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Vom Tier lernen

Medizin. - Frühe Impfstoffe für den Menschen wurden aus Tieren gewonnen, die mit entsprechenden Erregern infiziert wurden und die daraufhin Antikörper bildeten. Jetzt erlebt die Kooperation zwischen Human- und Tiermedizin ein Comeback mit dem 1.Leipziger Human- und Tiermedizin-Symposium zu Infektion und Immunität.

Von Hartmut Schade | 21.01.2008
    Ein wenig neidisch blickt der Professor für Virologie, Christian Jassoy, auf seine tierärztlichen Kollegen. Ihr Arsenal, um Krankheiten zu bekämpfen, ist voller als das der Humanmediziner.

    "Da sind uns als Humanmediziner die Tiermediziner voraus, sie benutzen Impfstoffe, die bisher noch nicht in der Humanmedizin eingesetzt werden."

    Rekombinante Viren zum Beispiel. Das sind Viren, in die fremde Gene eingebaut werden. Die Veterinärmediziner bekämpfen den weißen Blutkrebs bei Katzen mit einem solchen rekombinanten Virus. In ein Kanarienpockenvirus, das ist eine für Säuger harmlose Form des Pockenvirus, setzen sie dazu die Gene des krankheitsauslösenden Katzenleukämievirus ein. Eingesperrt in ein fremdes Genom löst es nun nicht mehr den Blutkrebs aus, sondern provoziert eine Reaktion des Immunsystems. Es immunisiert dadurch die Katze gegen die echte Katzenleukämie.

    "In der Humanmedizin möchte man etwas Ähnliches machen und hat also auch auf der Basis des Kanarienpockenvirus ein Konstrukt hergestellt mit Genen von dem Humanimmunschwächevirus. Das Katzenleukämievirus ist ein entfernter Verwandter von HIV. Beide Viren gehören zu den Retroviren."

    Die Hoffnung der Ärzte: Der Impfstoff auf Basis des Kanarienpockenvirus mit den eingeschmuggelten HIV-Genen immunisiert die Geimpften gegen AIDS. Derzeit wird die HIV-Immunisierung in einer großen Studie mit 16.000 Teilnehmern in Thailand getestet. Die ersten Ergebnisse lassen Christian Jassoy hoffen.

    "Also dieses veränderte Vogelpockenvirus mit den Genen von dem Human-Immunschwächevirus, das könnte sehr stark immunogen sein. Man ist, sagen wir mal, vorsichtig optimistisch, dass man dadurch einen Immuneffekt bekommt. Weil man gesehen hat, dass in den vorbereitenden Studien eine Immunantwort erzeugt wurde."

    Dass die Hoffnung, die AIDS-Epidemie einzudämmen, aus der Veterinärmedizin kommt, überrascht die Tierärztin und Professorin für Bakteriologie, Monika Krüger von der Universität Leipzig nicht:

    "Weil hier das Bestreben, insbesondere mit immunprophylaktischen Maßnahmen Erkrankungen zu bekämpfen, viel größer ist als in der Humanmedizin. In der Humanmedizin wird viel mehr mit Antibiotika gearbeitet."

    Die aber will man aus dem Tier möglichst heraushalten, um keine Resistenzen beim Menschen zu schaffen. Die Tierärzte setzen deshalb auf ganz spezifische Impfstoffe. Monika Krüger:

    "In der Veterinärmedizin, wenn ich zum Beispiel einen größeren Tierbestand habe, in dem eine Erkrankung sich etabliert hat und es gibt hier keinen zugelassenen kommerziellen Impfstoff, dann hat der Tierarzt dort die Möglichkeit, einen bestandsspezifischen Impfstoff, ganz spezifisch auf den dort agierenden Erreger herstellen zu lassen und kann ihn dort einsetzen."

    Ein Impfstoff, der extra gegen die Rindersalmonellen in einem bestimmten Stall entwickelt wurde, wirkt natürlich viel effektiver als einer, der viele verschiedene Salmonellen bekämpfen muss. Grundsätzlich ließen sich so auch hochwirksame Medikamente für den Menschen herstellen. Doch Christian Jassoy ist skeptisch:

    "Man könnte technisch durchaus einen Impfstoff herstellen, aber die Zulassungsverfahren sind einfach so teuer, dass es sich nicht lohnt bisher, Impfstoffe auf dem Gebiet tatsächlich auf den Markt zu bringen. Es ist fraglich, ob so was in naher Zukunft kommen wird. Ich sehe auch im Augenblick mehr Interesse und Notwendigkeit für Impfstoffe die für größere Bevölkerungsgruppen erforderlich sind, vielleicht auch für die Gesamtbevölkerung."

    Aber auch da haben die Tierärzte noch Pfeile im Therapieköcher, auf die die Ärzte neidisch blicken. Medikamente zum Beispiel, die das Immunsystem anregen, und so die Wirksamkeit von Impfungen verbessern.