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Von kleinen Geschenken bei großen Geschäften

Wir haben doch keinen umgebracht! Wir haben doch kein Drogengeschäft gemacht! Wir haben doch die Leute nicht vergiftet! Wir haben auch nicht unter Druck gesetzt! Wir haben nur normale Bestechung gemacht! Hat jeder zufrieden gewesen! Einer hat genommen - einer hat gegeben!

Von Sabine Voss |
    "Jeder ist käuflich" zitierte die türkische Tageszeitung "Hürriyet" ihren Titelbildhelden Demirel Kirmizigül, der sich auf dem Foto dazu Daumen und Mittelfinger reibt. Bis er schließlich aufflog, hatte Demirel Kirmizigül vier Jahre lang als Geschäftsführer der Berliner Fahrschule "Baris" - zu deutsch: "Frieden" - den Führerschein an Fahrschüler verkauft, die das Fahrprüfungsprozedere für sich abkürzen wollten. Demirel Kirmizigüls Kunden stammten in der Mehrzahl aus der türkischen Gemeinde. Von seinen Erträgen gab er fünf bestochenen Fahrprüfern der DEKRA und einem des TÜVs ihren Anteil ab. Ein Fahrprüfer der DEKRA war Falk Kretschmer.

    Dämlichkeit. Dämlichkeit wird bestraft. Weil man so blöde war, sich mit dem Demirel eingelassen hat. Der hat ganz raffiniert verstanden, mich auch rumzubekommen. Wo ich dann auch mitgespielt hab. Aber ich sags noch mal, nicht um mich in großer Form bereichern zu wollen. In dieser Funktion darfste nicht mal ne Tasse Kaffee oder fünf Mark annehmen. Das ist schon Bestechlichkeit. Aber korrupt in dem Sinne, dass ich nun aufs große Geld aus war, das möchte ich nach wie vor widerlegen, das bestreiten.

    Zum Kreis der Akteure im Fall Kirmizigül gehörten auch stille Mitwisser, die nichts gesehen, nichts gehört und nichts gerochen haben wollen. Profiteure, die nicht belangt worden sind - sie haben sich nicht strafbar gemacht. Da ist zum einen der deutsche Fahrschulbesitzer und Lizenzgeber, ohne den der Quereinsteiger Kirmizigül einen Fahrschulbetrieb nicht hätte aufbauen können. Kirmizigüls Kontakte in die türkische Gemeinde beschehrten der Fahrschule Schülerzahlen, von der die ehrliche Konkurrenz nur träumen konnte. Und da gibt es zum anderen die Führungsetage der Zweigniederlassung der Berliner DEKRA. Kleinbusladungsweise wurden die Prüflinge in manipulierten Prüfungen abgefertigt. Man hat nichts gesehen. Man hat aber blühenden Umsatz gemacht.

    Korruption - es ist selbstverständlich kein Thema an sich.

    Andreas Schmidt leitet seit zwei Jahren bundesgebietsübergreifend das Qualitätsmanagement im Führerscheinverfahren der DEKRA. Der Korruptionsvorfall hat sich vor seiner Dienstzeit ereignet. Ein Ansprechpartner für Fragen danach, was sich seit dem Korruptionsvorfall bei der DEKRA bewegt und verändert habe, will Andreas Schmidt nicht sein.

    Ich leugne nichts, ich kann nur zu dem Sachverhalt, der in Berlin aufgetreten ist, keine Meinung äußern. Es ist nur eins der Fall, es ist nicht bewiesen, dass dort ein Mitarbeiter unserer Einrichtung sich diesbezüglich falsch verhalten hat. Das ist nicht bewiesen. Weiter weiß ich nichts. Ich weiß es nicht. Tut mir leid.

    Der Führerscheinskandal endete mit sieben rechtskräftigen Verurteilungen und begann, wie Korruptionsfälle häufig beginnen: Am Anfang steht der Erstkontakt und damit die Frage, wie einer, der korrumpieren will, dem anderen begreiflich macht, was der vielleicht bis dahin gar nicht oder nur ungefähr von sich wusste: dass er nämlich bestechlich ist. Am Anfang steht das Anfüttern. Demirel Kirmizigül:

    Ledig? Verheiratet? Kinder? Was machen die Kinder? Das muss man wissen. Das ist sehr wichtig. Hobby. Was er in der Freizeit macht. Trinkt er gerne? Mit Frauen? Wenn du unbedingt eine Person erreichen willst oder mit dem Geschäfte machen willst, musst du seine schwache Stelle finden.

    Liebt er Cognac? Hat er einen Sohn, der studiert - das heißt, der braucht eventuell Geld? Baut er noch, oder hat er's abbezahlt? Hat er 'ne Geliebte, kostet die Geld? Soll der Schein aufrecht erhalten bleiben, oder ist es ihm egal? Schon danach richten sich ja ganz unterschiedliche Bedürfnisse.

    Die Bielefelder Korruptionsforscherin Britta Bannenberg weiß, worum es beim Anfüttern geht. Bannenberg ist es zu verdanken, dass Korruption in Deutschland aus dem unerforschten Dunkel ins Licht gerückt wurde. Dass Schmiergelder noch bis 1999 steuerabzugsfähig waren und Bestechung im Ausland nicht strafbar war, hat zur Vorstellung beigetragen, korrupt sei man nur in anderen Ländern, in Bananenrepubliken. Die Professorin Bannenberg hat mehr als hundert Strafverfahren ausgewertet und sich mit Hilfe der Gerichtsakten ein Bild von den 436 Beschuldigten dieser Prozesse gemacht.

    Also wer die Vorstellung hat, dass es jemand nötig hat, der sich bestechen lässt - also das ist ne ganz falsche Vorstellung. Die meisten Täter haben das überhaupt nicht nötig, im Gegenteil: man nimmt, was man kriegt, und da man nicht damit rechnet, überhaupt entdeckt zu werden, zieht man auch keine Risikovergleiche, also etwa der Art: lohnt es sich überhaupt, für 1000 Euro das Risiko einzugehen, den Job zu verlieren? Diese Kalkulation muss nicht anstellen, wer überlegt, ich werd eh nicht erwischt. Wo ist das Problem?

    Ein Briefumschlag wird über den Tisch geschoben, deklariert als "kleine Aufmerksamkeit". Verschlossen ist der Umschlag eine Katze im Sack, kann alles enthalten: Zwei Karten für's Kino oder für's Musical. Einen Gutschein. Oder Geld? 50, 100 oder 200 Euro? Alles ist möglich, solange der Umschlag nur zu ist. Ist er offen, kommt das der Bestechung gleich. Denn hier gibt es keine Ausrede - bereits die versuchte Bestechung ist ein vollendetes Delikt. Man muss den zu Bestechenden also schonen. Er muss den Umschlag genommen haben, bevor er realisiert, was er in letzter Konsequenz damit tat. Demirel Kirmizigül:

    Ich guck Deine Augen an, ich gebe Dir Geld. Du weißt nicht, wie das gegangen ist. Du guckst meine Augen - ich guck Deine Augen. Und Du weißt es. Aber Du weißt es erst am nächsten Tag! 'Was habe ich gemacht?!' Aber es ist zu spät!

    Hat man den Umschlag genommen und sind 100 Euro darin, so ist das keine Bagatelle. Der Empfänger des Umschlags hat sich auf die Bestechung eingelassen, erklärt Jürgen Knebel, Leiter des Rechtsamtes und der Antikorruptionsgruppe Berlin Spandau. Viele aber wissen nicht genau, wo die Grenzen sind.

    Wenn ein Bauleiter zusammen mit einer Firma, die er beauftragt hat, zur Baustelle fährt und er wird mitgenommen - das ist ein geldwerter Vorteil - oder wenn beispielsweise nach einer Bauabnahme man sich noch in einem Restaurant trifft und sich vom Bauleiter oder von Dritten, von der Firma, dem Bauherrn einladen lässt. Da stellt sich die Frage, ist das noch zulässig. Und im Zweifelsfall - das war sozusagen der Tenor dieser Sensibilisierung - sollten die Kollegen sich an uns wenden, ans Rechtsamt, an mich oder auch an den Bürgermeister. Das heißt, keine Frage darf offen bleiben!

    Jürgen Knebel weiß, dass Entscheidungsträger, etwa im Baubereich, im Visier der Aufmerksamkeit von Unternehmen stehen können. Er hat einen Gefährdungsatlas erstellt, der unzählige Arten der versuchten Vorteilsnahme auflistet. Denn für eine "kleine Gefälligkeit" wird irgendwann eine Gegenleistung erwartet. Oft beschwichtigen die Täter die Bestochenen sogar, bei einem "kleinen Geschenk" könne es sich doch nicht um Korruption handeln.
    Wie eine Spinne knüpfte Kirmizigül nach und nach sein Netz um fünf Prüfer der DEKRA und einen Prüfer des TÜVs. Keiner war Mitwisser des andern, jeder war Einzeltäter, man traf sich erst vor Gericht. Die Anklage lautete, in 129 Fällen - nachweislich - theoretische Fahrprüfungen manipuliert zu haben. Zarte Bleistiftpunkte markierten den Prüflingen jene Stellen auf den Prüfungsbögen, die sie kräftig ankreuzen sollten. Falk Kretschmer räumte vor Gericht mündliche Hilfestellungen ein. Vor der Masse der entsprechenden Führerscheininhaber kapitulierte das Gericht. Ihre Anklage hätte die Kapazitäten der Strafverfolgungsbehörden gesprengt. Gleichzeitig hätte jeder Beteiligte merken müssen, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging, meint Falk Kretschmer.

    Das ist nicht möglich, dass eine Fahrschule mit den paar Fahrlehrern so eine Menge an Leuten zur Prüfung ausbilden kann - also fachlich, richtig, qaulitativ. Das hätte jedem normal auffallen müssen. Das läuft doch nicht sauber da. Was ich auch dem Chef mal gesagt habe, richtig sauber läuft das nicht.

    Dass das Geschäft "wie geschmiert" lief, hatte einen weiteren Grund: Kirmizigül konnte eine ebenso menschliche wie systembedingte Schwachstelle ausnutzen: Das mangelnde Kontrollsystem. Denn eigentlich gilt das Rotationsprinzip. Ein Prüfer nimmt in wechselnden Fahrschulen Prüfungen ab und erfährt erst am Prüfungstag, wo und wen er prüfen wird. Kirmizigül wusste es vorher. Er konnte im Dipositionsbüro der DEKRA-Niederlassung ein- und ausgehen und bei der Sekretärin, die für den Prüfplan zuständig war, die ihm passenden Prüfer quasi bestellen. Am Dienstag den einen, am Mittwoch den anderen.

    Entscheidungen in die Hände einer Einzelperson zu legen war jahrzehntelange Praxis im öffentlichen Verwaltungsapparat. Als die Berliner Senatsverwaltung im neuen Jahrtausend endlich begann, die Einfallstore für Korruption systematisch zu analysieren, war der Spandauer Rechtsamtsleiter Jürgen Knebel einer der ersten, der alte Gewohnheiten aufgab und Konsequenzen zog. Endscheidend sei, dass nicht eine einzige Instanz kontrolliert, sondern dass Regelkreise geschaffen werden, die sich selbst kontrollieren.

    Und wir haben auch schon erste Erfahrungen in unserem Hause. Es gibt viele Fälle, wo dem Streuungsgebot nicht Rechnung getragen wird. Im Vergaberecht gilt der Grundsatz, dass, wenn man auch freihändig vergibt, nicht immer nur jahrelang eine Firma bedienen darf, sondern man muss wechseln. Und dies ist früher überhaupt nicht aufgefallen, dass ein Bauleiter immer nur eine Firma beauftragt hat. Jetzt, durch unser neues System, des Vier- und Sechs-Augen-Prinzips fällt, es uns auf.

    Ein Vergaberegelungetüm nennt Kirstin Pukall, juristische Referentin im Bundeswirtschaftsministerium, das seit den 20er Jahren angewachsene Vergaberegelwerk. Die Bundesregierung plant daher eine Novelle - Vereinfachung und Transparenz. Gerade für Aufträge unterhalb der so genannten Schwellenwerte - für Bauvorhaben sind das 5,9 Millionen Euro, für Liefer- und Dienstleistungen 230.000 Euro - will die Vergabereform Verfahrenserleichterungen. Das bislang strenge Diktat, wie ein Auftraggeber einen öffentlichen Auftrag auszuschreiben hat, soll gelockert werden. Die öffentliche Ausschreibung, die beschränkte Ausschreibung und die freihändige Vergabe stellen drei mögliche Vergabeverfahren dar. Allein die öffentliche Ausschreibung gewährt bislang kontrollierende Beteiligung der Öffentlichkeit, wird aber in der Vergabepraxis am wenigsten häufig angewandt.

    Wir stellen den öffentlichen Auftraggebern frei, welches Verfahren sie wählen, aber verpflichten sie dafür, bei jeder Vergabeart Öffentlichkeit herzustellen. Jeder öffentliche Auftraggeber muss, bevor er einen Auftrag vergibt, dieses in einem geeigneten Medium transparent, publik machen. So dass jeder interessierte Bieter die Möglichkeit hat, sich zu melden und zu sagen, ich kann das, ich möchte gerne mitbieten. Und um Mauschelei zu verhindern wollen wir auch nach jedem vergebenen öffentlichen Auftrag zusätzlich eine Ex-Posttransparenz herstellen. Das heißt, wenn der Auftrag vergeben ist, wird in demselben Medium, bekannt gemacht, wer den Auftrag bekommen hat und zu welchem Preis.

    In einem Korruptionsregister sollen zusätzlich Unternehmen eingetragen werden, die wegen Unzuverlässigkeit aufgefallen sind und von weiteren öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen wurden. So würde künftig die Gemeinde A vom Korruptionsvorfall in der Gemeinde B erfahren und welches Unternehmen verwickelt war.

    Kirstin Pukall formuliert das Ideal der Novelle. Ihr Kollege Friedhelm Marx, Ministerialdirigent im Wirtschaftsministerium, aber beklagt den unheilvoll lähmenden Einfluss der Verbandsvertreter - des Bauverbands, des Bundesverbands der deutschen Industrie - auf die gesetzgebenden Ausschüsse. Denn die wollten an Verdingsverordnungen festhalten - an Verordnungen, auf die sich einst Geber und Nehmer öffentlicher Aufträge geeinigt haben, die also ein Verhandlungsergebnis sind. Ihre gewohnte aktive Mitbestimmung beim Formulieren auch neuer Vergaberichtlinien geben Verbandsvertreter natürlich so leicht nicht auf.

    Ich halte das Interesse nicht mehr für objektiv begründet, weil die wesentlichen Entscheidungen in der Sache werden in Brüssel im öffentlichen Auftragsrecht getroffen. Und in Wahrheit ist also das, was mit den Verdingungsausschüssen gewollt war, dass man sich als Marktgegenseiten auf die Regeln des Verhaltens beim Einkauf verständigt, eingentlich von vornherein nicht mehr möglich, denn in Brüssel sind sie vorgegeben. Worauf muss man sich dann noch verständigen. Interessant ist bei der Sache aber durchaus, dass gerade diejenigen, die am meisten von der Bundes-regierung Deregulierung verlangen, auf einmal sehr vorsichtig werden, wenn sie selbst betroffen sind.

    Korruption ist ein Geheimnisdelikt. Die verwickelten Täter scheuen Transparenz wie Vampire das Licht. Kriminologen wie Britta Bannenberg sprechen daher vom Dunkelfeld unaufgedeckter Fälle. Denn alle Beteiligten sind Täter

    Wir haben also keine Opfer, die reden, die Anzeige erstatten, und diejenigen, die etwas wissen, die berichten könnten, sind oft selbst Mittäter, oder sie sind Aussteiger, die um ihre berufliche Existenz zu Recht fürchten, und sie werden uns als Forschern recht wenig erzählen, sie erzählen auch den Medien relativ wenig. das sind abgeschottete Bereiche, wir haben im Hellfeld nur die wenigen Fälle, die Staatsanwaltschaften und die Polizei aufdecken und die ganz wenigen Fälle, die tatsächlich mal den Finanzbehörden oder den Verwaltungen auffallen oder die der Wirtschaft selbst auffallen. Und da wissen wir, dass die Wirtschaft diese Dinge unter der Decke hält.
    Dass man in deutschen Betrieben und Behörden als Hinweisgeber nicht gerade beliebt ist, weiß auch Klaus Thoma. Er war ermittelnder Beamter im Fall Kirmizgül und ist seit zwanzig Jahren Korruptionsbekämpfer beim Landeskriminalamt Berlin.

    Ich denke, dass es das übliche Fühlen einer Behörde, Denken einer Behörde ist, dass jemand, der Missstände nachweist, anklagt, anprangert, zunächst mal ein Störenfried ist und von daher nicht gerne gesehen ist. Mit anderen Worten: der Verräter ist nicht gern gesehen, der Verrat eigentlich sehr gern.

    Anders als in Amerika, wo das so genannte whistleblowing unter die Meinungsfreiheit fällt und gesetzlich geschützt ist, tut man sich hierzulande schwer, den, der einen Hinweis gibt, für diese Tat auch wertzuschätzen. Um vor Kündigung geschützt zu sein, muss ein Hinweisgeber alle zumutbaren Möglichkeiten betriebsinterner Abhilfe prüfen, bevor er den Missstand öffentlich macht. Aber wann ist der Versuch interner Abhilfe zumutbar und wann nicht? Deutsche Hinweisgeber bleiben lieber anonym. Damit bleiben auch die Motive des Hinweisgebers im Dunkeln, und deshalb zweifeln die Ermittler oft genug an den Vorwürfen selbst. Klaus Thoma:

    Wir lernen sie ja nicht kennen, die Hinweisgeber, die anonymen Hinweisgeber. Da steckt zwar ein Mensch hinter, aber wir können seine Motivation nicht von vornherein beurteilen. Es könnte ein Neider sein, es könnte ein Konkurrent sein, es könnte aber auch jemand sein, der aufklären will, der helfen will, aber sich nicht traut, seinen Namen dafür herzugeben. Aber die Erfahrung lehrt, dass an diesen Hinweisen weit überwiegend was dran ist.
    Um es den Hinweisgebern und den Ermittlern gleichermaßen einfacher zu machen, hat Kenan Tur sich etwas einfallen lassen. Der Geschäftsführer der Potsdamer Business Keeper AG hat einen elektronischen Briefkasten entwickelt, der eine Kommunikation zwischen beiden Seiten erlaubt, die drei Kriterien erfüllt: Meldungen müssen absolut geschützt und dürfen nicht rückverfolgbar sein. Unerwünschte Denunziationen - wie: der Kollege xy hat Alkoholprobleme und arbeitet nicht richtig - sollen herausgefiltert werden können. Und schließlich muss ein Dialog mit Rückfragen möglich sein. Das LKA Niedersachsen übernahm mit großem Erfolg das BKMS, das Business Keeper Monitoring System. Von rund 500 eingegangenen Hinweisen innerhalb eines Jahres kristallisierte sich etwa die Hälfte als strafrechtlich relevant heraus. Kenan Tur.

    Der Bearbeiter muss dieses Fingerspitzengefühl haben, den Hinweisgeber auch so lange an seinen Postkasten zu binden, d.h., ihm dann sofort Feedback zu geben, "sofort" heißt: innerhalb von zwei Tagen, "wir kümmern uns darum", und dann wird sich der Hinweisgeber auch wieder in seinem Postkasten anmelden und auch Fragen beantworten. Wobei die Polizei auch dann zum Schluss fragt, ob der Hinweisgeber sich outen würde. Manche tun es, manche nicht. Es gibt auch Hinweisgeber, die sind auch selber verwickelt und wollen aus dieser Misere heraus.

    Im Führerscheinfall meldete sich ein Hinweisgeber - verprügelt und sichtlich lädiert - bei der Polizei und machte eine Zeugenaussage. Es war der deutsche Lizenzgeber und Strohmann. Nachdem er gedroht hatte, sich und seinen Namen aus dem Geschäft zurückziehen, engagierte Kirmizigül ein paar Schläger. Ohne den Wunsch nach Vergeltung für seine gebrochene Nase hätte der Hinweisgeber wohl kaum Verrat begangen. Der Fall wäre unentdeckt geblieben. So aber mussten Kirmizigül und Kretschmer vor Gericht. Der Schock blieb nicht aus.

    Ich war alleine. Ich war alleine! Das war wirklich für mich wie ein Erdbeben. Von Bergspitze fällst Du runter. Aber du stirbst nicht, verdammt noch mal! Und ich bin im Wohnzimmer nicht mehr rausgegangen, fast drei, vier Wochen. Ich schäme mich.

    Ich hab ein bißchen Mist gebaut, jeder macht im Leben mal irgendeinen Fehler. Der Fehler war ganz schön groß gewesen. Aber dass man einen so Riesentritt bekommt von allen Seiten. Das ist nicht nur eine Strafe, das sind mehrere, wenn Sie so wollen.
    Fristlose Kündigung.


    Falk Kretschmer wurde von der DEKRA noch während des anhängigen Verfahrens entlassen. Das mögliche Dunkelfeld manipulierten Führerscheinerwerbs für die Zukunft zu durchforsten hat sich die DEKRA seither aber nicht zum Ziel gesetzt. Andreas Schmidt setzt auf ein neues System zur Qualitätsverbesserung.
    Da ich nicht über solche Systeme nachdenke - also Korruptionsminderungsmaßnahme - ... also wir betrachten das Qualitätsmanagementsystem aus einer anderen Sicht. Also dass selbstverständlich das ein A-Produkt ist, ein A-Produkt! - Also sprich, wir haben dieses Qualitätsmanagementsystem nicht entwickelt aus diesem Blickwinkel, aber es ist dazu geeignet, wenn einer in diesem Dreierkreis - Bewerber, Fahrschulinhaber oder Fahrprüfer - sich subjektiv verwirklichen wollte, dass dies nicht geschieht.

    Die fremdsprachlichen Prüfungsbögen sind nun vom Computer hergestellte Einzelstücke: Nicht manipulierbar, wenigstens nicht per Schablone. Und erstmalig in Berlin erprobt die DEKRA ein Internetbestellsystem. Der Bewerber sucht sich für seine Prüfung ein Datum aus, der Fahrschulinhaber bestellt die Prüfung am Computer, der Rechner wählt einen Prüfer aus und setzt seinen Namen auf den Prüfplan. - Die Dame im DEKRA-Büro ist damit ersetzt durch eine unbestechliche Maschine.