Seit Wochen machen sie Werbung für ihre Veranstaltung, und seit Wochen schüren sie den Unmut und den Ärger ihrer Gegner: Die beiden rechtsradikalen Vereinigungen "Bürgerbewegung PRO KÖLN" und "PRO NRW" haben zu einem zweitägigen Kongress geladen, zum sogenannten "Anti-Islamisierungskongress", der morgen in Köln beginnen soll. Was ihre Anhänger eint, ist die Ablehnung des Moscheenbaus in der Domstadt, was sie eint, ist die negative Haltung zum Islam. Sie wollen, Zitat: "Die Islamisierung und Türkisierung in Deutschland stoppen."
Angekündigt sind Gäste aus dem europäischen Ausland, aus Belgien, aus Italien, aus Österreich und aus Frankreich. Sie sollen die Veranstaltung aufwerten, sollen - ganz offensichtlich - vermitteln, dass Deutschland mit seinen vorgeblichen Ängsten nicht allein steht.
Doch schon im Vorfeld der Veranstaltung gibt es Pannen. Jean Marie Le Pen, Frankreichs populärster Rechtsradikaler, als einer der Hauptredner angekündigt, hat bestritten, je zu der Veranstaltung eingeladen worden zu sein. Er soll, so der Kölner Stadt-Anzeiger, die Organisatoren als "Lügner" beschimpft haben.
Handelt es sich nur um ein "Missverständnis" unter "Freunden"? Oder wird hier deutlich, wie wenig die rechtsradikalen Parteien Europas eigentlich verbindet ... Gibt es sie überhaupt, die "europäische Rechte"? Und wenn ja, wie stark ist sie? Wie mächtig ist die von ihnen inspirierte rechtsradikale, ja rechtsextreme Anhängerschaft?
Sie kommen akkurat gescheitelt und gediegen gekleidet daher. Einige haben politisch Karriere gemacht, andere haben schon viel auf dem Kerbholz, wieder andere warten darauf, dass ihre Stunde noch kommt. Europas Rechtsradikale sind so unterschiedlich, wie die Länder und die nationalen Identitäten, die sie verteidigen wollen: "Deutschland vor den Türken", "Italien vor den Schwarzafrikanern", "Frankreich vor den Arabern".
"Wenn wir sagen, dass in 20 Jahren 25 Millionen Muslime bei uns leben und dass das ein Angriff auf unsere Freiheit und unsere Sicherheit ist, wenn wir das sagen, dann wird das als verbrecherische Äußerung dargestellt.... "
Jean Marie Le Pen, der alte Anführer der rechtsradikalen französischen Front National hat das Wort, und zieht mit ihm eine große Zuhörerschaft in seinen Bann. Seit Gründung seiner Partei in den 70er Jahren hat Le Pen Hunderte solcher Reden gehalten. Und immer wieder ist das Volk akut bedroht, unterwandert zu werden. Immer droht Unheil. Und immer gibt es nur eine Partei, die es davor bewahrt. Womöglich sind sie auch daran zu erkennen: An ihrer Angst, ihrem Hass, und an ihrer Wut:
"Wir haben die Schnauze voll, wir haben genug von diesen Lügen, die die Linke verbreitet," erregt sich Le Pen, der heute 80jährige französische Rechtspopulist, der es vor wenigen Jahren noch schaffte, bei der Präsidentschaftswahl den sozialistischen Kandidaten zu schlagen und gegen Chiraq in die Stichwahl zu kommen.
Europas Rechtsradikalen liefert er ein unverwüstliches Beispiel dafür, dass es möglich ist, vom Rand der Gesellschaft in die Mitte zu stoßen und die politische Führungskaste zum Erzittern zu bringen. Nötig sind dafür nur die richtigen Themen: Die innere Sicherheit, die angeblich von illegalen Immigranten bedroht ist, die Vorstädte, die Arbeitslosigkeit in Zeiten der Globalisierung. Das hören viele Menschen gern, endlich fühlen sie sich verstanden:
"Die Einwanderung muss gestoppt werden. Überall in Frankreich schließen die Fabriken, und die Franzosen verlieren ihre Arbeit. Und dann kommen auch noch die Ausländer zu uns und bekommen Sozialhilfe. Und niemand kann Arbeit finden."
Die Frau - eine treue Wählerin des Front National - kommt aus Straßburg, einer der satten, wohlhabenden Metropolen, denen es besser geht als vielen anderen Städten Europas. Allerdings haben rund um Straßburg in den vergangenen Jahren etliche Industriebetriebe geschlossen. Und in den unruhigen Randvierteln ist das Abbrennen von Autos fast schon zum Ritual geworden, bei dem die arbeitslosen Kinder der Einwanderergeneration ihrer Langeweile und Frustration Luft verschaffen wollen. Es gibt die sozialen Konflikte, und es gibt die diffusen Ängste einer Mittelschicht, die sich vom Abstieg bedroht fühlt. Das zusammen genügt, um dem Front National in Straßburg - im Elsaß - in Frankreich - eine stabile Wählerschaft zu garantieren.
Was hier geschieht, geschieht überall in Europa, in Brüssel oder in Halle oder in einem Wiener Bezirk, wo die islamische Gemeinde gerade eine Moschee bauen will.
Und prompt ist dann auch die rechtspopulistische FPÖ in Gestalt ihres Vorsitzenden Heinz Christian Strache zur Stelle, um "den gefährdeten Wiener Bezirk und mit ihm die ganze abendländische Zivilisation vor halbmondbewehrten Minaretten zu schützen":
"Das geht hier sicherzustellen, dass wir in einem christlich-europäischen Abendland leben. Und auch eine gemeinsame Verantwortung haben, dass dieses nämlich unser christlich-europäisches Abendland auch für unsere Kinder und Kindeskinder bewahrt wird."
Strache ist gerade im Wahlkampf. Und da passt es, mitten in Wien ein Thema zu haben, das die österreichische Volksseele aufbringt. Ein Moscheenbau: Für Europas Rechtspopulisten ist das immer und überall ein gefundenes Fressen. Es wäre auch eines für den chronisch fremdenfeindlichen Vlaams Belang. Nur ist die extreme Rechte in Belgien derzeit damit beschäftigt, die dortige, nicht enden wollende Regierungskrise zu nutzen, um die Abspaltung Flanderns vom francophonen Rest des Landes zu fordern.
Filip Dewinter, Heinz Christian Strache, Jean Marie Le Pen ... das sind die Gäste, die in Köln seit Wochen angekündigt sind. Hinzukommen sollen Rechtspopulisten aus Deutschland und aus Italien. Das erklärte Ziel der Veranstalter des sogenannten "Anti-Islamisierungskongresses": Sie wollen die Grundlage für die Bildung einer gemeinsamen "Europäischen Rechten" schaffen.
Versuche, eine solche Bewegung zu gründen, hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben, zuletzt 2007 im Europäischen Parlament. Damals hatten 21 Rechte und Ultrarechte eine gemeinsame Fraktion in Straßburg gebildet: Franzosen, Italiener, Belgier, Österreicher, Bulgaren, Rumänen.
Die Gruppe nennt sich: "Identität, Tradition, Souveränität", sagt Bruno Gollnisch vom französischen Front National, den Le Pen persönlich zum Vorsitzenden der europäischen Rechtsfraktion machte.
"Unsere Gruppe gründet sich auf folgenden Prinzipien: Anerkennung der nationalen Interessen, Anerkennung der Souveränität aller Mitglieds-staaten, ihrer Identität und ihrer legitimen Unterschiede. Einsatz für die christliche Werte, für unsere europäische Kultur und für die traditionelle Familie als natürliche Keimzelle der Gesellschaft."
Gollnisch hatte den Auftrag, seiner Fraktion einen möglichst seriösen Anstrich zu geben, so als wäre die zusammengewürfelte Fraktion aus rumänischen Neofaschisten, bulgarischen Rassisten, österreichischen Populisten sowie italienischen und belgischen Separatisten im Grunde nichts anderes als ein paneuropäischer Kreis von Wertkonservativen. Dafür war Gollnisch der richtige Mann: Professor für Japanologie mit Lehrstuhl in Lyon, ein echter Gelehrter, den niemand gleichstellen mochte mit Neo-Nazis und Schlägern. Was Bruno Gollnisch aber in Straßburg verschwieg, war die dreimonatige Bewährungsstrafe, die er bekam, weil er in seinen pseudowissenschaftlichen Abhandlungen Zweifel am Holocaust geübt hatte. Darauf angesprochen zu werden, schätzt er nicht:
"Ich bin ein respektabler Mann, Monsieur, ich bin nicht hier, um mich beleidigen zu lassen. Ich habe zehntausende politische Stellungnahmen abgegeben und mir dabei nie etwas zu schulden kommen lassen. Ich werde mich hier doch keinem Revolutionstribunal unterziehen."
21 rechtsextreme Europa-Abgeordnete sitzen im EU-Parlament, und 770 andere versuchen, sie zu ignorieren. Die Redebeiträge der Rechtspopulisten beschränken sich meist auf Themen wie "Ausländerkriminalität", "Bedrohung durch den Islam" und "Masseneinwanderung nach Europa". Nicht "Identität, Tradition, Souveränität" hat sie geeint, sondern das Feindbild in all seinen Variationen: Der "afrikanische Immigrant", der "vagabundierende Roma", der "fanatische Moslem". Dass dieses Feindbild mit einem Mal Fraktionstatus bekam, brachte indes nicht mal den Grünen EU-Abgeordneten Daniel Cohn-Bendit aus der Fassung:
"Die Rechtsextremen sind in diesem Parlament seit Jahren. Jetzt haben sie sich vorläufig zu einer Fraktion zusammengefunden. Sie haben vorher nichts getan. Sie werden jetzt nix tun. Und sie werden weiterhin nichts tun."
Cohn-Bendit spricht aus Erfahrung: Schon einmal, 1989 bis 1994 gab es eine rechtsextreme Fraktion im EU-Parlament. Sie zerfiel, weil ein Abgeordneter von Schönhubers rechtsradikalen Republikanern auf dem deutschen Charakter Südtirols bestand - und damit die italienischen Neofaschisten verprellte. Auch der zweite Gründungsversuch scheiterte an internen Konflikten: Die Europaabgeordnete und Diktatoren-Enkelin Alessandra Moussolini hatte anlässlich eines Roma-Pogroms in Italien erklärt, Kriminalität sei nun mal der Lebensstil in Rumänien. Ihre Kollegen von der Großrumänienpartei waren daraufhin so beleidigt, dass die europäische Fraktionsgemeinschaft am Ende zerbrach. Damit scheiterte der zweite Versuch, eine gemeinsame "Europäische Rechte" zu formieren.
Wie in vielen anderen Parlamenten haben auch die Rechtsradikalen in Straßburg nichts bewegt, oft gefehlt und gelegentlich durch konfuse Redebeiträge nur die Tagesordnung gestört. Und wie so oft sind sie an ihren Widersprüchen zerbrochen. Nationalismus, Separatismus, Führerphantasien, Rivalitäten - all das hat Europa bislang parlamentarischen Rechtsradikalismus erspart ...
... weil der Parlamentarismus bestimmten Regeln folgt, und weil der einer klaren Ordnung untersteht. Doch die Welt ist groß, und sie macht nicht halt an den Mauern der Parlamente ...
Während die rechtsradikalen Vertreter in Schlips und Anzug sich noch nach Kräften mühen, eine politische Einigung zustande zu bringen, sind jüngere Rechtsextremisten, also auch gewaltbereite Rechte, längst einen Schritt weitergekommen. Sie reden nicht umständlich von "E-Post" und "Weltnetz", sondern bedienen sich ganz selbstverständlich der modernen Technik. An erster Stelle steht hier das Internet, mitsamt seiner Möglichkeiten, Ideologie - verpackt als Video, musikalisch aufbereitet - zu präsentieren.
"Ich denke, dass das Internet das wichtigste Medium geworden ist, das Rechtsextremisten benutzen. Es hat eine ganze Reihe von wichtigen strategischen Funktionen, Vernetzungsfunktionen beispielsweise ..."
sagt Thomas Pfeiffer. Der Wissenschaftler und Publizist arbeitet beim nordrhein-westfälischen Landesamt für Verfassungsschutz und hat ein Auge auf die Rechtsextremen und ihre Aktivitäten im Internet:
"Das Internet ist ein weltweites Medium. Man kann das Internet gar nicht national betrachten und auch Rechtsextremisten tun das nicht. Deutsche Rechtsextremisten verstehen sich nicht allein als Akteure einer nationalen Angelegenheit, sondern in ihrem eigenen Verständnis kämpfen sie für die weiße Rasse und haben insofern auch keinerlei Schwierigkeiten damit, mit anderen Vertretern dieser so genannten weißen Rasse, seien sie Nordamerikaner, seien sie Skandinavier beispielsweise, eng zusammen zu arbeiten."
Dabei denken Rechtsextremisten absolut global: Während einerseits alles Amerikanische verachtet wird, schätzen besonders deutsche Rechtsextreme die liberale Gesetzgebung in den USA: Die ermöglicht ihnen auf amerikanischen Servern Dinge ins Internet einzustellen, für die sie nach deutschem Recht unter Umständen hinter Gitter müssten: Vom Hakenkreuz bis zum Leugnen des Holocausts - hier können sich Rechtsextremisten ungestört austoben. Dabei ist die Anzahl rechtsextremer Seiten im Internet, nicht so hoch, wie sich auf den ersten Blick vermuten lässt. Thomas Pfeiffer:
"Als Verfassungsschutzbehörden gehen wir für die vergangenen Jahre relativ konstant von etwa 1000 deutschsprachigen Seiten aus. (…) International wird man das so nicht mehr exakt beziffern können. Es gibt eine Zahl, die das Simon Wiesenthal Center in New York nennt. Da spricht man von 8000 so genannten "Hate-Pages" ..."
Angesichts der Millionen von Internetseiten sind das im Verhältnis nur wenige "Hass-Seiten." Doch nicht die Zahl dieser Seiten spielt eine Rolle, es ist die Art und Weise, wie sie gestaltet sind. Für den Verfassungsschützer Pfeiffer haben diese "Hass-Seiten" eine neue gefährliche Qualität:
"Viele Internetseiten der rechtsextremistischen Szene sind technisch modern gemacht, interaktiv gestaltet, nicht altbacken und mit der alten NS-Ästhetik, sondern versuchen mit heutigen Mitteln heutige Jugendliche anzusprechen und wenn es davon nur fünf gäbe, wäre die Gefahr vielleicht gar nicht so viel geringer."
Im High-Tech-Medium Internet lässt sich alles einstellen - so wie dieses Video eines amerikanischen Skinheads, der stolz seine Waffen präsentiert ...
Mit digitalen Videokameras lässt sich in Sekundenschnelle ein kleiner Film drehen, ein paar Mausklicks am PC und das Werk steht im Internet: Auf Internet-Plattformen sind Tausende Videos auf Knopfdruck kostenlos und rund um die Uhr abrufbar. Hier empfehlen Rechtsextreme ihren Kameraden, wie sie sich gegenüber Gegnern zu verhalten haben oder veröffentlichen ihre Demonstrationen und Reden. Unter Synonymen wie AdolfH, Nationalist oder Genozid88 stellen die Nutzer die Videos zur Schau. Und suchen sich dafür bekannte Videoplattformen:
Youtube ist ein Medium, dass bei Jugendlichen bestens bekannt ist und sehr stark genutzt wird. Also versuchen auch Rechtsextremisten dort ihre Inhalte einzuspeisen. Wenn youtube darauf hingewiesen wird, reagiert youtube in der Regel sofort und nimmt solche Dinge vom Netz. Youtube Deutschland insbesondere.
Was man dort zu sehen und zu hören bekommt, strapaziert womöglich die Ohren der Älteren. Jüngere greifen auf diese Videos indes tausendfach zu.
Musik ist das weltweit verbindende Element, das Rechtsextremisten zusammenhält - neben ihrem Gedankengut. Eine der bekanntesten Bands ist Blood&Honour. Weltweit hat diese Band Fanclubs, sogenannte "Divisionen". Die deutsche "Division" ist seit dem Jahr 2000 verboten, was deren Anhänger jedoch wenig beeindruckt. Thomas Pfeiffer:
"Es ist eine der international wichtigen Organisationen der rechtsextremistischen Skinhead Szene, also des rechtsorientierten, ganz häufig plump rassistisch ausgerichteten Teilbereichs der Skinhead Szene. Die Skinhead Szene war nie allein eine nationale Gruppierung, da waren internationale Bezüge schon immer da ..."
Und das absolut grenzüberschreitend: Bis hin in die ehemaligen Ostblockstaaten werden Bündnispartner gesucht - und gefunden. Obwohl das eigentlich gar nicht zur nationalsozialistischen Ideologie passt:
"Dass man nicht mehr sagt, wie das der Nationalsozialismus propagiert hat, jeder Osteuropäer ist allein ein slawischer Untermensch, um die Begrifflichkeit des Nationalsozialismus zu benutzen, sondern dass man sich sagt, strategisch ist es für uns von Vorteil, mit diesen Gruppen zusammenzuarbeiten und insofern überwindet man auch alte ideologische Hürden, zu Gunsten einer Vorstellung der weißen Rasse, die selbstverständlich keinerlei weniger menschenverachtend ist, da sie sagt, wer nicht zu dieser weißen Rasse gehört, bleibt ein Feind, bleibt jemand der auszugrenzen ist, wo auch Gewalt durchaus gerechtfertigt sein kann."
Russland, Polen, Ungarn, Bulgarien - die Liste der Herkunftsländer von Neonazis lässt sich fast beliebig erweitern. Überall dort, wo soziale Probleme herrschen - oder die Angst vor ihnen - ist der Nährboden für nicht nur rechtsradikales, sondern auch rechtsextremes Gedankengut groß.
Das Internet als Propagandamittel von Rechtsextremen, die Musik als Schmiermittel, die das menschenverachtende Gedankengut grenzüberschreitend verbindet. Doch so wichtig das Internet und die Musik auch sein mögen, eines ersetzen sie nicht:
"In der rechtsextremistischen Szene selbst, für das aktiv werden, spielt zumindest das Versprechen von Gruppe, das Versprechen von Kameradschaft, von so etwas wie sozialer Heimat eine außerordentlich wichtige Rolle und dafür brauchen sie den persönlichen Kontakt."
Während sich die alten rechtsradikalen Parteivorderen nun auf den morgen beginnenden sogenannten "Anti-Islamisierungskongress" in Köln vorbereiten, haben die jungen Neonazis "ihr" persönliches Treffen bereits hinter sich gebracht: Am vergangenen Wochenende kamen rund 1.200 Neonazis in Altenburg/Thüringen zusammen, aus "acht Nationen", so hieß es, zu einem "Fest der Völker".
Angekündigt sind Gäste aus dem europäischen Ausland, aus Belgien, aus Italien, aus Österreich und aus Frankreich. Sie sollen die Veranstaltung aufwerten, sollen - ganz offensichtlich - vermitteln, dass Deutschland mit seinen vorgeblichen Ängsten nicht allein steht.
Doch schon im Vorfeld der Veranstaltung gibt es Pannen. Jean Marie Le Pen, Frankreichs populärster Rechtsradikaler, als einer der Hauptredner angekündigt, hat bestritten, je zu der Veranstaltung eingeladen worden zu sein. Er soll, so der Kölner Stadt-Anzeiger, die Organisatoren als "Lügner" beschimpft haben.
Handelt es sich nur um ein "Missverständnis" unter "Freunden"? Oder wird hier deutlich, wie wenig die rechtsradikalen Parteien Europas eigentlich verbindet ... Gibt es sie überhaupt, die "europäische Rechte"? Und wenn ja, wie stark ist sie? Wie mächtig ist die von ihnen inspirierte rechtsradikale, ja rechtsextreme Anhängerschaft?
Sie kommen akkurat gescheitelt und gediegen gekleidet daher. Einige haben politisch Karriere gemacht, andere haben schon viel auf dem Kerbholz, wieder andere warten darauf, dass ihre Stunde noch kommt. Europas Rechtsradikale sind so unterschiedlich, wie die Länder und die nationalen Identitäten, die sie verteidigen wollen: "Deutschland vor den Türken", "Italien vor den Schwarzafrikanern", "Frankreich vor den Arabern".
"Wenn wir sagen, dass in 20 Jahren 25 Millionen Muslime bei uns leben und dass das ein Angriff auf unsere Freiheit und unsere Sicherheit ist, wenn wir das sagen, dann wird das als verbrecherische Äußerung dargestellt.... "
Jean Marie Le Pen, der alte Anführer der rechtsradikalen französischen Front National hat das Wort, und zieht mit ihm eine große Zuhörerschaft in seinen Bann. Seit Gründung seiner Partei in den 70er Jahren hat Le Pen Hunderte solcher Reden gehalten. Und immer wieder ist das Volk akut bedroht, unterwandert zu werden. Immer droht Unheil. Und immer gibt es nur eine Partei, die es davor bewahrt. Womöglich sind sie auch daran zu erkennen: An ihrer Angst, ihrem Hass, und an ihrer Wut:
"Wir haben die Schnauze voll, wir haben genug von diesen Lügen, die die Linke verbreitet," erregt sich Le Pen, der heute 80jährige französische Rechtspopulist, der es vor wenigen Jahren noch schaffte, bei der Präsidentschaftswahl den sozialistischen Kandidaten zu schlagen und gegen Chiraq in die Stichwahl zu kommen.
Europas Rechtsradikalen liefert er ein unverwüstliches Beispiel dafür, dass es möglich ist, vom Rand der Gesellschaft in die Mitte zu stoßen und die politische Führungskaste zum Erzittern zu bringen. Nötig sind dafür nur die richtigen Themen: Die innere Sicherheit, die angeblich von illegalen Immigranten bedroht ist, die Vorstädte, die Arbeitslosigkeit in Zeiten der Globalisierung. Das hören viele Menschen gern, endlich fühlen sie sich verstanden:
"Die Einwanderung muss gestoppt werden. Überall in Frankreich schließen die Fabriken, und die Franzosen verlieren ihre Arbeit. Und dann kommen auch noch die Ausländer zu uns und bekommen Sozialhilfe. Und niemand kann Arbeit finden."
Die Frau - eine treue Wählerin des Front National - kommt aus Straßburg, einer der satten, wohlhabenden Metropolen, denen es besser geht als vielen anderen Städten Europas. Allerdings haben rund um Straßburg in den vergangenen Jahren etliche Industriebetriebe geschlossen. Und in den unruhigen Randvierteln ist das Abbrennen von Autos fast schon zum Ritual geworden, bei dem die arbeitslosen Kinder der Einwanderergeneration ihrer Langeweile und Frustration Luft verschaffen wollen. Es gibt die sozialen Konflikte, und es gibt die diffusen Ängste einer Mittelschicht, die sich vom Abstieg bedroht fühlt. Das zusammen genügt, um dem Front National in Straßburg - im Elsaß - in Frankreich - eine stabile Wählerschaft zu garantieren.
Was hier geschieht, geschieht überall in Europa, in Brüssel oder in Halle oder in einem Wiener Bezirk, wo die islamische Gemeinde gerade eine Moschee bauen will.
Und prompt ist dann auch die rechtspopulistische FPÖ in Gestalt ihres Vorsitzenden Heinz Christian Strache zur Stelle, um "den gefährdeten Wiener Bezirk und mit ihm die ganze abendländische Zivilisation vor halbmondbewehrten Minaretten zu schützen":
"Das geht hier sicherzustellen, dass wir in einem christlich-europäischen Abendland leben. Und auch eine gemeinsame Verantwortung haben, dass dieses nämlich unser christlich-europäisches Abendland auch für unsere Kinder und Kindeskinder bewahrt wird."
Strache ist gerade im Wahlkampf. Und da passt es, mitten in Wien ein Thema zu haben, das die österreichische Volksseele aufbringt. Ein Moscheenbau: Für Europas Rechtspopulisten ist das immer und überall ein gefundenes Fressen. Es wäre auch eines für den chronisch fremdenfeindlichen Vlaams Belang. Nur ist die extreme Rechte in Belgien derzeit damit beschäftigt, die dortige, nicht enden wollende Regierungskrise zu nutzen, um die Abspaltung Flanderns vom francophonen Rest des Landes zu fordern.
Filip Dewinter, Heinz Christian Strache, Jean Marie Le Pen ... das sind die Gäste, die in Köln seit Wochen angekündigt sind. Hinzukommen sollen Rechtspopulisten aus Deutschland und aus Italien. Das erklärte Ziel der Veranstalter des sogenannten "Anti-Islamisierungskongresses": Sie wollen die Grundlage für die Bildung einer gemeinsamen "Europäischen Rechten" schaffen.
Versuche, eine solche Bewegung zu gründen, hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben, zuletzt 2007 im Europäischen Parlament. Damals hatten 21 Rechte und Ultrarechte eine gemeinsame Fraktion in Straßburg gebildet: Franzosen, Italiener, Belgier, Österreicher, Bulgaren, Rumänen.
Die Gruppe nennt sich: "Identität, Tradition, Souveränität", sagt Bruno Gollnisch vom französischen Front National, den Le Pen persönlich zum Vorsitzenden der europäischen Rechtsfraktion machte.
"Unsere Gruppe gründet sich auf folgenden Prinzipien: Anerkennung der nationalen Interessen, Anerkennung der Souveränität aller Mitglieds-staaten, ihrer Identität und ihrer legitimen Unterschiede. Einsatz für die christliche Werte, für unsere europäische Kultur und für die traditionelle Familie als natürliche Keimzelle der Gesellschaft."
Gollnisch hatte den Auftrag, seiner Fraktion einen möglichst seriösen Anstrich zu geben, so als wäre die zusammengewürfelte Fraktion aus rumänischen Neofaschisten, bulgarischen Rassisten, österreichischen Populisten sowie italienischen und belgischen Separatisten im Grunde nichts anderes als ein paneuropäischer Kreis von Wertkonservativen. Dafür war Gollnisch der richtige Mann: Professor für Japanologie mit Lehrstuhl in Lyon, ein echter Gelehrter, den niemand gleichstellen mochte mit Neo-Nazis und Schlägern. Was Bruno Gollnisch aber in Straßburg verschwieg, war die dreimonatige Bewährungsstrafe, die er bekam, weil er in seinen pseudowissenschaftlichen Abhandlungen Zweifel am Holocaust geübt hatte. Darauf angesprochen zu werden, schätzt er nicht:
"Ich bin ein respektabler Mann, Monsieur, ich bin nicht hier, um mich beleidigen zu lassen. Ich habe zehntausende politische Stellungnahmen abgegeben und mir dabei nie etwas zu schulden kommen lassen. Ich werde mich hier doch keinem Revolutionstribunal unterziehen."
21 rechtsextreme Europa-Abgeordnete sitzen im EU-Parlament, und 770 andere versuchen, sie zu ignorieren. Die Redebeiträge der Rechtspopulisten beschränken sich meist auf Themen wie "Ausländerkriminalität", "Bedrohung durch den Islam" und "Masseneinwanderung nach Europa". Nicht "Identität, Tradition, Souveränität" hat sie geeint, sondern das Feindbild in all seinen Variationen: Der "afrikanische Immigrant", der "vagabundierende Roma", der "fanatische Moslem". Dass dieses Feindbild mit einem Mal Fraktionstatus bekam, brachte indes nicht mal den Grünen EU-Abgeordneten Daniel Cohn-Bendit aus der Fassung:
"Die Rechtsextremen sind in diesem Parlament seit Jahren. Jetzt haben sie sich vorläufig zu einer Fraktion zusammengefunden. Sie haben vorher nichts getan. Sie werden jetzt nix tun. Und sie werden weiterhin nichts tun."
Cohn-Bendit spricht aus Erfahrung: Schon einmal, 1989 bis 1994 gab es eine rechtsextreme Fraktion im EU-Parlament. Sie zerfiel, weil ein Abgeordneter von Schönhubers rechtsradikalen Republikanern auf dem deutschen Charakter Südtirols bestand - und damit die italienischen Neofaschisten verprellte. Auch der zweite Gründungsversuch scheiterte an internen Konflikten: Die Europaabgeordnete und Diktatoren-Enkelin Alessandra Moussolini hatte anlässlich eines Roma-Pogroms in Italien erklärt, Kriminalität sei nun mal der Lebensstil in Rumänien. Ihre Kollegen von der Großrumänienpartei waren daraufhin so beleidigt, dass die europäische Fraktionsgemeinschaft am Ende zerbrach. Damit scheiterte der zweite Versuch, eine gemeinsame "Europäische Rechte" zu formieren.
Wie in vielen anderen Parlamenten haben auch die Rechtsradikalen in Straßburg nichts bewegt, oft gefehlt und gelegentlich durch konfuse Redebeiträge nur die Tagesordnung gestört. Und wie so oft sind sie an ihren Widersprüchen zerbrochen. Nationalismus, Separatismus, Führerphantasien, Rivalitäten - all das hat Europa bislang parlamentarischen Rechtsradikalismus erspart ...
... weil der Parlamentarismus bestimmten Regeln folgt, und weil der einer klaren Ordnung untersteht. Doch die Welt ist groß, und sie macht nicht halt an den Mauern der Parlamente ...
Während die rechtsradikalen Vertreter in Schlips und Anzug sich noch nach Kräften mühen, eine politische Einigung zustande zu bringen, sind jüngere Rechtsextremisten, also auch gewaltbereite Rechte, längst einen Schritt weitergekommen. Sie reden nicht umständlich von "E-Post" und "Weltnetz", sondern bedienen sich ganz selbstverständlich der modernen Technik. An erster Stelle steht hier das Internet, mitsamt seiner Möglichkeiten, Ideologie - verpackt als Video, musikalisch aufbereitet - zu präsentieren.
"Ich denke, dass das Internet das wichtigste Medium geworden ist, das Rechtsextremisten benutzen. Es hat eine ganze Reihe von wichtigen strategischen Funktionen, Vernetzungsfunktionen beispielsweise ..."
sagt Thomas Pfeiffer. Der Wissenschaftler und Publizist arbeitet beim nordrhein-westfälischen Landesamt für Verfassungsschutz und hat ein Auge auf die Rechtsextremen und ihre Aktivitäten im Internet:
"Das Internet ist ein weltweites Medium. Man kann das Internet gar nicht national betrachten und auch Rechtsextremisten tun das nicht. Deutsche Rechtsextremisten verstehen sich nicht allein als Akteure einer nationalen Angelegenheit, sondern in ihrem eigenen Verständnis kämpfen sie für die weiße Rasse und haben insofern auch keinerlei Schwierigkeiten damit, mit anderen Vertretern dieser so genannten weißen Rasse, seien sie Nordamerikaner, seien sie Skandinavier beispielsweise, eng zusammen zu arbeiten."
Dabei denken Rechtsextremisten absolut global: Während einerseits alles Amerikanische verachtet wird, schätzen besonders deutsche Rechtsextreme die liberale Gesetzgebung in den USA: Die ermöglicht ihnen auf amerikanischen Servern Dinge ins Internet einzustellen, für die sie nach deutschem Recht unter Umständen hinter Gitter müssten: Vom Hakenkreuz bis zum Leugnen des Holocausts - hier können sich Rechtsextremisten ungestört austoben. Dabei ist die Anzahl rechtsextremer Seiten im Internet, nicht so hoch, wie sich auf den ersten Blick vermuten lässt. Thomas Pfeiffer:
"Als Verfassungsschutzbehörden gehen wir für die vergangenen Jahre relativ konstant von etwa 1000 deutschsprachigen Seiten aus. (…) International wird man das so nicht mehr exakt beziffern können. Es gibt eine Zahl, die das Simon Wiesenthal Center in New York nennt. Da spricht man von 8000 so genannten "Hate-Pages" ..."
Angesichts der Millionen von Internetseiten sind das im Verhältnis nur wenige "Hass-Seiten." Doch nicht die Zahl dieser Seiten spielt eine Rolle, es ist die Art und Weise, wie sie gestaltet sind. Für den Verfassungsschützer Pfeiffer haben diese "Hass-Seiten" eine neue gefährliche Qualität:
"Viele Internetseiten der rechtsextremistischen Szene sind technisch modern gemacht, interaktiv gestaltet, nicht altbacken und mit der alten NS-Ästhetik, sondern versuchen mit heutigen Mitteln heutige Jugendliche anzusprechen und wenn es davon nur fünf gäbe, wäre die Gefahr vielleicht gar nicht so viel geringer."
Im High-Tech-Medium Internet lässt sich alles einstellen - so wie dieses Video eines amerikanischen Skinheads, der stolz seine Waffen präsentiert ...
Mit digitalen Videokameras lässt sich in Sekundenschnelle ein kleiner Film drehen, ein paar Mausklicks am PC und das Werk steht im Internet: Auf Internet-Plattformen sind Tausende Videos auf Knopfdruck kostenlos und rund um die Uhr abrufbar. Hier empfehlen Rechtsextreme ihren Kameraden, wie sie sich gegenüber Gegnern zu verhalten haben oder veröffentlichen ihre Demonstrationen und Reden. Unter Synonymen wie AdolfH, Nationalist oder Genozid88 stellen die Nutzer die Videos zur Schau. Und suchen sich dafür bekannte Videoplattformen:
Youtube ist ein Medium, dass bei Jugendlichen bestens bekannt ist und sehr stark genutzt wird. Also versuchen auch Rechtsextremisten dort ihre Inhalte einzuspeisen. Wenn youtube darauf hingewiesen wird, reagiert youtube in der Regel sofort und nimmt solche Dinge vom Netz. Youtube Deutschland insbesondere.
Was man dort zu sehen und zu hören bekommt, strapaziert womöglich die Ohren der Älteren. Jüngere greifen auf diese Videos indes tausendfach zu.
Musik ist das weltweit verbindende Element, das Rechtsextremisten zusammenhält - neben ihrem Gedankengut. Eine der bekanntesten Bands ist Blood&Honour. Weltweit hat diese Band Fanclubs, sogenannte "Divisionen". Die deutsche "Division" ist seit dem Jahr 2000 verboten, was deren Anhänger jedoch wenig beeindruckt. Thomas Pfeiffer:
"Es ist eine der international wichtigen Organisationen der rechtsextremistischen Skinhead Szene, also des rechtsorientierten, ganz häufig plump rassistisch ausgerichteten Teilbereichs der Skinhead Szene. Die Skinhead Szene war nie allein eine nationale Gruppierung, da waren internationale Bezüge schon immer da ..."
Und das absolut grenzüberschreitend: Bis hin in die ehemaligen Ostblockstaaten werden Bündnispartner gesucht - und gefunden. Obwohl das eigentlich gar nicht zur nationalsozialistischen Ideologie passt:
"Dass man nicht mehr sagt, wie das der Nationalsozialismus propagiert hat, jeder Osteuropäer ist allein ein slawischer Untermensch, um die Begrifflichkeit des Nationalsozialismus zu benutzen, sondern dass man sich sagt, strategisch ist es für uns von Vorteil, mit diesen Gruppen zusammenzuarbeiten und insofern überwindet man auch alte ideologische Hürden, zu Gunsten einer Vorstellung der weißen Rasse, die selbstverständlich keinerlei weniger menschenverachtend ist, da sie sagt, wer nicht zu dieser weißen Rasse gehört, bleibt ein Feind, bleibt jemand der auszugrenzen ist, wo auch Gewalt durchaus gerechtfertigt sein kann."
Russland, Polen, Ungarn, Bulgarien - die Liste der Herkunftsländer von Neonazis lässt sich fast beliebig erweitern. Überall dort, wo soziale Probleme herrschen - oder die Angst vor ihnen - ist der Nährboden für nicht nur rechtsradikales, sondern auch rechtsextremes Gedankengut groß.
Das Internet als Propagandamittel von Rechtsextremen, die Musik als Schmiermittel, die das menschenverachtende Gedankengut grenzüberschreitend verbindet. Doch so wichtig das Internet und die Musik auch sein mögen, eines ersetzen sie nicht:
"In der rechtsextremistischen Szene selbst, für das aktiv werden, spielt zumindest das Versprechen von Gruppe, das Versprechen von Kameradschaft, von so etwas wie sozialer Heimat eine außerordentlich wichtige Rolle und dafür brauchen sie den persönlichen Kontakt."
Während sich die alten rechtsradikalen Parteivorderen nun auf den morgen beginnenden sogenannten "Anti-Islamisierungskongress" in Köln vorbereiten, haben die jungen Neonazis "ihr" persönliches Treffen bereits hinter sich gebracht: Am vergangenen Wochenende kamen rund 1.200 Neonazis in Altenburg/Thüringen zusammen, aus "acht Nationen", so hieß es, zu einem "Fest der Völker".