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Von der Quoten- zur Deko-Frau

Schwarze Latexhandschuhe, ein weißes Eisbärbaby und der deutsche Konjunkturfrühling - das waren die bunten Themen bei Sabine Christiansen. Ein Unternehmensberater, ein stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender und ein "Spiegel"-Redakteur brachten immerhin wirtschaftspolitische Kompetenz in die Runde. Warum allerdings eine Fürther Landrätin und eine kommunistische Plattform-Politikerin eingeladen waren, blieb dunkel.

Von Beatrix Novy |
    Wer in Italien Fernsehen guckt, egal ob privat oder staatlich, kommt an den Veline nicht vorbei. Velina heißt Showgirl. Und mit Show ist die Arbeitsbeschreibung auch schon komplett: Die Veline zeigen her. Sitzen in Talkshows und Diskussionsrunden herum, neben Politikern, Schriftstellern oder Künstlern, und während die dem Publikum zeigen, was sie alles auf dem Kasten haben, zeigen die Veline, was sie im Dekolleté haben. Außerdem lange Haare, blendendweiße Zähne, großartige Beine. Es kommt vor, dass sie auch mal einen Satz sprechen.

    Naja, Italien ... ! Wir hier haben keine Veline. Unser öffentlich-rechtliches Fernsehen ist sauber, seriös und den Inhalten verpflichtet. Wenn in unserer politischen Talkshow par Excellence allsonntäglich die Republik analysiert wird, bleibt die Phalanx der Anzug- und Bedeutungsträger unter sich, aufgelockert nur von einem, maximal zwei versprengten weiblichen Wesen aus der Politiksphäre, so genannten Quoten- oder Alibifrauen. Ein Zahlenverhältnis, das im großen und ganzen dem an den Schalthebeln der Macht entspricht, und warum sollte ausgerechnet eine TV-Meinungsmacherin daran was ändern wollen?

    Aber seit Sabine Christiansen ihren Rückzug angekündigt und offenbar die Hemmschwelle in Richtung Unterhaltung etwas gesenkt hat, geht es in ihrer Show doch bunter zu, man könnte sagen: mehr People-mäßig. Was die Fürther Landrätin Gabriele Pauli mit dem gestrigen Christiansen-Thema - irgendwie rund um den Aufschwung - zu tun hat, weiß man nicht; aber, als Stoiber-Opponentin einmal prominent geworden, hat sie gerade für eine Hochglanzzeitschrift in Langhaarperücke und Latexhandschuhen posiert. Und eine Frau, die mithin sowohl der Politik- als auch der People-Sphäre zugehört, ist einfach erste Wahl.
    Was man von der zweiten Frau in der Runde nicht sagen kann. Sahra Wagenknecht spielte wie immer die Rolle des Krokodils im Kasperl-Theater: ein Halbsatz und schon haut jemand drauf. Ganz anders Gabriele Pauli. Die durfte auf Anfrage von Sabine Christiansen erklären, sie wisse wirklich nicht, was schwarze Handschuhe mit Politik zu tun hätten. Beifall. Frau Pauli ist dann noch ungefähr zweimal von der Talkmeisterin zum Reden aufgefordert worden. Einmal sollte sie unvermittelt die globale Arbeitsmarktlage erklären, was sie hörbar überforderte. Und kurz vor Schluss: Ob sie sich Aufschwung von der Zukunft erhoffe. "Fragen Sie mich jetzt als Kommunalpolitikerin?" begann Frau Pauli hoffnungsvoll, aber, nein, den Part hatte vorher schon ein anderer, ein männlicher Landrat im Publikum übernehmen dürfen. Für sich persönlich solle sie sprechen, beschied sie Sabine Christiansen, und nur ganz kurz. Frauen sind aufs Persönliche bekanntlich abonniert. Wer solche Schwestern hat, braucht keine Patriarchen mehr. Unnötig zu sagen, dass ein Peter Hahne seine Unbedarftheit sehr viel weitschweifiger demonstrieren konnte.

    Christiansen ist ein Stück Medienöffentlichkeit, das nach festen Regeln funktioniert. Wer hingeht, kennt seine Rolle und weiß, worauf er sich einlässt. Bei Christiansen kriegt jeder, was er verdient. Die einen weniger, die anderen mehr.