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Von der Konsole in den Konzertsaal

Klangteppiche und stimmungsvolle Themen - die Musik spielt bei Computerspielen eine immer wichtigere Rolle. Längst wird sie von bekannten Komponisten wie dem Oscar-Preisträger Hans Zimmer geschrieben. Die Melodien live von einem Orchester gespielt zu hören, wird immer populärer.

Von Christian Schiffer | 01.03.2013
    Sanft erklingt die Harfe, geschmeidig schleichen sich Fagotte und Geigen in das Ohr des Zuhörers. Es ist eine wohlklingende Musik, die Ende November in der Royal Albert Hall in London ertönt. Hinter dem Orchester stehen zwei große Leinwände auf denen bunte Bilder zu sehen sind: Bilder, die Figuren mit großen Augen im japanischen Manga-Stil zeigen, Szenen aus dem Computerspiel Final Fantasy. Auf 14 Teile bringt es Final Fantasy mittlerweile, über 100 Millionen mal haben sich die Spiele insgesamt verkauft. In Teil 3 aus dem Jahr 1990, klang die Musik noch so:

    Musik von der Konsole auf den Konzertflügel zu bringen, daran versucht sich am Wochenende auch die Münchner Philharmonie in zwei Konzerten. Organisiert werden die Veranstaltungen von den Klassikspezialisten der Münchenmusik GmbH. Der Geschäftsführer Andreas Schössel hofft darauf, Gamer von ihrem Controller weg und in den Konzertsaal zu locken. Aber auch die Fans traditioneller Klassik sollen auf ihre Kosten kommen:

    "Ich hoffe auch, dass Kunden, die von uns informiert werden und normalerweise in die Carmina Burana gehen oder so, dadurch, dass wir ihnen das Konzert anbieten, auch Vertrauen haben, dass sie da hineingehen können. Dass das etwas ist, wo dann nicht nur Computernerds sitzen, sondern, dass es etwas ist, das man sich aufgeschlossen zu Gemüte führen sollte!"

    Ein orchestraler Soundtrack gehört bei modernen Computerspielen genauso selbstverständlich dazu, wie zu großen Hollywood-Filmproduktionen. Der Soundtrack zum Egoshooter "Crysis 2", das dieses Jahr den deutschen Computerspielpreis gewonnen hat, wurde beispielsweise von dem Oscarpreisträger Hans Zimmer geschrieben:

    Die Idee, Computerspielmusik live aufzuführen, wurde in den 90ern in Japan geboren. Mittlerweile hat sich daraus ein globaler Markt entwickelt: Vor allem im angelsächsischen Raum boomen die Computerspielkonzerte, aber auch in Deutschland führt das WDR-Rundfunkorchester mittlerweile zweimal pro Saison Games-Musik auf. Dabei unterscheidet sich die Games-Musik durchaus von Filmmusik. Das hat mit den Besonderheiten des Mediums zu tun, sagt Andreas Schössel:

    "Es ist Musik, bei der man jetzt nicht sagt:'"Oh, hier ist das Thema! Und hier ist die […])' oder sonst irgendwas. Es sind andere Eindrücke. Es ist Musik, die das was auf dem Computer oder auf der Leinwand passiert befördert und verstärkt. Es ist ja interaktiv im Spiel und die Musik muss ich sehr sehr schnell adaptieren lassen. Es müssen sich Sprünge im Spiel vollziehen lassen, ohne dass der Musiksprung störend ist oder ablenkend ist."

    Je nachdem, ob es in dem Spiel gerade hektisch oder ruhig zugeht, muss sich die Musik verändern und das am besten ohne hörbare Brüche – eine große Herausforderung für die Komponisten. Und die Musik darf nicht nerven, auf Ohrwurm-Refrains wird deswegen eher verzichtet. Ein bisschen erinnert die Musik aus Final Fantasy deswegen an die ruhigen Klänge des Komponisten und Pianisten Ludovico Einaudi, der zurzeit unter den Anhängern klassischer Musik sehr populär ist. Vielleicht laufen sich also bald zwei Gruppen öfter über den Weg, die bislang nicht besonders viel miteinander zu tun hatten: Die Klassik-Abonnenten auf der einen und die Sofa-Zocker auf der anderen Seite. Denn Computerspielmusik könnte es in Zukunft häufiger in den Konzertsaal schaffen, sagt Anette Joseph, Orchesterdirektorin der Münchner Symphoniker:

    "Auch die Computerspieler kommen aus ihren Teenager-Jahren raus, sie kommen ins Mittelalter rein. Da gibt es bei Final Fantasy sicher auch einen gewissen Nostalgieeffekt. Und ich denke wenn eine Computerspielmusik qualitativ gut ist, dass man wirklich sagen kann, sie ist nicht nur aus Samples hergestellt, sondern sie ist wirklich für ein Symphonie-Orchester konzipiert, dann spricht meiner Ansicht nach gar nichts dagegen."