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Vom Prestigeobjekt zum Millionengrab

Das Bonner Kongresszentrum sollte ein ganz großer Wurf werden. Doch nach fünfjähriger Planungs- und Bauzeit steht bislang nur ein halbfertiges Gebäude im ehemaligen Regierungsviertel. Der Investor ist verschwunden - und für Ex-Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann wird es immer enger.

Von Jochen Hilgers | 21.09.2010
    Schwarzer Anzug, perfektes Englisch, ein Meister des Small Talks, der das künftige Kongresszentrum in schillernden Farben als Treffpunkt der Wirtschaftsriesen aus aller Welt beschreibt. Im Jahr 2005 ist der Koreaner Man-Ki Kim so etwas wie ein Messias für die Stadt Bonn. Ein Visionär, dem man gerne ein 38.000-Quadratmeter-Grundstück in bester Lage im ehemaligen Regierungsviertel anvertraut. Zum Nulltarif, selbstverständlich. Schließlich verspricht der Mann von Welt das zu schaffen, was die Stadt ohne fremde Hilfe und ohne fremdes Geld wohl kaum auf die Beine stellen könnte: ein Kongresszentrum mit angeschlossenem Hotel der Spitzenklasse – einen Tagungsort, den der deutsche Standort der Vereinten Nationen so dringend braucht.

    Kim macht den Bonnern Komplimente, sie werden in der Verwaltungsspitze und im Rat gerne gehört. Er spricht von der Stadt als Wiege der deutschen Demokratie, Bonn habe ein großes kulturelles Erbe und sei sehr aufgeschlossen. Der perfekte Ort für internationale Kongresse und Konferenzen, beteuert der Koreaner 2005.

    "Obviously Bonn as a city has a lot of culture heritage and a lot of open minded mentality here. I think it's a perfect place to make an international destination for conventions and conferences."
    So was kommt an bei Kommunalpolitikern. Man-Ki Kim gilt 2005 als "Glücksfall für Bonn". Seine Firma nennt sich SMI Hyundai Europe und erweckt damit den Anschein, mit dem Automobilkonzern Hyundai-Kia verbunden zu sein.

    Unangenehme Fragen nach bisherigen Bauprojekten und Bilanzen hat Kim nicht zu fürchten. Wilfried Klein, der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bonner Stadtrat, erinnert sich an seine ersten Eindrücke vom Investor:

    "Wir hatten diverse Gelegenheiten, ihn in Gesprächen zu erleben, auch bei Veranstaltungen und Präsentationen, mit den Fraktionsvorsitzenden, bei öffentlichen Auftritten. Und ich glaube schon, dass alle, die ihn da erlebt haben, von der Art und Weise, wie er sich präsentiert hat, doch schon sehr beeindruckt waren. Ich glaube, die Beschreibungen, die nach drei bis vier Jahren Distanz aus der Erinnerung formuliert werden, treffen es eigentlich schon. Er ist aufgetreten und hat ein Konzept präsentiert, hat eine Begeisterung ausgestrahlt, hat von sehr vielen Emotionen gesprochen, und ich glaube schon, dass das – neben der Prüfung, die nebenbei ja auch stattgefunden hat über Konzepte und Möglichkeiten – ein ganz wichtiger Punkt war bei der Art und Weise, wie das nachher bewertet worden ist."
    Der Kardinalfehler passiert direkt zu Beginn: Kim fehlt es an ausreichendem Eigenkapital. Seine SMI Hyundai Europe ist eine eiligst gegründete Kleinstfirma ohne jeden Bezug zu dem internationalen Automobilkonzern. All das ist kaum bekannt – auch Wilfried Klein weiß davon zunächst nichts:

    "Ich glaube, dass zum damaligen Zeitpunkt alle davon überzeugt waren, dass wir den richtigen Partner haben. Dieser Eindruck hat sich ja fortgesetzt. Gut, dass wir diesen Partner haben, der uns da das Kongresszentrum hinsetzt. Aus heutiger Sicht muss man sagen, zu viel Begeisterung führt zu zu wenig Kritik."
    Die Begeisterung im Bonner Rathaus führt auch dazu, dass grundlegende Recherchen unterbleiben. Mit vier Mausklicks in der Internetsuchmaschine Google hätte man schon damals alle Details zu der dubiosen Firma SMI Hyundai Europe erfahren können. Die von einem Prestigeprojekt träumenden Kommunalpolitiker aber kommen nicht auf diese Idee.
    Im Dunstkreis des Investors Man-Ki Kim tummelt sich eine weitere Schlüsselfigur: Young-Ho Hong, ebenfalls Koreaner, der als Architekt verpflichtet wird. Hong arbeitet zunächst von einem Hinterhofbüro in Berlin aus. Später residiert er in einer Luxusimmobilie in zentraler Lage der Hauptstadt. Zum ersten Spatenstich an dem Bonner Großprojekt sagt Hong in die vielen Mikrofone:
    "Wir sind begeistert. Wunderbarer Ort, tolles Ambiente, historisch bedeutsam. Und wir bauen das modernste und wahrscheinlich auch sicherste Kongresszentrum in Deutschland. Mit einem Superhotel."
    Das Konzept liest sich zu diesem Zeitpunkt hervorragend. Der Investor bringt 30 Millionen Euro Eigenkapital mit. Bund und Land zahlen rund 40 Millionen Euro an Zuschüssen und stellen das Bauland zur Verfügung. Den Rest der Bausumme finanziert die Sparkasse Köln/Bonn über Kredite, die Zinsen sollen später aus den Erträgen des Kongresszentrums beglichen werden.
    Doch Architekt Hong kann – ohne jegliches Mitspracherecht der Stadt – Millionensummen verwalten. Unter seiner Regie wird der Bau von einem auf den anderen Tag erheblich teurer. Die Baukosten verdoppeln sich erst von 70 auf 140 Millionen Euro, dann steigen sie auf 200 Millionen Euro. Bis heute ist unklar warum. Und im Rathaus fragt niemand ernsthaft nach den Gründen. Die Stadtverwaltung lässt sich mit Planungsänderungen im Hotel als Ursache für die zusätzlichen Aufwendungen abspeisen. Nur die Fraktion der Grünen verlangt immer wieder genaue Kostenanalysen und kritisiert die mangelnde Informationspolitik der SPD-Oberbürgermeisterin Bärbel Diekmann.

    Anfang 2009 braucht das Projekt frisches Geld. Der südkoreanische Investor Man-Ki Kim kann die nötigen 30 Millionen Eigenkapital nicht aufbringen. Mit einem Kollegen fliegt die städtische Projektleiterin Eva-Maria Zwiebler nach Südkorea, um dort finanzielle Zusagen zu erhalten. Kurz danach verkündet sie einen Erfolg für die Zukunft des Projekts:

    "Da bin ich sehr zuversichtlich. Nach den Gesprächen und auch nach den Dokumenten, die wir vorliegen haben, vertraue ich auf diese Aussagen."
    Vor genau einem Jahr überschlagen sich die Ereignisse. Die Bonner Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungen ein. Diese richten sich mittlerweile gegen zwölf Beschuldigte. Kim wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Architekt Hong verbringt einige Wochen in Untersuchungshaft. Beide stehen unter Betrugsverdacht. Projektleiterin Zwiebler wird der Untreue verdächtigt, ebenso wie die ehemalige Oberbürgermeisterin Dieckmann. Beide sollen frühzeitig über die finanzielle Schieflage des vermeintlichen Investors informiert gewesen sein – doch die Handbremse haben sie trotz der Warnzeichen nicht gezogen.
    Was genau in den Jahren zwischen 2005 und 2009 geschehen ist, lässt sich heute nur schwer rekonstruieren. Die Kommunalpolitiker im Stadtrat jedenfalls fühlen sich nicht nur von den koreanischen Geschäftsmännern, sondern auch von Dieckmann und Zwiebler über den Tisch gezogen. Der Bonner FDP-Partei- und Fraktionschef Werner Hümmrich macht seinem Unmut Luft:

    "Warnhinweise von anderen sind nicht weitergegeben geworden. Wir sind oft im Glauben gelassen worden, es regelt sich alles, es ist alles geregelt."
    Über viele Monate schweigt Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann im Stadtrat. Sie lässt Anfragen unbeantwortet und handelt sich damit großen Ärger bei den Ratsfraktionen ein. Die Aufforderung, in Ausschüssen und Ratssitzungen schriftlich zum Thema Kongresszentrum Stellung zu nehmen, ignoriert sie einfach über eine lange Zeit.
    Die Bonner Grünen werden wegen ihrer kritischen Fragen schon früh als Nestbeschmutzer verunglimpft. Der Fraktionssprecher Peter Finger erinnert sich daran, dass jeder Zweifel am Projekt fast wie eine Todsünde behandelt wurde:

    "Uns wurden wichtigste Fakten vorenthalten, trotz mehrmaligem Nachfragen. Selbst als klar wurde, dass das WCCB auf ein Desaster zu steuert."
    Seit einem Jahr äußert sich Bärbel Dieckmann in der Öffentlichkeit nicht mehr zu dem Streitobjekt im ehemaligen Regierungsviertel. Die Politiker in Bonn rätseln, warum sie so verbissen und blind vorgegangen ist. War sie schlicht überfordert? Oder hat sie sich nicht ausreichend um das Projekt gekümmert? So mancher mutmaßt, Diekmann habe sich mit dem WCCB ein persönliches Denkmal setzen wollen. In einem Interview aus dem vergangenen Jahr hat sie diesen Vorwurf bestritten:

    "Nein, es ist nicht mein Baby und es ist kein Projekt meiner Amtszeit. Es ist ein Projekt, das für die UN in Bonn wichtig ist. Es ist ein Projekt, von dem abhängt, dass internationale Konferenzen hier stattfinden."
    Ein Projekt, von dem abhängt, dass internationale Konferenzen stattfinden? Diese Lesart galt offenbar über mehrere Jahre. Damit erklärt sich womöglich, dass sich niemand traute, das Projekt jemals infrage zu stellen. Wer jetzt für den Schaden aufkommen muss, ist klar: der Steuerzahler. In weiser Voraussicht hat die Sparkasse Köln/Bonn nämlich bei jedem einzelnen WCCB-Kredit die Stadt Bonn als Bürgen eintragen lassen. Der Bonner CDU-Finanzexperte Klaus-Peter Gilles meint denn auch:

    "Es ging eigentlich um die Frage, ob man durch schnelleres unverzügliches Handeln einen möglichen Schaden noch hätte geringer halten können. Das ist eigentlich aus meiner Sicht auch eine sehr wichtige Frage, wenn wir jetzt anfangen rückblickend zu schauen, was eigentlich wie abgelaufen ist."
    Die Stadt muss derzeit für 104 Millionen Euro bereits ausgezahlter Kredite bürgen. 40 Millionen Euro Zuschüsse sind geflossen. Der Bau ist längst noch nicht fertig und soll von der Stadt nun in Eigenregie vollendet werden. Die Kosten dafür sind noch unbekannt.

    Der Rat der Stadt Bonn steht also vor einem Scherbenhaufen. Grünenfraktionssprecher Peter Finger macht dafür vorwiegend die damalige Oberbürgermeisterin Dieckmann verantwortlich:

    "Der Rat war nur noch lästiges Beiwerk für sie und ich glaube sie hatte das Motto Augen zu und durch, koste es was es wolle."
    Kein Ruhmesblatt nach einer 15-jährigen Amtszeit, wie FDP-Politiker Werner Hümmrich bilanziert:

    "Ich glaube, so hat sie es sich nicht vorgestellt und ich glaube einen Teil auch nicht verdient, aber so ist es jetzt mal."
    Selbst die eigene Partei geht auf Abstand. SPD-Fraktionschef Wilfried Klein vermeidet es, ein klares Bekenntnis zu ihren Gunsten abzugeben. Spricht lieber von einer Hoffnung:

    "Ich habe Vertrauen zu Bärbel Dieckmann gehabt und habe das auch und hoffe sehr, dass die Berichte und die Ermittlungen zu dem Ergebnis kommen, dass sie das getan hat, was sie immer getan hat, zum Wohl der Stadt zu arbeiten."
    Bärbel Dieckmann, so viel steht fest, hat ihrem Nachfolger, dem SPD-Parteikollegen Jürgen Nimptsch, ein schweres Erbe hinterlassen. Der ehemalige Schulrektor geht bei dem Projekt nun auf Nummer sicher. Er engagiert ein ganzes Heer von Beratern und Anwälten, die Versäumnisse aufdecken und das weitere Vorgehen austarieren sollen. In einer der vergangenen Ratssitzungen, saß er nicht wie sonst zwischen seinen Beigeordneten, sondern zwischen einem Straf- und einem Verwaltungsrechtsanwalt. "Bizarr" findet das der grüne Fraktionsgeschäftsführer Tom Schmidt:

    "Wir müssen natürlich dazu kommen wieder mit gesundem Menschenverstand und nicht mit Rechtsvertretern, Strafverteidigern und sonstigen unsere Sitzung zu bestreiten."

    Denn die Berater lassen sich ihren Dienst einiges kosten: Der Stadtkämmerer muss monatlich insgesamt knapp 400.000 Euro an sie überweisen - und das bereits seit einem Jahr. Nicht wenige Ratspolitiker halten das Vorgehen von Nimptsch für ein Desaster nach dem Desaster. Ihm fehle die klare Linie. Vor allem wird ihm vorgehalten, die gleiche Geheimnistuerei an den Tag zu legen wie seine Vorgängerin. Wochenlang wehrt er sich gegen die Veröffentlichung eines Berichts des städtischen Rechnungsprüfungsamtes, der auf 475 Seiten lückenlos das Versagen der Stadtverwaltung dokumentiert. Doch Nimptsch verteidigt seine Haltung:
    "Ich kann das als OB nicht, aus einer ganzen Reihe von Gründen, die was mit Persönlichkeitsschutz zu tun haben, mit dem festen Willen Schaden von der Stadt Bonn abzuwenden, dass möglicherweise jemand eine Schadensersatzklage auf uns zulaufen lassen könnte."
    Nimptsch will sogar ein Rechtsgutachten einholen lassen, unter welchen Bedingungen der Bericht veröffentlicht werden könnte, und kündigt an, das werde 70.000 Euro an Anwaltskosten verschlingen. Soweit kommt es aber nicht. Der Bonner General-Anzeiger, der im Besitz eines der Exemplare war, veröffentlicht den Bericht Seite für Seite im Internet. Dort ist er bis heute abrufbar – und Nimptsch der Blamierte. Trotz der Heerscharen von Beratern findet der Oberbürgermeister keine endgültige Lösung und verkündet im Sommer vage:

    "Wir haben uns entschlossen jetzt als zu favorisierende Abschlussvariante vorzuschlagen, den Heimfall direkt auf die Stadt Bonn durchzuführen."
    Das heißt: Jetzt geschieht genau das, was die Stadt Bonn anfangs unter allen Umständen vermeiden wollte: nämlich das WCCB in Eigenregie zu führen. Eine Stadt als Betreiber eines Kongresszentrums samt Luxushotel? Für viele ist das unvorstellbar – jedoch der einzige Ausweg aus dem Dilemma. Auch der CDU-Finanzexperte Gilles scheint bereits resigniert zu haben:

    "Wir haben ja gar keine andere Alternative. Es ist völlig klar, das wir das Projekt zu Ende führen müssen."
    Den Rohbau wieder abzureißen kommt also nicht infrage. Auch die härtesten Kritiker des Projekts, wie beispielsweise die Grünen, drängen auf einen Weiterbau. Den Gesichtsverlust bei einem Abriss wollen auch sie vermeiden. Das Image der Stadt Bonn als Uno-Standort und ehemalige Bundeshauptstadt wäre auf Dauer ruiniert. Noch mehr als jetzt schon.
    Derweil gammelt das Gebäude vor sich hin. Statt Bauarbeitern sieht man nur noch eine Handvoll Mitarbeiter einer Wachfirma auf dem Gelände. Die Container der Baufirmen sind leer. Die Fassade weist bereits deutliche Verfallsspuren auf, hier und dort sind Wasserschäden zu entdecken. Durch die Flure weht nachts der erste kalte Herbstwind. Bald muss der Bau zum zweiten Mal aufwendig und teuer winterfest gemacht werden. Mitten im früheren Regierungsviertel, gegenüber dem ehemaligen Plenarsaal und in der Nähe des alten Kanzleramtes, steht nun ein Schandfleck. Und der kostet die Stadtkasse monatlich Unsummen, rechnet CDU-Finanzexperte Klaus-Peter Gilles vor:

    "Nach groben Zahlen würde ich mal sagen, dass wir etwa mit 800.000 Euro Stillstandsaufwand pro Monat rechnen können. Plus Beratungsaufwand, den wir ja auch zu finanzieren haben, wie wir wissen, ist der Beratungsaufwand ja sehr erheblich, auch da haben wir mit 400.000 Euro pro Monat zu rechen."
    Oberbürgermeister Nimptsch will schnell aus der Misere heraus: Ende des Jahres, so seine optimistische Schätzung, sollen sich am WCCB wieder die Baukräne drehen. Allein: Nach all den Ungereimtheiten der vergangenen Jahre fehlt immer noch Klarheit. Schätzungen zufolge sind bisher 180 Millionen Euro in den Bau geflossen. Die Fertigstellung soll mit noch mal knapp 100 Millionen Euro zu Buche schlagen. Der Heidelberger Anwalt Christopher Seagon, der Insolvenzverwalter des WCCB, hat diese Zahlen im Laufe des Jahres errechnen lassen. Denn es muss noch einiges getan werden, bis das Kongresszentrum bezugsfertig ist:

    "Die Gutachter haben mir vermittelt, dass wir hier über einen Fertigstellungsgrad von etwa Dreivierteln also 75 Prozent des ganzen Bauvolumens reden."
    Erstaunlicherweise ist bis heute offen, was der bisher errichtete Bau tatsächlich wert ist. Dabei könne nach Meinung von Experten nur auf dieser Grundlage eine vernünftige Prognose zur Wirtschaftlichkeit in der Zukunft errechnet werden. Und: nur so könne schließlich ein Kaufpreis für einen möglichen Interessenten kalkuliert werden. Die Rechnung mit den vielen Unbekannten geht also weiter, auch, wenn Nimptsch anders kalkuliert:

    "Das rechnet sich ungemein, wenn man allein daran denkt, dass 100.000 zusätzliche Konferenzteilnehmer und Gäste, die hier in der Stadt Bonn natürlich auch Geld ausgeben Ertrag und Umwegrendite bringt, dann ist das allemal eine gute Investition."
    Diese Kalkulation ist sehr umstritten. Kongresszentren werden weltweit nur in Ausnahmefällen kostendeckend betrieben. Auch für Bonn haben die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers errechnet, es gebe keine Chance, das WCCB einmal profitabel zu betreiben. Es bliebe über Jahrzehnte ein Zuschussgeschäft, so die Prognose.
    Für Bernhard Wimmer ist das keine Überraschung. Er sitzt für die freie Wählergemeinschaft "Bürger Bund Bonn" im Stadtrat, und er ist vom Fach: Wimmer war unter anderem Stadtdirektor in der Nachbarstadt Köln.

    Mittlerweile pensioniert, verfolgt er den WCCB-Skandal immer wieder aufs Neue ungläubig staunend. Nicht nur, dass nach seiner Meinung in der Vergangenheit handwerkliche Fehler en masse gemacht wurden. Wimmer kritisiert, dass niemand offenbar daraus gelernt hat. Auf Bonn kämen riesige finanzielle Belastungen zu:

    "Also ich gehe davon aus, dass es irgendwo zwischen 150 und 200 Millionen seinen werden, die man in die Hand nehmen muss - zwangsläufig. Das ist eine Summe die sicherlich alle Bürger vom Stuhl fegt. Wir müssen dann Geld in die Hand nehmen, in einer Größenordnung, die wir nicht kennen, um das Objekt zu Ende zu bauen. Wir wissen deswegen nicht wirklich, wie viel es kosten wird, weil uns kein Mensch sagen kann, was nun eigentlich dort an Wert steht."
    Wo war eigentlich die Kommunalaufsicht, fragt der Steuerzahlerbund. Wer hat die Verantwortlichen kontrolliert? Wer hat sich einmal die Businesspläne vorlegen lassen? Die Kalkulationen, die Zahlenspiele?
    Immerhin sind Landes- und Bundeszuschüsse geflossen. Für die finanziellen Einbußen der Stadt Bonn stünden die Steuerzahler gerade, so der Steuerzahlerbund. Ist das WCCB ein besonders drastisches Beispiel für das Versagen einer Kommune? Eberhard Kansky vom nordrheinwestfälischen Steuerzahlerbund verfolgt die Vorgänge von Beginn an und zeigt sich besorgt:
    "Der Bonner Haushalt ist aktuell in einer ganz kräftigen Schieflage. Da muss die Stadt jeden Euro zweimal umkehren, bevor das Geld ausgegeben wird. Die jetzt bekannt gewordenen Millionen Mehrausgaben für das Kongresszentrum passen nicht zu dem Haushalt. Es spricht ganz viel dafür, dass die Stadt jetzt ganz schlimmen finanzpolitischen Zeiten gegenübersteht."
    Auch ohne das WCCB droht Bonn wegen Überschuldung der Nothaushalt. In diesem Fall müsste jede Ausgabe von der Bezirksregierung genehmigt werden – ein Albtraum für jede Kommune.

    Beim WCCB hat die Stadt schon jetzt nur eine eingeschränkte Handhabe. Jeder einzelne Schritt muss mit dem Insolvenzverwalter verhandelt und von ihm genehmigt werden. Allerdings sind die Interessen des Insolvenzverwalters und der Stadt nicht identisch. Christopher Seagon will möglichst viel Geld für die Gläubiger herausschlagen, wie die am Bau beteiligten Firmen. Bonn dagegen will so wenig wie möglich bezahlen. Eine vertrackte Situation, die einer schnellen Lösung im Weg steht. Seagon dämpft die Erwartungen auf raschen Fortschritt:

    "Wenn das plangemäß fertiggestellt würde und die Bauarbeiten plangemäß wieder aufgenommen werden könnten, rechnet man beim Kongresszentrum etwa mit neun Monaten restliche Fertigstellungszeit einschließlich Außenanlagen und beim Hotel zwischen elf und zwölf Monaten."
    Vor 2012 frühestens ist also nicht damit zu rechnen, dass das WCCB fertig wird – wenn überhaupt. Genauso fraglich ist, wann die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen beendet sind. Seit einem Jahr laufen sie bereits.
    Und sie wurden kürzlich sogar ausgeweitet. Der Vorwurf, wenn er sich denn bewahrheitet, gibt einen interessanten Einblick in die vermutlich langjährige Praxis bei der Stadt Bonn. Anlass ist ein anderer Fall, bei dem ein Betreiber eines Hotelneubaus bei der Stadt angefragt hatte, ob er 50 zusätzliche Zimmer bauen dürfe. Die Zusage erhielt er angeblich nur mit der Aufforderung, dann jährlich 100.000 Euro in eine Gesellschaft zur Kongressvermarktung – unter anderem für das WCCB – einzuzahlen. Nachdem der Hotelier seinen Jahresbeitrag entrichtet hatte, soll er prompt die Genehmigung erhalten haben.
    Bestechung nennt das der Staatsanwalt, auch wenn sich niemand persönlich bereichert haben soll. Auch hier steht der Name der ehemaligen Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann auf der Liste der Beschuldigten. Für sie wird es immer enger.
    Nur einer sitzt derweil ganz entspannt in seinem Büro: Man-Ki Kim. Der Hauptbeschuldigte im Bonner Bauskandal ist längst auf und davon und wird in Washington vermutet. Die US-amerikanische Staatsangehörigkeit soll ihn vor der Auslieferung schützen. Damit ist der einstige Heilsbringer für die deutschen Strafverfolger nicht greifbar. Dabei hätte Kim bestimmt viel zu erzählen über das Business "Made in Bonn"!