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Von großen und kleinen Beben

Geologie.- In den vergangenen Monaten hat es eine ganze Reihe katastrophaler Erdbeben gegeben. In solchen Fällen kommt immer wieder die Frage auf, ob diese Ereignisse miteinander in Verbindung stehen. Um einem möglichen Zusammenhang auf die Spur zu kommen, haben sich Seismologen des USGS die Erdbeben der vergangenen 30 Jahre angesehen.

Von Dagmar Röhrlich | 28.03.2011
    Tom Parsons vom Amerikanischen Geologischen Dienst USGS hat den Bebenkatalog der vergangenen 30 Jahre unter die Lupe genommen:

    "Manche Beben werden von sehr starken Nachbeben begleitet, und deshalb fragen wir uns, ob wir nach jedem sehr starken Erdbeben die globale Gefährdung für eine Weile nach oben setzen müssen? Derzeit nehmen wir an, dass schwere Beben nur in ihrer Umgebung weitere starke Ereignisse auslösen können. Müssen wir diese Zone ausweiten? Also haben wir die Daten aller Erdbeben mit Magnituden größer als 7.0 daraufhin untersucht, ob ihre Wellen starke Beben in anderen Teilen der Welt ausgelöst haben."

    Das Ergebnis: Der statistischen Analyse zufolge steigt nach einem starken Beben in der Nachbarschaft des Epizentrums die seismische Aktivität an: Aber nur in einer Distanz von etwa 1000 Kilometern werden andere starke Erdbeben getriggert. Über diese Region hinaus sind mehrere starke Beben hintereinander reiner Zufall. Auch das Christchurch-Beben in Neuseeland hat nichts mit dem Beben am Japan-Graben vor Sendai zu tun:

    "Wenn wir die 205 starken Beben, die sich in diesem Zeitraum von 30 Jahren ereignet haben, sorgfältig analysieren, sehen wir keine statistisch relevanten Zusammenhänge."

    Das globale Risiko steigt also nach einem sehr starken Erdbeben nicht an. Allerdings fanden die Seismologen zu ihrem Erstaunen einen ganz anderen Zusammenhang: Starke Beben lösen Schwärme von Beben aus, die jedoch allesamt kleiner sind als Magnitude 5 und damit in der Regel ungefährlich. So hat das Sumatra-Beben 2004 selbst noch 20.000 Kilometer entfernt in Ecuador Beben getriggert - ebenso in Asien oder Europa und selbst in Australien, einem fast "erdbebenfreien" Kontinent:

    "Wir versuchen gerade, die Physik dahinter zu verstehen, in dem wir jedes einzelne Ereignis modellieren. Wenn sich an einer Störung so hohe Spannungen aufgebaut haben, dass sich ein starkes Beben ereignet, dann reißt die Erdkruste über eine große Distanz. Bei kleinen Beben hingegen reißt nur eine kurze Strecke auf. Vielleicht beeinflussen die Wellen, die von einem starken Beben um die Welt geschickt werden, immer nur ein kurzes Stück dieser Störungen und lösen deshalb auch nur kleine Beben aus. Wir wissen es noch nicht. An Störungen passieren eine Menge Dinge, die wir nicht wirklich verstehen, und wir werden wohl eine Weile brauchen, um das zu enträtseln."

    Aber zumindest was den Auslöser dieser Schwärme kleiner Beben angeht, haben die Seismologen derzeit einen Verdacht:

    "Der Zusammenhang zwischen einem großen und den vielen kleinen Beben scheinen die Oberflächenwellen zu sein. Das sind Erdbebenwellen, die sich nur innerhalb der Erdkruste fortpflanzen, die nach einem Ereignis ihre Energie darin sozusagen kanalisiert rund um die Welt leiten."

    Diese Wellen laufen mit Geschwindigkeit von vier Kilometern pro Sekunde an der Oberfläche entlang – und wo immer sie rund um dem Globus Störungen passieren, können diese Oberflächenwellen kleine Beben auslösen.