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Vom Pantheon zum Christentum

In Athen entsteht das neue Akropolis-Museum, das eigentlich schon 2004 pünktlich zu den Olympischen Spielen fertig werden sollte. Dass immer noch gebaut wird, liegt daran, dass man beim Graben immer wieder auf antike Fundstücke stößt. Man hat aus der Not eine Tugend gemacht und zeigt die Funde in einer Ausstellung auf dem Gelände.

Von Alkyone Karamanolis |
    Es sind die Überreste einer ganzen Stadt, die auf dem mehr als fünf Quadratkilometer großen Gelände gefunden wurden: Ein dichtes Straßennetz inklusive Kanalisation, Häuser, Brunnen, öffentliche und private Bäder – und Werkstätten. Die Funde der Grabung werden nun in zwölf Themeneinheiten ausgestellt, die das gesamte öffentliche und private Leben umfassen. Interessant sind sie vor allem, weil sie bis in die Spätantike reichen, die in der Ausstellung als ein wichtiges Bindeglied zwischen dem klassischen Griechenland und Byzanz erfahrbar wird. So lässt sich hier, direkt unterhalb der Akropolis, die langsame Abwendung vom griechischen Pantheon mit seinen zwölf Göttern nachvollziehen. Denn in der Grabung wurden etwa auch Statuen orientalischer Gottheiten geborgen; erstes Zeichen eines sich wandelnden Weltbildes, erklärt der Archäologe Dimitris Pantermalis, der für den Bau des Neuen Akropolis-Museums verantwortlich ist:

    "In Athen, seit der hellenistischen Zeit, haben wir die starke Präsenz von fremden Religionen, aber besonders im 2. Jh. nach Christus. Man darf nicht vergessen, dass genau gegenüber von der Akropolis, auf dem Musenhügel, das Grabmonument des Philopappos ist, der aus Komagene, aus dem alten Syrien stammte und im 2. Jahrhundert nach Christus ein Archont in Athen, also er war der erste Mann in Athen sozusagen. Das ist eine veränderte Welt, wo der Einfluss des Orients, der von Alexander dem Großen erschlossen wurde, wo dieser Einfluss auch nach Griechenland kommt."

    So entstehen Mischformen, gräzisierte Versionen der orientalischen Gottheiten. Die Ausstellung zeigt etwa eine wundervoll filigrane Statue der Isis Panthea, die die Attribute verschiedener griechischer Götter trägt: die Weizenähren der Demeter, den Brustschild der Athene oder die Weintrauben des Dionysos. Alexander der Große hatte Isis den Griechen emfpohlen, als eine allmächtige Gottheit. Und die Griechen nahmen diese Empfehlung gerne auf:

    "Ich glaube persönlich, das ist eine Neigung der allgemeinen Bevölkerung zum Mystischen hin, also die olympische Religion war eine sehr mit Räson versehene Religion, die orientalische war mehr so verwandt zum Christentum, also, Glauben, und viel näher zum sentimentalen Welt des Menschen, nicht, und das hat natürlich die Menschen in einer kritischen Zeit mehr angetastet."

    Ähnlich wie zunächst olympische und orientalische Gottheiten interagieren verläuft auch der darauffolgende Wechsel zum Christentum: kein Bruch, sondern ein langsamer Übergang. Kreuze etwa sind auch im fünften, sechsten und siebten Jahrhundert nach Christus selten, stattdessen herrschen noch die paganistischen Symbole vor. Und auch nach dem Toleranzedikt von Kaiser Konstantin werden unterhalb der Akropolis Athene, Artemis und Kybele verehrt.

    Mit der Fertigstellung des Neuen Akropolis-Museums werden die Funde wieder in der Grabungsstätte ausgestellt werden. Die wird begehbar sein, das Museum selbst wird sich auf Säulen darüber erheben. Diese Lösung hat auch viel Kritik hervorgerufen, der Streit um die Wahl des Baugrundstücks ist auch vor dem Obersten Verwaltungsgericht, der höchsten gerichtlichen Instanz in Griechenland ausgetragen worden. Eine Klage, initiiert ausgerechnet von einem Parlamentarier, der später Vize-Kulturminister wurde, ist derzeit noch anhängig. Inzwischen aber sind alle zeitweiligen Baustopps aufgehoben, bald wird der Rohbau fertig sein. Dimitris Pantermalis ist überzeugt, dass die Wahl dieses Standorts die beste Lösung war:

    "Ich persönlich glaube, dass man sehr dafür sorgen muss, Grabungsmaterial zu beschützen, wir werden auch bald die Grabung aufdecken, und die Besucher werden selber ein Urteil fällen, wie diese Grabung im Museum aussieht, es gibt auch in Deutschland sehr gute Beispiele, in Spanien, Frankreich, Italien. Ich würde sagen, warum nicht auch hier. Ich bin überzeugt, wenn man das Museum nicht hier gebaut hätte, hätte man die Grabung nie gemacht."

    Damit trägt diese Ausstellung auch den Charakter einer Rechtfertigung. Ihre Präsentation indes ist eine Generalprobe für die spätere Präsentation im Untergeschoss des Museums: Drahtgeflecht, Sand und Holz sollen ihr den Charakter einer Werkstattausstellung verleihen. Denn während in den oberen Stockwerken des Museums die Meisterwerke der Antike ausgestellt werden sollen, wird unten, in der Grabungsstätte, der Alltag der Athener nachvollziehbar sein: mit Kochgeschirr und Kinderspielzeug, mit Weihgefäßen und mit Weinkrügen, die den Stempel des Importeurs tragen. Wein aus Chios, Rhodos, Wein vom Pontus. Heute heißt das "Appellation d´Origine Contrôlée".