wie 'Altersheim Deutschland', die 'demografische Zeitbombe tickt', 'Störfall Alter', 'gierige Gruftis'. "
Deutschland altert. Das führt insbesondere in Soziologie und Demografie zu einem "Krisendiskurs": Die erwartete "Rentnerschwemme" führe zum unabwendbaren Zusammenbruch der Sozialsysteme. Es herrscht, wie der Spiegel feststellte, eine "Gerontophobie":
"Hilfe, wir vergreisen!"Ich glaube, es spielt eine Rolle, wie Alter in der öffentlichen Meinung thematisiert wird und es ist gegenwärtig immer noch der Fall, dass es hauptsächlich als Problem thematisiert wird, sei es was die Rentenversicherung angeht, sei es was das Gesundheitssystem angeht, sei es der Generationenkrieg und all diese Dinge, so dass Alter mit Problemen und ner Bürde verbunden ist."
stellt Professorin Ursula Staudinger fest, Psychologin am Zentrum für lebenslanges Lernen der International University Bremen.
Ageism. Altersverachtung, Altersdiskriminierung. In den angelsächsischen Ländern ist die Abwertung von Personengruppen aufgrund ihres Lebensalters schon seit 30 Jahren ein Thema. Ageism gesellt sich dort zu racism - also Bewertung von Menschen aufgrund der Hautfarbe sowie sexism - Bewertung aufgrund des Geschlechts. In Deutschland fand der Begriff - und damit das Problem - erst spät Einzug in die Sprache - wie in die öffentliche Debatte.
"Der neueste Duden verzeichnet das Fremdwort Ageism. Ansonsten ist dieses Phänomen der Diskriminierung der Älteren und Alten durch Sprache in unseren Wörterbüchern unsichtbar. "
Im Sommer 2007 berief Familienministerin Ursula von der Leyen eine Sachverständigenkommission, die den 6. Altenbericht der Bundesregierung erstellen soll. Er steht unter dem Thema "Altersbilder in der Gesellschaft" und untersucht, wie Ältere in der Gesellschaft, in den Betrieben, in der Familie angesehen sind. Prof. Gertrud Backes, Leiterin des "Zentrums Altern und Gesellschaft" an der Universität Vechta:
"also die Enkelkinder zu den Großeltern haben in der Regel eher ein positives Bild, der Ausschnitt Alter-Großeltern ist eher positiv ....Immer da, wo konkret Ältere im Blick sind, sind eher auch positive Elemente des Alters. Und da wo diffus oder unspezifisch über Alter gesprochen wird, da eher etwas Beängstigendes, ja Alter gleich Abbau gleich Krankheit gleich Verlust, nicht mehr Können, nicht mehr Schön-Aussehen. "
Es gibt viele Stereotype über das Alter. Meistens sind sie negativ:
"da kommt so etwas hinzu wie Komposties, Friedhofsgemüse, Mumien, Dinosaurier, Fossilien, Mummelgreise. Und dann auch Abkürzungen wie Uhus unter Hundert. "
Und die Stereotypen wirken. Selbst Ältere wollen nicht speziell als Ältere angesprochen werden, erläutert Prof. Ursula Staudinger von der International University Bremen am Beispiel der Werbung:
"Dieses vielzitierte Wort "alle wollen alt werden, keiner will alt sein", trifft natürlich auch auf Ältere zu, so dass man ja auch weiß, dass Ältere sich nicht unbedingt in zu großer Realität sehen wollen und schon gar nicht Produkte kaufen wollen, die nun als altengerecht dargestellt werden. "
Menschen, die mit Alter vor allem Verfall, Unselbständigkeit und Rückständigkeit verbinden, verlieren, wenn sie selbst alt werden, oft den Lebenswillen und die Motivation, aktiv zu bleiben. Und ebenso beeinträchtigen solche Stereotypen die eigene Leistungsfähigkeit:
"Man kann im Experiment zeigen, dass wenn man bei Menschen ein negatives Alterstereotyp aktiviert, dadurch ganz simpel, indem man sie eine Seite durchlesen lässt, wo Alter mit Demenz, mit Gedächtnisverlust gleichgesetzt wird, und dann gibt man ihnen eine kognitive Aufgabe zur Bearbeitung, dann stellt man fest, dass ein signifikanter Leistungsverlust zu beobachten ist. Allein durch die Tatsache, dass in meiner Vorstellung jetzt aktiviert wird, ich bin ein älterer Mensch und Alter ist assoziiert mit schlechtem Gedächtnis und Demenz. "
Wie früh das Thema Altern schon angstbesetzt ist, berichtet Professorin Gertrud Backes vom Zentrum Altern und Gesellschaft an der Hochschule Vechta. Ihr Seminar über "Körper und Altern" erfuhr ungewöhnlich viel Zulauf von Studenten,
"die sagen, das Thema Körper und Altern ist für uns ein Thema, 20jährige, 19jährige, ich sag, warum denn? Dann sagen die - und das sind keine Einzelfälle - ja weil ich mit 20 nicht mehr so zufrieden bin mit meinem Körper nicht weil ich eitel bin, sondern weil ich befürchten muss, dass - ein Mann sagt das - dass mein etwas unförmig geratener Bauch meine Chancen bei der Firma Soundso eingrenzt, ... die erste Falte, die sichtbar wird, ist hochgefährlich, weil Falten mit Alter assoziiert wird. Und Alter ist was, was Berufschancen mindert. ... Solche Dinge sind an der Tagesordnung bei jungen Menschen."
Gerade auf dem trotz wirtschaftlichen Aufschwungs immer noch angespannten Arbeitsmarkt macht sich die Altersproblematik handfest bemerkbar. Zwar gibt es seit einem Jahr das sogenannte "AGG", das "allgemeine Gleichstellungsgesetz", welches die Benachteiligung von Älteren auf dem Arbeitsmarkt zu verhindern versucht. Danach darf das Alter bei Bewerbungen kein Nichteinstellungsgrund sein. Doch dieses Gesetz ist leicht zu unterlaufen, erläutert der Soziologe Dr. Kai Brauer, der an der Berliner FU ein Forschungsprojekt zum Thema Alter und Arbeitsmarkt durchführt.
"Also zu sagen, wir suchen für ein junges, aktives Team passende Mitarbeiter und da wird sich der50jährige nicht angesprochen fühlen und dann sagen die, es hat sich kein Älterer beworben. Das zweite ist, dass man natürlich ne Altersgrenze intern setzen kann und dann einen Teil der Bewerbungen einfach aussortieren. Das nächste ist, dass wir keine Vorschriften haben, wie eine Bewerbung auszusehen hat. Das ist in Amerika ganz klar vorgeschrieben, da darf das Alter nicht draus hervorgehen. "
Zwar steigt die Nachfrage nach älteren Fachkräften mittlerweile wieder. Und die Personalverantwortlichen, so Kai Brauers Erfahrungen, geben sich aufgeschlossen gegenüber Älteren. Doch trotzdem sieht die gängige Einstellungspraxis anders aus. Nur heißt die Sprachregelung jetzt nicht mehr: jemand ist zu alt für den Job, sondern - er passt nicht ins Team.
"Die Personalverantwortlichen geben an, sie stellen gern Ältere ein. Wenn wir uns das angucken, in die Betriebe reingehen, wollen die auch immer ganz stark in den Vordergrund stellen, dass sie auch ganz positiv gegenüber Älteren eingestellt sind. Erfahrungswerte suchen, Solidität suchen.. ... es wird gesagt, wir sind auch für Ältere, wir versuchen Ältere einzustellen - wir haben jetzt gerade mal nen 30jährigen ausgewählt. Also die Firmen wollen Ältere einstellen, stellen dann aber nicht Ältere ein. "
Auch Gertrud Backes bestätigt, dass das Stereotyp von der nachlassenden Leistungsfähigkeit im Alter nach wie vor weit verbreitet ist.
"je älter, desto weniger leistungsfähiger, je älter, desto langsamer, desto eher Merkprobleme, Gedächtnisprobleme, desto wenig beweglich körperlich-geistig usw. ... Es ist so, dass die Entwicklungspsychologie und auch kognitive Psychologie, die zeigen, dass die Entwicklungsfähigkeit des menschlichen Hirns bis ins hohe Alter bleibt, nur die Art und Weise, wie wir lernen, dass die sich verändert. ... Also dass ich mit 60 nicht mehr so schnell bin in der Reaktion, wenn ich das nicht gezielt trainiere, wie ich das mit 20 war, aber andererseits mit 60 soviel Erfahrungen da ist, dass meine Reaktion u.U. erfahrungsgesteuert sogar besser ist als die Reaktion eines 20jährigen zum Beispiel an einer Maschine. "
Die Beschäftigung mit Altersbildern sensibilisiert für die Klischees und Stereotypen, die, wie Kai Brauer selbstkritisch anmerkt, jeder von uns mit sich herumträgt.
O-Ton Brauer:
Wir merken selber an uns, dass wir Altersbilder in diskriminierender Weise verwenden, ohne dass uns das wirklich bewusst ist, ohne dass wir intentional Alte ausgrenzen wollten. Wir haben Bilder, Vorstellungen des Alters, die rückschrittlich sind., so wie es vor 10, 20 Jahren ganz rückständige Bilder über die Arbeitsfähigkeit von Frauen gab. ...
Doch neben Gruftis, Oldies oder Spätlesen sind mittlerweile auch andere, wohlwollendere Bezeichnungen für Ältere und fürs Alter zu vernehmen, wie die Linguistin Undine Kramer herausfand:
Best agers, Silver generation, junge Alte, aktive Alte, Altenkompetenz, Senior-Experte.
"50 ist heute jung", textet eine Kosmetikwerbung. "Was heißt hier alt?" lautete der Focus-Titel der vergangenen Woche, eine Reportage über die Generation 50+. Und dann haben wir ja auch noch Vorbilder für topfitte 80jährige:
"Ich weiß nicht, ob sie so'n Terminplan vom Papst mal gesehen haben, ja das ist Arbeit, da wird aber nicht gesagt, da müssen wir mal nen Jüngeren besetzen...."
Prof. Gertrud Backes von der Universität Vechta stellt einen selbstbewussteren Umgang mit dem Alter fest:
"Wir haben hier am Zentrum Altern und Gesellschaft ein Projekt ..., körperliche Veränderungen des Älterwerdens bei 40 - 75jährigen, ... wie gehen die einzelnen damit um ... besser Gebildete, besser Gestellte tun etwas für ihr äußeres Escheinungsbild bis dahin, dass sie auch das, was gemeinhin mit Älterwerden zu tun hat, graue Haare, Falten etc., dem etwas entgegenzusetzen, wobei sie gleichzeitig auch bewusst dazu stehen, zu sagen, also ich färbe mir die Haare, ich versuche mich entsprechend zu kleiden, aber ich bin 50 oder 60 oder 70 und steh dazu. ... "
Und auch die Werbung widmet sich verstärkt jenen, die von einem früheren RTL-Programmchef noch als "Kukidents" verspottet wurden. Freilich aus rein ökonomischem Druck: Ältere müssen als Konsumentengruppe erschlossen werden, wenn zu wenig Jüngere da sind.
"Wenn man sich diese Kosmetikkampagne von Dove anschaut, wo alte Gesichter - sie sind attraktiv dargestellt, aber sie sind alt - sie zeigt, wie schrumpelige Haut attraktiv sein kann und versucht eine Erweiterung unseres Schönheitsbegriffs zu leisten. Also ich sehe es schon so, dass wir eigentlich diese Phase der kompletten Verleugnung dessen, was Alter ist, ein bisschen schon übersprungen haben und einen Schritt weiter sind.... "
Doch Vorsicht! Das Bild vom dynamischen, fitten, attraktiven älteren Menschen kann genau so zum Stereotyp werden wie das des tattrigen Opis. Altern macht nicht nur Spaß. Altern kann auch grausam sein. Schon die Götter der Antike verschenkten ewige Jugend. 1546 malte Lucas Cranach der Ältere das Bild "Der Jungbrunnen", auf dem gealterte Frauen in ein Bad steigen, das sie auf der anderen Seite verjüngt verlassen. Der Wunsch, jung zu bleiben, ist möglicherweise in allen Menschen tief verankert und keineswegs nur - Ageism.
"Das ist ein Dilemma um das man nicht herum kommen wird, denn Alter hat in sich eingebaut das Memento Mori, das uns daran erinnert, dass wir sterblich sind und daran möchte der Mensch nicht gern erinnert werden. Daher wird auch immer ein Teil des Alterns einen negativen Aspekt behalten."
"Und wenn man in zum Beispiel Synonymenwörterbücher schaut, dann sieht man, dass es bedeutungsähnliche Wörter für alt gibt, nämlich bemoost, schrottreif, verkalkt, steinzeitlich, verschimmelt, ausgemustert, welk, verblüht, auch diese Synonyme beziehen sich nicht unbedingt auf das menschliche Alter, ... aber zunehmend werden sie auch auf Menschen angewendet. ..."
Dr. Undine Kramer, Linguistin an der Berlin-Brandenburgischen Akademie für Wissenschaften untersucht, welche sprachlichen Wertungen mit dem Wortfeld "alt" verbunden sind. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Anzahl abfälliger Begriffe zunimmt:
"Ich beobachte seit 10 Jahren den sprachlichen Umgang über die Zunahme des Anteils der Älteren an der Bevölkerung und ... ungefähr seit dieser Zeit dokumentiert auch die Gesellschaft für deutsche Sprache in zunehmendem Maße alterdiskriminierende Wörter. Bekannt zum Beispiel Rentnerschwemme oder biologischer Abbau oder Altenlast. Diese Unwörter entstanden ... im Zuge der erstmaligen und ehrlichen Reflexion des demografischen Wandels. ..., und die Hochzeit war in Deutschland in den 90er Jahren, da hatten wir Schlagzeilen wie 'Altersheim Deutschland', die 'demografische Zeitbombe tickt', 'Störfall Alter', 'gierige Gruftis'. "
Deutschland altert. Das führt insbesondere in Soziologie und Demografie zu einem "Krisendiskurs": Die erwartete "Rentnerschwemme" führe zum unabwendbaren Zusammenbruch der Sozialsysteme. Es herrscht, wie der Spiegel feststellte, eine "Gerontophobie":
"Hilfe, wir vergreisen!"Ich glaube, es spielt eine Rolle, wie Alter in der öffentlichen Meinung thematisiert wird und es ist gegenwärtig immer noch der Fall, dass es hauptsächlich als Problem thematisiert wird, sei es was die Rentenversicherung angeht, sei es was das Gesundheitssystem angeht, sei es der Generationenkrieg und all diese Dinge, so dass Alter mit Problemen und ner Bürde verbunden ist."
stellt Professorin Ursula Staudinger fest, Psychologin am Zentrum für lebenslanges Lernen der International University Bremen.
Ageism. Altersverachtung, Altersdiskriminierung. In den angelsächsischen Ländern ist die Abwertung von Personengruppen aufgrund ihres Lebensalters schon seit 30 Jahren ein Thema. Ageism gesellt sich dort zu racism - also Bewertung von Menschen aufgrund der Hautfarbe sowie sexism - Bewertung aufgrund des Geschlechts. In Deutschland fand der Begriff - und damit das Problem - erst spät Einzug in die Sprache - wie in die öffentliche Debatte.
"Der neueste Duden verzeichnet das Fremdwort Ageism. Ansonsten ist dieses Phänomen der Diskriminierung der Älteren und Alten durch Sprache in unseren Wörterbüchern unsichtbar. "
Im Sommer 2007 berief Familienministerin Ursula von der Leyen eine Sachverständigenkommission, die den 6. Altenbericht der Bundesregierung erstellen soll. Er steht unter dem Thema "Altersbilder in der Gesellschaft" und untersucht, wie Ältere in der Gesellschaft, in den Betrieben, in der Familie angesehen sind. Prof. Gertrud Backes, Leiterin des "Zentrums Altern und Gesellschaft" an der Universität Vechta:
"also die Enkelkinder zu den Großeltern haben in der Regel eher ein positives Bild, der Ausschnitt Alter-Großeltern ist eher positiv ....Immer da, wo konkret Ältere im Blick sind, sind eher auch positive Elemente des Alters. Und da wo diffus oder unspezifisch über Alter gesprochen wird, da eher etwas Beängstigendes, ja Alter gleich Abbau gleich Krankheit gleich Verlust, nicht mehr Können, nicht mehr Schön-Aussehen. "
Es gibt viele Stereotype über das Alter. Meistens sind sie negativ:
"da kommt so etwas hinzu wie Komposties, Friedhofsgemüse, Mumien, Dinosaurier, Fossilien, Mummelgreise. Und dann auch Abkürzungen wie Uhus unter Hundert. "
Und die Stereotypen wirken. Selbst Ältere wollen nicht speziell als Ältere angesprochen werden, erläutert Prof. Ursula Staudinger von der International University Bremen am Beispiel der Werbung:
"Dieses vielzitierte Wort "alle wollen alt werden, keiner will alt sein", trifft natürlich auch auf Ältere zu, so dass man ja auch weiß, dass Ältere sich nicht unbedingt in zu großer Realität sehen wollen und schon gar nicht Produkte kaufen wollen, die nun als altengerecht dargestellt werden. "
Menschen, die mit Alter vor allem Verfall, Unselbständigkeit und Rückständigkeit verbinden, verlieren, wenn sie selbst alt werden, oft den Lebenswillen und die Motivation, aktiv zu bleiben. Und ebenso beeinträchtigen solche Stereotypen die eigene Leistungsfähigkeit:
"Man kann im Experiment zeigen, dass wenn man bei Menschen ein negatives Alterstereotyp aktiviert, dadurch ganz simpel, indem man sie eine Seite durchlesen lässt, wo Alter mit Demenz, mit Gedächtnisverlust gleichgesetzt wird, und dann gibt man ihnen eine kognitive Aufgabe zur Bearbeitung, dann stellt man fest, dass ein signifikanter Leistungsverlust zu beobachten ist. Allein durch die Tatsache, dass in meiner Vorstellung jetzt aktiviert wird, ich bin ein älterer Mensch und Alter ist assoziiert mit schlechtem Gedächtnis und Demenz. "
Wie früh das Thema Altern schon angstbesetzt ist, berichtet Professorin Gertrud Backes vom Zentrum Altern und Gesellschaft an der Hochschule Vechta. Ihr Seminar über "Körper und Altern" erfuhr ungewöhnlich viel Zulauf von Studenten,
"die sagen, das Thema Körper und Altern ist für uns ein Thema, 20jährige, 19jährige, ich sag, warum denn? Dann sagen die - und das sind keine Einzelfälle - ja weil ich mit 20 nicht mehr so zufrieden bin mit meinem Körper nicht weil ich eitel bin, sondern weil ich befürchten muss, dass - ein Mann sagt das - dass mein etwas unförmig geratener Bauch meine Chancen bei der Firma Soundso eingrenzt, ... die erste Falte, die sichtbar wird, ist hochgefährlich, weil Falten mit Alter assoziiert wird. Und Alter ist was, was Berufschancen mindert. ... Solche Dinge sind an der Tagesordnung bei jungen Menschen."
Gerade auf dem trotz wirtschaftlichen Aufschwungs immer noch angespannten Arbeitsmarkt macht sich die Altersproblematik handfest bemerkbar. Zwar gibt es seit einem Jahr das sogenannte "AGG", das "allgemeine Gleichstellungsgesetz", welches die Benachteiligung von Älteren auf dem Arbeitsmarkt zu verhindern versucht. Danach darf das Alter bei Bewerbungen kein Nichteinstellungsgrund sein. Doch dieses Gesetz ist leicht zu unterlaufen, erläutert der Soziologe Dr. Kai Brauer, der an der Berliner FU ein Forschungsprojekt zum Thema Alter und Arbeitsmarkt durchführt.
"Also zu sagen, wir suchen für ein junges, aktives Team passende Mitarbeiter und da wird sich der50jährige nicht angesprochen fühlen und dann sagen die, es hat sich kein Älterer beworben. Das zweite ist, dass man natürlich ne Altersgrenze intern setzen kann und dann einen Teil der Bewerbungen einfach aussortieren. Das nächste ist, dass wir keine Vorschriften haben, wie eine Bewerbung auszusehen hat. Das ist in Amerika ganz klar vorgeschrieben, da darf das Alter nicht draus hervorgehen. "
Zwar steigt die Nachfrage nach älteren Fachkräften mittlerweile wieder. Und die Personalverantwortlichen, so Kai Brauers Erfahrungen, geben sich aufgeschlossen gegenüber Älteren. Doch trotzdem sieht die gängige Einstellungspraxis anders aus. Nur heißt die Sprachregelung jetzt nicht mehr: jemand ist zu alt für den Job, sondern - er passt nicht ins Team.
"Die Personalverantwortlichen geben an, sie stellen gern Ältere ein. Wenn wir uns das angucken, in die Betriebe reingehen, wollen die auch immer ganz stark in den Vordergrund stellen, dass sie auch ganz positiv gegenüber Älteren eingestellt sind. Erfahrungswerte suchen, Solidität suchen.. ... es wird gesagt, wir sind auch für Ältere, wir versuchen Ältere einzustellen - wir haben jetzt gerade mal nen 30jährigen ausgewählt. Also die Firmen wollen Ältere einstellen, stellen dann aber nicht Ältere ein. "
Auch Gertrud Backes bestätigt, dass das Stereotyp von der nachlassenden Leistungsfähigkeit im Alter nach wie vor weit verbreitet ist.
"je älter, desto weniger leistungsfähiger, je älter, desto langsamer, desto eher Merkprobleme, Gedächtnisprobleme, desto wenig beweglich körperlich-geistig usw. ... Es ist so, dass die Entwicklungspsychologie und auch kognitive Psychologie, die zeigen, dass die Entwicklungsfähigkeit des menschlichen Hirns bis ins hohe Alter bleibt, nur die Art und Weise, wie wir lernen, dass die sich verändert. ... Also dass ich mit 60 nicht mehr so schnell bin in der Reaktion, wenn ich das nicht gezielt trainiere, wie ich das mit 20 war, aber andererseits mit 60 soviel Erfahrungen da ist, dass meine Reaktion u.U. erfahrungsgesteuert sogar besser ist als die Reaktion eines 20jährigen zum Beispiel an einer Maschine. "
Die Beschäftigung mit Altersbildern sensibilisiert für die Klischees und Stereotypen, die, wie Kai Brauer selbstkritisch anmerkt, jeder von uns mit sich herumträgt.
O-Ton Brauer:
Wir merken selber an uns, dass wir Altersbilder in diskriminierender Weise verwenden, ohne dass uns das wirklich bewusst ist, ohne dass wir intentional Alte ausgrenzen wollten. Wir haben Bilder, Vorstellungen des Alters, die rückschrittlich sind., so wie es vor 10, 20 Jahren ganz rückständige Bilder über die Arbeitsfähigkeit von Frauen gab. ...
Doch neben Gruftis, Oldies oder Spätlesen sind mittlerweile auch andere, wohlwollendere Bezeichnungen für Ältere und fürs Alter zu vernehmen, wie die Linguistin Undine Kramer herausfand:
Best agers, Silver generation, junge Alte, aktive Alte, Altenkompetenz, Senior-Experte.
"50 ist heute jung", textet eine Kosmetikwerbung. "Was heißt hier alt?" lautete der Focus-Titel der vergangenen Woche, eine Reportage über die Generation 50+. Und dann haben wir ja auch noch Vorbilder für topfitte 80jährige:
"Ich weiß nicht, ob sie so'n Terminplan vom Papst mal gesehen haben, ja das ist Arbeit, da wird aber nicht gesagt, da müssen wir mal nen Jüngeren besetzen...."
Prof. Gertrud Backes von der Universität Vechta stellt einen selbstbewussteren Umgang mit dem Alter fest:
"Wir haben hier am Zentrum Altern und Gesellschaft ein Projekt ..., körperliche Veränderungen des Älterwerdens bei 40 - 75jährigen, ... wie gehen die einzelnen damit um ... besser Gebildete, besser Gestellte tun etwas für ihr äußeres Escheinungsbild bis dahin, dass sie auch das, was gemeinhin mit Älterwerden zu tun hat, graue Haare, Falten etc., dem etwas entgegenzusetzen, wobei sie gleichzeitig auch bewusst dazu stehen, zu sagen, also ich färbe mir die Haare, ich versuche mich entsprechend zu kleiden, aber ich bin 50 oder 60 oder 70 und steh dazu. ... "
Und auch die Werbung widmet sich verstärkt jenen, die von einem früheren RTL-Programmchef noch als "Kukidents" verspottet wurden. Freilich aus rein ökonomischem Druck: Ältere müssen als Konsumentengruppe erschlossen werden, wenn zu wenig Jüngere da sind.
"Wenn man sich diese Kosmetikkampagne von Dove anschaut, wo alte Gesichter - sie sind attraktiv dargestellt, aber sie sind alt - sie zeigt, wie schrumpelige Haut attraktiv sein kann und versucht eine Erweiterung unseres Schönheitsbegriffs zu leisten. Also ich sehe es schon so, dass wir eigentlich diese Phase der kompletten Verleugnung dessen, was Alter ist, ein bisschen schon übersprungen haben und einen Schritt weiter sind.... "
Doch Vorsicht! Das Bild vom dynamischen, fitten, attraktiven älteren Menschen kann genau so zum Stereotyp werden wie das des tattrigen Opis. Altern macht nicht nur Spaß. Altern kann auch grausam sein. Schon die Götter der Antike verschenkten ewige Jugend. 1546 malte Lucas Cranach der Ältere das Bild "Der Jungbrunnen", auf dem gealterte Frauen in ein Bad steigen, das sie auf der anderen Seite verjüngt verlassen. Der Wunsch, jung zu bleiben, ist möglicherweise in allen Menschen tief verankert und keineswegs nur - Ageism.
"Das ist ein Dilemma um das man nicht herum kommen wird, denn Alter hat in sich eingebaut das Memento Mori, das uns daran erinnert, dass wir sterblich sind und daran möchte der Mensch nicht gern erinnert werden. Daher wird auch immer ein Teil des Alterns einen negativen Aspekt behalten."