Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Vor dem CDU-Parteitag
"Asyl und Einwanderung sind zweierlei"

Vor Beginn des CDU-Parteitages in Essen hat sich Parteivizechef Armin Laschet für eine Präzisierung des Asylrechts ausgesprochen. Asyl für Verfolgte und Schutzbedürftige sei ein Grundrecht, das keine Obergenzen kenne, sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende im DLF.

Armin Laschet im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 06.12.2016
    Der CDU-Vize und NRW-Parteivorsitzende Armin Laschet spricht bei der Zukunftskonferenz in Wuppertal.
    Der CDU-Vize und NRW-Parteivorsitzende Armin Laschet (AFP / Patrik Stollarz)
    Wer jedoch aus anderen Gründen nach Deutschland gekommen sei, der müsse das Land wieder verlassen, betonte Laschet. An dieser Position seiner Partei habe sich nichts geändert. Den Ländern stünden aktuell Hunderttausende Asylverfahren bevor, deshalb sei es wichtig, jetzt zu reagieren und mit den Koalitionspartnern über Umsetzungsdefizite und notwendige Gesetzesänderungen zu sprechen. Abschiebeverfahren einfach auszusetzen, wie etwa in Berlin, verstoße gegen geltendes Recht.
    Wichtig sei dabei auch, die AfD kleinzuhalten und denjenigen, die Protest äußerten, noch stärker zuzuhören als bisher, sagte Laschet. Das sei allerdings nicht alleinige Aufgabe der CDU, sondern eine Herausforderung, der sich alle demokratischen Parteien stellen müssten.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: Dass Angela Merkel als Parteivorsitzende wiedergewählt wird, heute beim CDU-Bundesparteitag in Essen, daran besteht kein Zweifel. Die Frage ist nur, wie hoch die Unterstützung für sie sein wird. Sie dürfte aber trotz aller Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik eindeutig ausfallen, denn Merkel hat ja kürzlich bekannt gegeben, dass sie ein weiteres Mal antritt als Kanzlerkandidatin ihrer Partei im kommenden Jahr.
    Neben dem Parteivorsitz werden Präsidium und Vorstand neu gewählt. Zur Wahl stellt sich auch CDU-Vize Armin Laschet. Er ist zugleich CDU-Landes- und Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen und Spitzenkandidat seiner Partei bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr. Schönen guten Morgen, Herr Laschet.
    Armin Laschet: Guten Morgen.
    Heckmann: Herr Laschet, in allen fünf Landtagswahlen dieses Jahres hat die CDU verloren. Sie stürzte in Berlin auf 17,6 Prozent ab. 27 Prozent bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg, dann Juniorpartner in einer grün-schwarzen Koalition. Platz drei nach der AfD in Mecklenburg-Vorpommern, die AfD im Aufwind, egal wo man hinschaut. Das ist die Bilanz von Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel und ihrer Flüchtlingspolitik, die Sie ja immer voll unterstützt haben.
    In jeder anderen Partei würde der Parteichef gehörig wackeln, nicht so bei der CDU. Hat Angela Merkel, hat Ihre Partei einen guten Zeitpunkt zum Abtreten verpasst?
    Laschet: Nein, und das ist auch viel zu simpel, wie Sie das schildern. Angela Merkel hat uns vor drei Jahren fast an die absolute Mehrheit bei einer Bundestagswahl gebracht. Das weiß natürlich jeder Delegierte. Dann hat es Landtagswahlen gegeben, die immerhin auch noch Landtagswahlen sind. In einer schwierigen Zeit und den Kurs, den Angela Merkel gegangen ist, haben wir ja auf dem Bundesparteitag vor einem Jahr auch so beschlossen.
    Es war ja nie nur eine Person, sondern es war die Position der CDU Deutschlands. Und jetzt, seitdem sie angekündigt hat, wieder anzutreten, spüren wir: Die Umfragen steigen wieder. Und deshalb ist die Zuversicht groß, dass wir auch mit Angela Merkel am besten im nächsten Jahr bei der Bundestagswahl abschneiden.
    "Die demokratischen Parteien sind aufgefordert, sich dieser Herausforderung zu stellen"
    Heckmann: Die Zuversicht ist groß, dass wir am besten abschneiden. Gehen Sie denn davon aus, dass Sie die AfD kleinhalten können, aus dem Bundestag möglicherweise sogar heraushalten können?
    Laschet: Das muss der Versuch sein. Aber das ist natürlich nicht nur eine Aufgabe für die CDU. Wir als CDU müssen diese Aufgabe ernst nehmen, auch argumentieren, denen, die da Protest äußern, vielleicht noch stärker zuhören, als wir das bisher gemacht haben, aber trotzdem Kurs halten.
    Nur hier in Nordrhein-Westfalen beispielsweise spüre ich, das ist auch eine Aufgabe für die SPD. Die AfD punktet ganz stark im Ruhrgebiet bei Wählern, die früher nicht CDU gewählt haben, und deshalb sind alle demokratischen Parteien aufgefordert, sich dieser Herausforderung zu stellen.
    Heckmann: Und ist vor diesem Hintergrund, den Sie ja selber schildern, eigentlich egal, wer Parteichef oder wer Kanzler ist, solange Angela Merkel den Kursschwenk in der Flüchtlingspolitik mitmacht aus Angst vor der AfD?
    Laschet: Welchen Kursschwenk meinen Sie? Es gibt keinen Kursschwenk.
    Heckmann: Sie würden sagen, es gibt auch keine Neuakzentuierung in der Flüchtlingspolitik, die Forderungen, die Thomas Strobl - wir haben sie gerade noch mal gehört - vorgelegt hat, der ja den Leitantrag noch mal erheblich verschärfen wollte?
    Laschet: Ja was heißt verschärfen? Ich sage seit einem Jahr, seit anderthalb Jahren, ebenso wie der letzte Bundesparteitag, Asyl und Einwanderung sind zweierlei. Asyl ist für Schutzbedürftige. Da gibt es natürlich auch keine Obergrenze, weil es ja ein Grundrecht ist. Aber der, der ohne Schutzbedürfnis im Land ist, der aus anderen Gründen eingewandert ist, der muss das Land auch wieder verlassen. Das ist die Position schon vor einem Jahr gewesen und da gehen wir jetzt in die Umsetzungsphase, weil viele Verfahren jetzt abgeschlossen sind. Die haben sehr, sehr lange gedauert, weil es sehr viele Anträge waren.
    Aber natürlich muss jemand, der weder verfolgt ist, noch aus einem Bürgerkrieg kommt, noch irgendeinen Grund für sich benennen kann, weshalb er sich auf das Asylrecht bezieht, natürlich muss der auch das Land verlassen, und da haben wir ein Umsetzungsdefizit in allen Ländern. Rot-Rot-Grün in Berlin setzt sogar das Abschieben aus und das ist gegen die geltende Rechtslage.
    Heckmann: Aber es ist doch auch Faktenlage, dass Thomas Strobl in der Tat Verschärfungen gefordert hat, die jetzt auch in den Leitantrag zum Teil jedenfalls einfließen. Er fordert, dass die Abschiebehaft ausgeweitet wird, dass die Sozialleistungen gekürzt werden im Missbrauchsfall. Auch hatte er gefordert, Abschiebungen trotz Krankheit zu vollziehen, wenn die Krankheit schon bei Einreise vorlag. Auch wenn diese Forderung jetzt nicht in den Leitantrag aufgenommen wird, ist es denn erfolgversprechend, Forderungen der AfD aufzunehmen aus Ihrer Sicht, denn viele Leute wählen doch lieber das Original.
    Laschet: Nein! So geht das auch nicht. Man kann nicht eine ganz normale Umsetzung des Rechts als Forderung der AfD benennen. Es hilft überhaupt nichts gegen die AfD, sondern es hilft, geltendes Recht durchzusetzen.
    Beispielsweise die Frage ein Asylbewerber, ein Flüchtling, der aus einem Land flieht und im Urlaub dahin zurückgeht. Ja so verfolgt kann der da nicht sein. Also muss man doch sagen, das ist nicht gemeint. Wir wollten verfolgten Syrern helfen, die aus bombardierten Städten wie Aleppo fliegen, aber doch nicht irgendjemand aus einem anderen Land, der im Urlaub zurückfliegt, der hin und herfliegen kann und damit dokumentiert, er ist nicht politisch verfolgt.
    Diese Präzisionen, die enthält dieser Antrag, und das, was Sie gerade da hineingemischt haben, die Frage, ob man Kranke abschiebt, die ist nicht im Antrag drin. Das war eine der Forderungen, die in den letzten Wochen geäußert wurden, die aber nicht im Antrag übernommen wurden.
    "Nicht alles, was man rechtspolitisch fordert, ist AfD"
    Heckmann: Das habe ich ja gerade gesagt. Trotzdem werden Forderungen, die in Richtung AfD deportiert werden können, erhoben, auch wenn sie jetzt nicht vollständig in den Leitantrag aufgenommen wurden. Aufgenommen wurde die Ausweitung der Abschiebehaft. Geltendes Recht, Sie haben es gerade zitiert, sind derzeit vier Tage. Das soll auf vier Wochen ausgeweitet werden. Das ist doch ausschließlich keine Präzisierung.
    Laschet: Ich habe das von der AfD noch nicht gehört. Nicht alles, was man rechtspolitisch fordert, ist AfD. Und ich finde, wir sollten auch nicht so tun, als wenn die Umsetzung des Rechts, auch das, was man konsequent anwendet, was man derzeit noch nicht getan hat, dass das immer eine AfD-Position ist. Man kann doch über die Frage, ob das vier Tage, 14 Tage oder drei Wochen sind, durchaus sachlich streiten und zu guten Ergebnissen kommen. Das Prinzip muss doch sein: Ein Bewerber hat ein Verfahren, ein faires Verfahren, ein langes Verfahren mit Widersprüchen, mit Gerichtsentscheidungen. Und wenn das alles beendet ist und man stellt fest, diese Person ist nicht schutzbedürftig, dann ist es doch legitim zu sagen, ja dann musst du das Land auch wieder verlassen.
    Heckmann: Das heißt, verstehe ich Sie richtig, dass man das so interpretieren kann, dass die Formulierungen, die jetzt aufgenommen worden sind, auf Betreiben von Thomas Strobl, mehr oder weniger rhetorischer Natur gewesen sind und eigentlich gar keine großartige Änderung des materiellen Rechts bedeuten?
    Laschet: Nein, das tun sie nicht. Das ist eine Präzisierung dessen, wie wir jetzt vor der Riesenaufgabe - die Zahl wird ja von Monat zu Monat ansteigen, weil immer mehr Verfahren entschieden werden und damit Hunderttausende rechtskräftige Bescheide vorliegen und jetzt die Länder reagieren müssen. In der Phase befinden wir uns. In der Phase waren wir nicht vor einem Jahr. Da war die sofortige Nothilfe geboten.
    Jetzt sind viele Verfahren abgeschlossen und dazu macht er präzise Vorschläge. Manche sind schon geltendes Recht, manche sind Umsetzungsprobleme der Behörden und andere sind Präzisierungen in der Gesetzgebung, die man jetzt mit den jeweiligen Koalitionspartnern besprechen muss.
    "Im Kern besitzt ein Grundrecht keine Obergrenze"
    Heckmann: Die CSU bleibt bei ihrer Forderung nach einer Obergrenze. Sie will eine Koalition auch nur eingehen, wenn so eine Obergrenze wirklich auch festgelegt wird. Wie sicher sind Sie, dass die CDU nicht dabei auch mitmacht?
    Laschet: Das habe ich ja schon am Anfang unseres Gespräches gesagt. Ein Grundrecht kennt keine Obergrenze. Das ist ein Grundbestandteil des Asyls. Wer denn wirklich verfolgt ist, wir reden jetzt nicht über die, die wir gerade erörtert haben, sondern wer wirklich verfolgt ist, wer schutzbedürftig ist, der genießt Asyl und im Kern besitzt ein Grundrecht keine Obergrenze. Das ist die klare Position der CDU. Das weiß auch die CSU. Aber ich glaube, bei vielen anderen Fragen sind wir eng beieinander.
    Heckmann: Dennoch bleibt die CSU ganz klar bei ihrer Forderung. Das hat Horst Seehofer immer wieder betont, auch gestern wieder. Wie groß wird die Belastung für einen gemeinsamen Wahlkampf sein?
    Laschet: Gar nicht, denn es hat in jedem Wahlkampf, seit ich politisch denken kann, eigene Wahlprogramme, eigene Positionen der CSU gegeben, eben dem großen gemeinsamen Wahlprogramm mit der CDU, und ich glaube, die meisten Menschen vor Ort spüren auch, dass die Zahl der Flüchtlinge reduziert ist, dass wir weit unter der Obergrenze sind, die die CSU da benennt, sodass das für den Wahlkampf keine echte Relevanz hat.
    "Ein Musterabkommen, das sich bewährt hat"
    Heckmann: Das könnte sich aber auch wieder ändern jetzt im Sommer.
    Laschet: Ja! Das liegt aber dann daran, wie klug macht man den Schutz der Außengrenzen. Wir brauchen so etwas wie das Abkommen mit der Türkei, das illegale Migration verhindert und im Herkunftsland dann aber auch ganz massiv hilft, dass Menschen dort leben können. Das brauchen wir auch für die Staaten rund um das Mittelmeer. Das ist ein Musterabkommen, das sich bewährt hat. Wenn das gelingt im internationalen Rahmen, dass Europa in Herkunftsländern hilft, aber gleichzeitig illegale Migration und Schleppertum bekämpft, dann bin ich sicher können die Zahlen auch auf Dauer niedrig bleiben.
    Heckmann: Horst Seehofer wird nicht anwesend sein heute beim CDU-Parteitag in Essen. Erstmals in der Parteigeschichte ist es so, dass sich die beiden Parteichefs nicht gegenseitig besuchen. Wie sehr wird er Ihnen fehlen?
    Laschet: Wir haben viele Dinge zu besprechen auf dem Parteitag. Es war eine gute Tradition, dass sich die Parteivorsitzenden gegenseitig besuchten. Dieses Mal ist das nicht so. Aber ich denke, beim nächsten Mal ist er auch wieder da.
    Heckmann: Beim nächsten Mal ist er wieder dabei. Schauen wir mal, wie das weitergeht, auch das Verhältnis zwischen CDU und CSU. - Armin Laschet war das, stellvertretender CDU-Parteichef, auch in Nordrhein-Westfalen Landes- und Fraktionschef. Herr Laschet, danke Ihnen für das Gespräch und Ihre Zeit.
    Laschet: Danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.