Wir alle zaudern ja angeblich viel zu viel und zu oft – gefragt ist, in Finanzwesen und Wirtschaft, der willensstarke Macher, der irgendwas entscheidet, auch wenn es sich bald als völliger Humbug erweist. Das Zaudern, das Aufschieben, das Abschweifen sind aber durchaus adäquate Strategien, wenn man sich auf dem Feld der Kunst bewegt. Wer ein Buch schreibt oder ein Bild malt, der stürzt nicht geradeaus auf ein Ziel zu: Das Werk ergibt sich erst über viele Umwege und scheinbare Sackgassen, über Irrtümer und Probier-Stadien.
Für Iris Dressler und Hans Dieter Christ vom Württembergischen Kunstverein in Stuttgart war es zunächst mal wichtig, diesen kreativen Moment des Innehaltens vom politischen Zaudern zu unterscheiden.
"Zaudern ist kein gebräuchlicher Begriff. Es ist ein Begriff der Romantik. Das Einzige, wo man ihn ständig findet, ist, wenn es um Angela Merkel geht. Aber die steht eigentlich für Alternativlosigkeit. Aber das Zaudern, wie die Ausstellung es versteht, ist genau das Gegenteil. Man hält inne an einem bestimmten Punkt, weil einem plötzlich klar wird, dass es nicht nur eine Möglichkeit gibt, sondern gleich ganz viele. Und deshalb muss man innehalten."
Dieser Moment der Muße, des Schwebens, hat also Methode; und das zum Thema einer Ausstellung zu machen, ist wirklich mal ein Einfall! Aber es ist auch gefährlich. Denn natürlich ist in der Postmoderne sehr vieles unter den Begriff des Zögerns, des Stockens, Anhaltens, Einfrierens, der Wiederholung, des Sampelns, des Loops zu subsumieren – egal, ob es sich um Film, Kunst oder Literatur handelt.
Die Kuratoren haben sich in der Werkauswahl für eine Art entschlossene Richtungslosigkeit entschieden: von allem etwas, aber wenn schon, dann nur das Beste. Literatur spielt eine Hauptrolle, also zum Beispiel der Text-Foto-Collagist und manische Selbstbeobachter Rolf Dieter Brinkmann. Und, natürlich, zeitgenössische Video-Arbeiten, etwa von Runa Islam, die Momente der Leere in einem ziemlich nervenden Video kreiselnd aneinanderfügt - die "tote Zeit", in der sich die Handlung eines Films nicht weiterentwickelt.
Von der Struktur her unterscheidet die Kuratorin Iris Dressler zwei Abteilungen: die Werke, die von einem Zentrum ausgehen und sich dann verästeln und verzweigen – Protagonistin ist die Assemblage-Künstlerin Anna Oppermann, die potenziell unendlich Material aufhäuft, es fotografiert, weiterbaut und die Fotos in die neuen Werkstadien integriert.
Die andere Kategorie sind die Loops, beispielhaft vorgeführt in einem Video des Holländers Gerald van der Kaap, der eine Fernsehreporterin kurz vor dem Auftritt beobachtet und all die Übersprungs-Handlungen der Nervosität in einer Endlosschleife wiederholt.
Bleiben wir mal bei den Verästlern und Verrätslern: Bei Carlfriedrich Claus sieht man, wie sich das Denken aus dem Schreiben und Zeichnen in den Raum, ins Optische hinein entwickelt. Ähnlich mäandernd die Wortarbeiten, die netzartigen "Mind Maps" von Lia Perjovschi. Eine alte Dia-Projektion von Robert Barry aus den 1970er-Jahren knüpft Satzreihen aneinander, deren Sinn unklar bleibt – das ist sozusagen die Extremform von Bedeutungs-Offenheit.
Dann gibt es, von "Anna K.E.", das Video einer Balletttänzerin, die völlig planlos durch ein Atelier schabt und trippelt und unerträglich lange (auch für den Zuschauer unerträglich lange) auf den Spitzen steht. Oder, ein Beispiel der Wiederholung: die immer neu wartenden und winkenden Schulkinder und die aufgeregt-blasierten Protokoll-Chefs eines Dritte-Welt-Landes, die in einem Video von Bani Abidi eines hohen politischen Besuchs harren – den wir nie zu Gesicht bekommen.
Was diese Arbeiten vor anderen prädestiniert, als Beispiele des Zauderns gezeigt zu werden, bleibt eher unklar. Cicerone durch die Ausstellung ist übrigens der Philosoph Joseph Vogl, der auf mehreren Monitoren wortreich und in vielen Varianten erklärt, das Zaudern sei "der Schatten des Handelns". Die schönste Arbeit ist auch die kürzeste: Auf einem Video von Mircae Cantor schneidet ein kleiner Junge mit einer Schere in einen Wasserstrahl – und dieser Schnitt beendet auch das nur eine Sekunde dauernde Video. Da bleibt zum Zaudern gar keine Zeit.
Für Iris Dressler und Hans Dieter Christ vom Württembergischen Kunstverein in Stuttgart war es zunächst mal wichtig, diesen kreativen Moment des Innehaltens vom politischen Zaudern zu unterscheiden.
"Zaudern ist kein gebräuchlicher Begriff. Es ist ein Begriff der Romantik. Das Einzige, wo man ihn ständig findet, ist, wenn es um Angela Merkel geht. Aber die steht eigentlich für Alternativlosigkeit. Aber das Zaudern, wie die Ausstellung es versteht, ist genau das Gegenteil. Man hält inne an einem bestimmten Punkt, weil einem plötzlich klar wird, dass es nicht nur eine Möglichkeit gibt, sondern gleich ganz viele. Und deshalb muss man innehalten."
Dieser Moment der Muße, des Schwebens, hat also Methode; und das zum Thema einer Ausstellung zu machen, ist wirklich mal ein Einfall! Aber es ist auch gefährlich. Denn natürlich ist in der Postmoderne sehr vieles unter den Begriff des Zögerns, des Stockens, Anhaltens, Einfrierens, der Wiederholung, des Sampelns, des Loops zu subsumieren – egal, ob es sich um Film, Kunst oder Literatur handelt.
Die Kuratoren haben sich in der Werkauswahl für eine Art entschlossene Richtungslosigkeit entschieden: von allem etwas, aber wenn schon, dann nur das Beste. Literatur spielt eine Hauptrolle, also zum Beispiel der Text-Foto-Collagist und manische Selbstbeobachter Rolf Dieter Brinkmann. Und, natürlich, zeitgenössische Video-Arbeiten, etwa von Runa Islam, die Momente der Leere in einem ziemlich nervenden Video kreiselnd aneinanderfügt - die "tote Zeit", in der sich die Handlung eines Films nicht weiterentwickelt.
Von der Struktur her unterscheidet die Kuratorin Iris Dressler zwei Abteilungen: die Werke, die von einem Zentrum ausgehen und sich dann verästeln und verzweigen – Protagonistin ist die Assemblage-Künstlerin Anna Oppermann, die potenziell unendlich Material aufhäuft, es fotografiert, weiterbaut und die Fotos in die neuen Werkstadien integriert.
Die andere Kategorie sind die Loops, beispielhaft vorgeführt in einem Video des Holländers Gerald van der Kaap, der eine Fernsehreporterin kurz vor dem Auftritt beobachtet und all die Übersprungs-Handlungen der Nervosität in einer Endlosschleife wiederholt.
Bleiben wir mal bei den Verästlern und Verrätslern: Bei Carlfriedrich Claus sieht man, wie sich das Denken aus dem Schreiben und Zeichnen in den Raum, ins Optische hinein entwickelt. Ähnlich mäandernd die Wortarbeiten, die netzartigen "Mind Maps" von Lia Perjovschi. Eine alte Dia-Projektion von Robert Barry aus den 1970er-Jahren knüpft Satzreihen aneinander, deren Sinn unklar bleibt – das ist sozusagen die Extremform von Bedeutungs-Offenheit.
Dann gibt es, von "Anna K.E.", das Video einer Balletttänzerin, die völlig planlos durch ein Atelier schabt und trippelt und unerträglich lange (auch für den Zuschauer unerträglich lange) auf den Spitzen steht. Oder, ein Beispiel der Wiederholung: die immer neu wartenden und winkenden Schulkinder und die aufgeregt-blasierten Protokoll-Chefs eines Dritte-Welt-Landes, die in einem Video von Bani Abidi eines hohen politischen Besuchs harren – den wir nie zu Gesicht bekommen.
Was diese Arbeiten vor anderen prädestiniert, als Beispiele des Zauderns gezeigt zu werden, bleibt eher unklar. Cicerone durch die Ausstellung ist übrigens der Philosoph Joseph Vogl, der auf mehreren Monitoren wortreich und in vielen Varianten erklärt, das Zaudern sei "der Schatten des Handelns". Die schönste Arbeit ist auch die kürzeste: Auf einem Video von Mircae Cantor schneidet ein kleiner Junge mit einer Schere in einen Wasserstrahl – und dieser Schnitt beendet auch das nur eine Sekunde dauernde Video. Da bleibt zum Zaudern gar keine Zeit.