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Von Barock bis Mozart

Die Sopranistin Danielle de Niese erkundet auf ihrer neuen CD die Schönheit der Barockmusik. Stimmlich einige Etagen tiefer und musikgeschichtlich eine Epoche später widmet sich Bassbariton Ildebrando d'Arcangelo dem Werk seines Lieblingskomponisten: Mozart.

Von Jochen Hubmacher |
    Danielle de Niese und Ildebrando d'Arcangelo - ein Werbestratege hätte sich diese Namen kaum besser ausdenken können. Sie klingen nach Noblesse, Exklusivität und jeder Menge Poesie. Nicht die schlechtesten Attribute für zwei Sänger. Danielle de Niese ist Sopranistin und dabei sich in der Weltspitze zu etablieren, Ildebrando d'Arcangelo Bassbariton und dort oben schon vor einigen Jahren angelangt. Ihre beiden kürzlich veröffentlichten Soloalben möchte ich Ihnen heute vorstellen.

    " "Ombra mai fu" aus der Oper "Xerxes" K: Georg Friedrich Händel "

    Ombra mai fu - Die amerikanische Sopranistin Danielle de Niese mit der berühmten Arie aus Georg Friedrich Händels Oper "Xerxes". Zu hören auf der gerade beim Label Decca erschienenen CD "Beauty of the Baroque". Der Titel deutet es an, wir haben es hier nicht mit einem intellektuell ausgefeilten Konzeptalbum zu tun. Danielle de Niese will ihren Hörern schlicht die Schönheit der Barockmusik näher bringen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Die Sängerin hat sich überwiegend bekannte Stücke von Dowland über Monteverdi, Purcell, Händel, Pergolesi bis hin zu Johann Sebastian Bach ausgesucht. Sie begibt sich damit auf ein Feld, auf dem bereits etliche hochklassige Aufnahmen existieren und an denen sie sich messen lassen muss.

    Seit ihrer Teenagerzeit beschäftigt sich Danielle de Niese, deren Eltern aus Sri Lanka stammen und niederländische Wurzeln haben, mit Barockmusik. "Auf der Suche nach Material, das für ihre jugendliche Stimme geeignet war" sei sie darauf gestoßen, lernen wir aus dem CD-Booklet. Dem Teenageralter ist Danielle de Niese jedoch seit mehr als einem Jahrzehnt entwachsen. Und ihre Stimme ist es ebenfalls. Kraftvoll, satt, voluminös und gelegentlich mit reichlich Vibrato ausgestattet, was den beiden Dowland Liedern auf der Aufnahme nicht besonders gut bekommt. Anders bei "Quel sguardo sdegnosetto" aus Claudio Monteverdis "Scherzi musicali". Das Lied handelt von einem verliebten Sänger, den die verächtlichen Blicke seiner Angebeteten wie Pfeile ins Herz treffen. Hier punktet Danielle de Niese mit großer dramatischer Präsenz, auch wenn ihr die virtuosen Koloraturpassagen bisweilen etwas schwerfällig über die Lippen kommen.

    " "Quel sguardo sdegnosetto" aus "Scherzi musicali" K: Claudio Monteverdi "

    Auf den ersten Blick ist dem neuen Barock-Album von Danielle de Niese nicht anzusehen, welche Überraschung sich darin verbirgt. Kein Wort auf der CD-Frontseite verweist auf den Gesangspartner, mit dem die Sopranistin immerhin drei Duette aufgenommen hat. Erst im Booklet taucht der Name auf. Es ist niemand Geringerer als der Countertenor Andreas Scholl und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet die Duette für die musikalischen Höhepunkte der Platte sorgen. Etwa das "Pur ti miro", das Finale aus Claudio Monteverdis Oper "L'incoronazione di Poppea". Ein musikalisch wunderschöner, aber bei näherer Betrachtung reichlich verlogener Liebesgesang zwischen Poppea und Nero. Zwei Menschen, die mehr durch ihren gemeinsamen Machthunger als durch zärtliche Empfindungen miteinander verbunden sind.

    " "Pur ti miro" aus der Oper "L'incoronazione di Poppea" K: Claudio Monteverdi "

    Danielle de Niese und Andreas Scholl mit "Pur ti miro" aus der Oper "L'incoronazione di Poppea" von Claudio Monteverdi. Es sind die insgesamt drei Duette mit dem deutschen Countertenor, die das jetzt beim Label Decca erschienene Album "Beauty of the Baroque" von Danielle de Niese letztlich zu einer hörenswerten Aufnahme machen.

    "Mozart ist mein Gott!" Das meint der italienische Bassbariton Ildebrando d'Arcangelo. Mit seiner neuen Solo-CD betreibt er demnach so etwas wie Gottesdienst. Denn ihr Titel lautet schlicht "Mozart" und was außen draufsteht, ist innen auch drin.

    " "Fin ch'han dal vino" aus der Oper "Don Giovanni" K: Wolfgang Amadeus Mozart "

    Die "Champagner-Arie" aus Mozarts Oper "Don Giovanni". Ildebrando d'Arcangelo hat sich auf seinem kürzlich bei der Deutschen Grammophon herausgekommenen Arien-Album ausschließlich seinem "Hauskomponisten" gewidmet. So bezeichnet er Wolfgang Amadeus Mozart im Begleitheft zur CD. Mozart sei auch derjenige gewesen, der in ihm die Leidenschaft für Musik geweckt habe, erfährt der Leser und Ildebrando d'Arcangelo kokettiert schließlich mit der bescheidenen Hoffnung, dass seine Stimme Mozarts Musik gerecht werde. Würde sie das nicht, könnte man den Bassbariton wohl nicht regelmäßig in wichtigen Mozart-Partien an der Wiener Staatsoper, der Mailänder Scala oder am Londoner Covent Garden erleben. Klar kommt ihm dort seine attraktive Erscheinung Kategorie "Latin Lover" zugute. Die Rolle des virilen Verführers scheint ihm auf den Leib geschneidert. Doch legt man das CD-Booklet mit den inszenierten Hochglanzfotos beiseite und konzentriert sich auf das wesentliche, dann erlebt man eine prachtvolle, warme Stimme, die niemals Gefahr läuft die Musik zu erschlagen, jederzeit kontrolliert und dennoch ungemein ausdrucksstark. Ildebrando d'Arcangelo hat betörenden mozartschen Wohlklang ebenso im Repertoire wie die Testosteron triefende Macho-Attitüde.

    Sein Mozartalbum versammelt viel Bekanntes wie das gerade schon gehörte "Fin ch'an dal vino" oder Leporellos "Register-Arie" aus dem "Don Giovanni". Es findet sich jedoch auch Neues auf der CD. Sogar eine Ersteinspielung. Dabei handelt es um eine neue kritische Edition eines verschollenen Rezitativs aus der Oper "Le Nozze di Figaro". Das einminütige Stückchen wurde wohl einst für Mozarts ersten Figaro, den Bariton Francesco Benucci geschrieben. Als Einschub vor der Arie "Non più andrai".

    In den 1930er Jahren tauchte es plötzlich auf, Experten bezweifelten jedoch seine Echtheit. Die Partitur mit dem Rezitativ verschwand wieder in einem Safe in Florenz. Der Musikwissenschaftler Francesco Lora durfte sie noch einmal unter die Lupe nehmen, und ist sich nach eingehender Prüfung sicher, dass das Stück wohl doch aus der Feder Mozarts stammt. Die verloren gegangene Bratschenstimme des Rezitativs hat Lora rekonstruiert und das Ergebnis ist nun erstmals auf Ildebrando d'Arcangelos Mozart-CD zu hören.

    " "Ehi, sor paggio" - "Non piú andrai, farfallone amoroso" aus der Oper "Le Nozze di Frigaro" K: Wolfgang Amadeus Mozart "

    Diskografie:

    "Beauty of the Baroque"
    Danielle de Niese
    The English Concert
    Ltg.: Harry Bicket

    Label: DECCA
    Bestell-Nr.: CD 478 2260
    LC:00171

    "Mozart"
    Ildebrando d'Arcangelo
    Orchestra del Teatro Regio di Torino
    Ltg.: Gianandrea Noseda

    Label: Deutsche Grammophon
    Bestell-Nr.: 00289 477 9297
    LC: 0173