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Von der Einöde in die Charts

Lily und Madeleine sind zwei musikalische Schwestern aus dem Mittleren Westen. Als sie ein Cover eines Songs ins Internet stellten, wurde ein Produzent auf sie aufmerksam. Nun erscheint das erste Album der 16 und 18 Jahre alten Teenager.

Von Bernd Lechler | 07.11.2013
    Madeleine: "War das im ‚Guardian‘, Lily, wo was von deiner zerzausten Frisur stand? Das fand ich wirklich lustig, dass sie das Foto so kommentierten. Sooo unordentlich sind wir gar nicht!"

    Aber es war natürlich ein Kompliment und eine Metapher des "Guardian"-Autors: die ungekünstelte Frisur zur ungekünstelten Musik zweier ungekünstelter Schwestern - die mal nicht aus Kalifornien oder gar New York kommen.

    Lily: "Wir sind zwei ganz normale Teenager aus Indiana. Im Mittleren Westen bleibt man auf dem Boden."

    Madeleine: "Ja, irgendwie hat das was, so in der Mitte des Landes. Man ist näher an seinen Wurzeln."

    Die angesprochenen Wurzeln hört man wirklich in ihren Songs: in den reduzierten Arrangements, den Naturbildern der Texte, die nie von Liebeskummer, dafür gar nicht so jungmädchenhaft assoziativ von Ängsten und Träumen handeln - und eben von ganz konkreten Orten.

    Madeleine: "Im Song ‚Spirited Away’ geht’s um French Lick, das ist ein Ferienresort in Indiana, das in den 1930 Jahren populär war. Mit heißen Quellen, die inzwischen vertrocknet sind. Die Umgebung ist kleinstädtisch, und mittendrin steht dieses alte Prachthotel, irgendwie mysteriös und voller Geschichte."

    Die Wurzeln also. Das akustisch Schlichte, nach dem in diesen digitalen Zeiten ja offenbar eine geradezu genrebildende Sehnsucht besteht. Nichts ist provokant oder schräg an diesen Songs, aber alles an ihnen stimmt. In jeder Rezension fällt irgendwann das Wort: Schönheit.

    Madeleine: "Wir mögen schon schöne Songs, aber eigentlich geht’s mir darum, mich auszudrücken. Wenn das dann ‚schön’ wird, prima, aber es nicht mein Ziel."

    Dass Lily & Madeleine Schwestern sind, mache die Sache leichter. Die Nähe auf Tour sind sie gewohnt, die Distanz derzeit zwischen Indianapolis, wo Lily zur Schule geht, und dem eine Stunde entfernten Bloomington, wo Madeleine seit ein paar Wochen studiert, überbrücken sie mit Heimsessions am Wochenende. Und wie ihre Stimmen sich zu einem, bezwingen den Sound verbinden, dazu gehört vielleicht wirklich geschwisterliche Vertrautheit.

    Madeleine: "Lily hat eher eine Altstimme, ich bin eher Sopran, und wir kennen uns da extrem gut, wir können improvisieren beim Singen. Manchmal ist das fast unheimlich, da denk ich: Woher weiß Lily jetzt, was ich singen wollte, und legt ihre Stimme genau drunter."

    Als Hobby fing das an mit dem Singen, ohne jegliche Ambition auf eine Karriere. Nun da es eine ist, könne sie sich’s schon gar nicht mehr anders vorstellen, sagt Lily.

    Lily: "Wenn man auf der Bühne ein Lied singt, an dem man lange gearbeitet hat, um seine Gefühle rüberzubringen, und man ist stolz drauf - und dann klatschen die Leute, das fühlt sich so gut an. Weil sie im Grunde würdigen, dass du du selbst bist. Das gehört zum Schönsten an dem Job."