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Von Auswanderung zum Kreislauf

Forschungspolitik. – Zwei Themen prägten die Präsentation des Jahresberichts 2006, den die Deutsche Forschungsgemeinschaft jetzt vorlegte: Wie man die Attraktivität des Forschungsstandorts Deutschland steigern kann, und wie der zweite Teil des Wettbewerbs um die Mittel der Exzellenzinitiative weitergehen soll.

Von Britta Mersch |
    Wenn man Matthias Kleiner, den Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, in diesen Tagen fragt, wo die aktuell wichtigste forschungspolitische Herausforderung liegt, dann ist seine Antwort eindeutig:

    "Was mir im Moment am meisten durch den Kopf geht und auch mein Herz bewegt ist: Wie können wir es hinbekommen, dass wir junge Leute in Deutschland, junge Leute in der Wissenschaft noch besser behandeln können."

    Denn viele Nachwuchs-Forscher, sagt Matthias Kleiner, blicken in Deutschland in eine unsichere Zukunft. Anderswo seien die Rahmenbedingungen deutlich besser als hierzulande. Kleiner:

    "Ein großer Punkt ist die schlechte Bezahlung, die neuen Tarifverträge, die seit geraumer Zeit gelten, sind im Grunde Abdeckungstarife und es ist absurd, dass wir meinen, mit weniger Geld, schlechterer Bezahlung, bessere Leute in der Konkurrenz zu unseren Wettbewerbern international in Deutschland halten zu können oder hierher holen zu können. Da muss wesentlich mehr passieren."

    Mehr Geld, mehr Autonomie, bessere Arbeitsbedingungen - klare Forderungen an die deutsche Wissenschaftspolitik, die da bei der DFG-Jahresversammlung formuliert wurden. Experten wie Beate Scholz, die bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft die Nachwuchsförderung koordiniert, räumen allerdings ein, dass sich durchaus schon einiges zum Positiven verändert hat. Scholz:

    "Ich finde, dass wir unser Wissenschaftssystem zurzeit umbauen, dass wir Universitäten enthierarchisieren, und das hat zur Folge, dass Deutschland als Wissenschaftsstandort zunehmend attraktiv wird. Dazu trägt auch der Differenzierungsprozess innerhalb der Universitätslandschaft bei, der natürlich durch die Exzellenzinitiative unterstützt wird. Und wir beobachten auch in dem Kontext, dass ein DFG-gefördertes Forschungszentrum (...) etwa 50 Prozent hochqualifizierte Personen aus dem Ausland rekrutiert, weil es ein international sichtbarer Leuchtturm ist. Insofern ist in Deutschland viel in Bewegung und das ist für mich auch ein Zeichen dieser so genannten Brain Circulation."

    Denn vom Brain Drain – also der Abwanderung deutscher Köpfe ins Ausland – möchte die DFG nicht mehr sprechen. Stattdessen soll der Begriff Brain Circulation die Normalität des internationalen Forschungsaustausches hervorheben. Und deutlich machen, dass deutsche Forscher, die ins Ausland gehen, mit den richtigen Rahmenbedingungen auch wieder zurückgeholt werden können. Und dafür braucht man noch nicht einmal millionenschwere Förderprogramme, sagt Jörg Schneider, DFG-Koordinator für Internationale Zusammenarbeit.

    "In der letzten Zeit verstärken wir in Ländern, in denen es sehr viele junge Deutsche gibt, also speziell USA, Kanada zum Beispiel, einfach unsere Informationsmaßnahmen. Das klingt jetzt etwas banal, aber wenn Sie mal zwei, drei Jahre aus dem deutschen System weg sind, dann kennen Sie das nicht mehr so genau. (...) Wenn wir hier mit gezielten Informationsmaßnahmen in den USA, in Kanada zum Beispiel junge Deutsche zusammen holen, sie informieren, ihnen auch Unterstützung anbieten bei der Re-Integration, dann haben wir das Gefühl, das hilft."

    Schon jetzt kommen 85 Prozent der Forscher nach einigen Jahren im Ausland zurück an die deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Inwieweit sich das durch die neuen Maßnahmen noch verstärken wird, ist zurzeit noch nicht absehbar. Als echtes Werbeargument für den Wissenschaftsstandort Deutschland erweist sich jedenfalls die Exzellenzinitiative. Der Wettbewerb der Hochschulen um die insgesamt 1,9 Milliarden Euro vom Bund wird auch im Ausland mit großem Interesse verfolgt. Zumal die Gelder noch längst nicht alle vergeben sind. DFG-Präsident Matthias Kleiner:

    "Rein formal stehen wir in der Halbzeit. Wir haben die eine Hälfte entschieden, bei der anderen Hälfte laufen gerade die Begutachtungen. Ich habe den Eindruck, dass die Exzellenzinitiative insgesamt viel für das deutsche Wissenschaftssystem schon jetzt gebracht hat. Was die zweite Hälfte angeht, die wir am 19. Oktober entscheiden: Ich habe den Eindruck, dass die Qualität der Beiträge noch besser geworden ist, dass insgesamt das Verfahren sich gesteigert hat, weil wir natürlich auch mehr Erfahrungen haben und ich bin unglaublich optimistisch, dass wir am 19. Oktober eine ganz hervorragende Entscheidung treffen werden."

    Offiziell ist der Exzellenzwettbewerb mit der Entscheidung im Herbst beendet. Doch Matthias Kleiner hofft, dass sich Bund und Länder dazu durchringen, diese Art der Elite-Förderung fortzusetzen. Auch in diesem Fall sieht die DFG also die Politik in der Pflicht.